Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 59. Abweichende Meynungen über die Klassification. sind weder der Reichhaltigkeit, noch der Klarheit des Werkshinderlich gewesen, dessen unvergleichlichen Werth gewiß kein Freund unsrer Wissenschaft verkennen wird. Nur zu einer unbedingten Nachahmung seiner formellen Einrich- tung, auch wo wir diese für unvollkommen erkennen, ist kein Grund vorhanden, und es darf nicht als Dünkel und Anmaaßung getadelt werden, wenn wir es versuchen, den historisch überlieferten Stoff des Römischen Rechts, nach seinem eigenthümlichen Bedürfniß, aber in anderer Weise, als es von Gajus geschehen ist, darzustellen. Ohnehin finden sich die zwey Haupttheile des Systems von Gajus, Familienrecht und Vermögensrecht, auch in unsrer Dar- stellung als Haupttheile wieder, so daß die Abweichung doch nur die genauere Gliederung im Einzelnen betrifft (s). contracts so einleiten: Alle Men- schen haben entweder Kaufcon- tracte geschlossen oder nicht (oder auch: alle Rechtsgeschäfte sind ent- weder Kaufcontracte oder nicht), demnach wollen wir jetzt von den Kaufcontracten handeln. -- Eben daraus erklärt sich auch die Son- derbarkeit, daß die Sklaven zwey- mal vorkommen, in der ersten und in der zweyten divisio, ohne daß eine verschiedene juristische Beziehung dieses Verfahren recht- fertigte. Die erste Erwähnung ist nämlich nur scheinbar, und dient nur als Übergang zu den verschiedenen Klassen der Freyge- lassenen (d. h. also der Patronats- verhältnisse), oder mit andern Wor- ten: die divisio der liberi und servi steht nur da als Vorwand für die subdivisio der Ingenui und Libertini, auf die es an die- ser Stelle allein abgesehen ist. Es ist also nicht richtig, wenn Manche diese doppelte Erwähnung der Sklaven dadurch rechtfertigen wollen, daß Gajus an der einen Stelle von der potestas, an der anderen von dem dominium in servos handele. Denn gerade dieses ist augenscheinlich nicht der Fall; er handelt bey der ersten Erwähnung von dem, was die Sklaven selbst angeht gar nicht. (s) Hugo selbst, bey aller Be-
§. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification. ſind weder der Reichhaltigkeit, noch der Klarheit des Werkshinderlich geweſen, deſſen unvergleichlichen Werth gewiß kein Freund unſrer Wiſſenſchaft verkennen wird. Nur zu einer unbedingten Nachahmung ſeiner formellen Einrich- tung, auch wo wir dieſe für unvollkommen erkennen, iſt kein Grund vorhanden, und es darf nicht als Dünkel und Anmaaßung getadelt werden, wenn wir es verſuchen, den hiſtoriſch überlieferten Stoff des Römiſchen Rechts, nach ſeinem eigenthümlichen Bedürfniß, aber in anderer Weiſe, als es von Gajus geſchehen iſt, darzuſtellen. Ohnehin finden ſich die zwey Haupttheile des Syſtems von Gajus, Familienrecht und Vermögensrecht, auch in unſrer Dar- ſtellung als Haupttheile wieder, ſo daß die Abweichung doch nur die genauere Gliederung im Einzelnen betrifft (s). contracts ſo einleiten: Alle Men- ſchen haben entweder Kaufcon- tracte geſchloſſen oder nicht (oder auch: alle Rechtsgeſchäfte ſind ent- weder Kaufcontracte oder nicht), demnach wollen wir jetzt von den Kaufcontracten handeln. — Eben daraus erklärt ſich auch die Son- derbarkeit, daß die Sklaven zwey- mal vorkommen, in der erſten und in der zweyten divisio, ohne daß eine verſchiedene juriſtiſche Beziehung dieſes Verfahren recht- fertigte. Die erſte Erwähnung iſt nämlich nur ſcheinbar, und dient nur als Übergang zu den verſchiedenen Klaſſen der Freyge- laſſenen (d. h. alſo der Patronats- verhältniſſe), oder mit andern Wor- ten: die divisio der liberi und servi ſteht nur da als Vorwand für die subdivisio der Ingenui und Libertini, auf die es an die- ſer Stelle allein abgeſehen iſt. Es iſt alſo nicht richtig, wenn Manche dieſe doppelte Erwähnung der Sklaven dadurch rechtfertigen wollen, daß Gajus an der einen Stelle von der potestas, an der anderen von dem dominium in servos handele. Denn gerade dieſes iſt augenſcheinlich nicht der Fall; er handelt bey der erſten Erwähnung von dem, was die Sklaven ſelbſt angeht gar nicht. (s) Hugo ſelbſt, bey aller Be-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0461" n="405"/><fw place="top" type="header">§. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification.</fw><lb/> ſind weder der Reichhaltigkeit, noch der Klarheit des Werks<lb/> hinderlich geweſen, deſſen unvergleichlichen Werth gewiß<lb/> kein Freund unſrer Wiſſenſchaft verkennen wird. Nur zu<lb/> einer unbedingten Nachahmung ſeiner formellen Einrich-<lb/> tung, auch wo wir dieſe für unvollkommen erkennen, iſt<lb/> kein Grund vorhanden, und es darf nicht als Dünkel und<lb/> Anmaaßung getadelt werden, wenn wir es verſuchen, den<lb/> hiſtoriſch überlieferten Stoff des Römiſchen Rechts, nach<lb/> ſeinem eigenthümlichen Bedürfniß, aber in anderer Weiſe,<lb/> als es von Gajus geſchehen iſt, darzuſtellen. Ohnehin<lb/> finden ſich die zwey Haupttheile des Syſtems von Gajus,<lb/> Familienrecht und Vermögensrecht, auch in unſrer Dar-<lb/> ſtellung als Haupttheile wieder, ſo daß die Abweichung<lb/> doch nur die genauere Gliederung im Einzelnen betrifft <note xml:id="seg2pn_57_1" next="#seg2pn_57_2" place="foot" n="(s)"><hi rendition="#g">Hugo</hi> ſelbſt, bey aller Be-</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_56_2" prev="#seg2pn_56_1" place="foot" n="(r)">contracts ſo einleiten: Alle Men-<lb/> ſchen haben entweder Kaufcon-<lb/> tracte geſchloſſen oder nicht (oder<lb/> auch: alle Rechtsgeſchäfte ſind ent-<lb/> weder Kaufcontracte oder nicht),<lb/> demnach wollen wir jetzt von den<lb/> Kaufcontracten handeln. — Eben<lb/> daraus erklärt ſich auch die Son-<lb/> derbarkeit, daß die Sklaven zwey-<lb/> mal vorkommen, in der erſten<lb/> und in der zweyten <hi rendition="#aq">divisio,</hi> ohne<lb/> daß eine verſchiedene juriſtiſche<lb/> Beziehung dieſes Verfahren recht-<lb/> fertigte. Die erſte Erwähnung<lb/> iſt nämlich nur ſcheinbar, und<lb/> dient nur als Übergang zu den<lb/> verſchiedenen Klaſſen der Freyge-<lb/> laſſenen (d. h. alſo der Patronats-<lb/> verhältniſſe), oder mit andern Wor-<lb/> ten: die <hi rendition="#aq">divisio</hi> der <hi rendition="#aq">liberi</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">servi</hi> ſteht nur da als Vorwand<lb/> für die <hi rendition="#aq">subdivisio</hi> der <hi rendition="#aq">Ingenui</hi><lb/> und <hi rendition="#aq">Libertini,</hi> auf die es an die-<lb/> ſer Stelle allein abgeſehen iſt.<lb/> Es iſt alſo nicht richtig, wenn<lb/> Manche dieſe doppelte Erwähnung<lb/> der Sklaven dadurch rechtfertigen<lb/> wollen, daß Gajus an der einen<lb/> Stelle von der <hi rendition="#aq">potestas,</hi> an der<lb/> anderen von dem <hi rendition="#aq">dominium in<lb/> servos</hi> handele. Denn gerade<lb/> dieſes iſt augenſcheinlich nicht der<lb/> Fall; er handelt bey der erſten<lb/> Erwähnung von dem, was die<lb/> Sklaven ſelbſt angeht gar nicht.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [405/0461]
§. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification.
ſind weder der Reichhaltigkeit, noch der Klarheit des Werks
hinderlich geweſen, deſſen unvergleichlichen Werth gewiß
kein Freund unſrer Wiſſenſchaft verkennen wird. Nur zu
einer unbedingten Nachahmung ſeiner formellen Einrich-
tung, auch wo wir dieſe für unvollkommen erkennen, iſt
kein Grund vorhanden, und es darf nicht als Dünkel und
Anmaaßung getadelt werden, wenn wir es verſuchen, den
hiſtoriſch überlieferten Stoff des Römiſchen Rechts, nach
ſeinem eigenthümlichen Bedürfniß, aber in anderer Weiſe,
als es von Gajus geſchehen iſt, darzuſtellen. Ohnehin
finden ſich die zwey Haupttheile des Syſtems von Gajus,
Familienrecht und Vermögensrecht, auch in unſrer Dar-
ſtellung als Haupttheile wieder, ſo daß die Abweichung
doch nur die genauere Gliederung im Einzelnen betrifft (s).
(r)
(s) Hugo ſelbſt, bey aller Be-
(r) contracts ſo einleiten: Alle Men-
ſchen haben entweder Kaufcon-
tracte geſchloſſen oder nicht (oder
auch: alle Rechtsgeſchäfte ſind ent-
weder Kaufcontracte oder nicht),
demnach wollen wir jetzt von den
Kaufcontracten handeln. — Eben
daraus erklärt ſich auch die Son-
derbarkeit, daß die Sklaven zwey-
mal vorkommen, in der erſten
und in der zweyten divisio, ohne
daß eine verſchiedene juriſtiſche
Beziehung dieſes Verfahren recht-
fertigte. Die erſte Erwähnung
iſt nämlich nur ſcheinbar, und
dient nur als Übergang zu den
verſchiedenen Klaſſen der Freyge-
laſſenen (d. h. alſo der Patronats-
verhältniſſe), oder mit andern Wor-
ten: die divisio der liberi und
servi ſteht nur da als Vorwand
für die subdivisio der Ingenui
und Libertini, auf die es an die-
ſer Stelle allein abgeſehen iſt.
Es iſt alſo nicht richtig, wenn
Manche dieſe doppelte Erwähnung
der Sklaven dadurch rechtfertigen
wollen, daß Gajus an der einen
Stelle von der potestas, an der
anderen von dem dominium in
servos handele. Denn gerade
dieſes iſt augenſcheinlich nicht der
Fall; er handelt bey der erſten
Erwähnung von dem, was die
Sklaven ſelbſt angeht gar nicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |