Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
vielleicht die Einstimmung mehrerer solcher Gewalten für die Gesetzgebung erfordert wird, das ändert Nichts in dem wesentlichen Verhältniß des Gesetzgebers zum Volksrecht, und es gehört wieder zu der schon oben gerügten Verwir- rung der Begriffe, wenn Manche glauben, nur in dem von gewählten Repräsentanten gemachten Gesetz sey wah- res Volksrecht enthalten.
Diese Ansicht von der Natur und dem Inhalt des Ge- setzes ist nicht selten so misverstanden worden, als würde dadurch dem Gesetzgeber eine untergeordnete, seiner nicht würdige Stellung angewiesen, ja als sollte dadurch im Stillen das ganze Geschäft der Gesetzgebung für über- flüssig, wohl gar für schädlich erklärt werden. Dieses Misverständniß wird am sichersten dadurch beseitigt wer- den, daß gezeigt wird, worin der wahre Einfluß der Ge- setzgebung auf die Rechtsbildung besteht, und welche eigen- thümliche Wichtigkeit diesem Einfluß zugeschrieben werden muß. Es zeigt sich aber dieser wichtige Einfluß vorzüg- lich in zwey Beziehungen: erstlich als ergänzende Nach- hülfe für das positive Recht, zweytens als Unterstützung seines allmäligen Fortschreitens.
In der ersten Beziehung ist hier an dasjenige zu erin- nern, was schon bey dem Gewohnheitsrecht (§ 12) bemerkt worden ist. Bey aller Sicherheit der Grundlagen des positiven Rechts kann doch im Einzelnen Manches unbe- stimmt geblieben seyn, und dieses besonders bey solchen Völkern, deren Anlage und Richtung mehr nach anderen
Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
vielleicht die Einſtimmung mehrerer ſolcher Gewalten für die Geſetzgebung erfordert wird, das ändert Nichts in dem weſentlichen Verhältniß des Geſetzgebers zum Volksrecht, und es gehört wieder zu der ſchon oben gerügten Verwir- rung der Begriffe, wenn Manche glauben, nur in dem von gewählten Repräſentanten gemachten Geſetz ſey wah- res Volksrecht enthalten.
Dieſe Anſicht von der Natur und dem Inhalt des Ge- ſetzes iſt nicht ſelten ſo misverſtanden worden, als würde dadurch dem Geſetzgeber eine untergeordnete, ſeiner nicht würdige Stellung angewieſen, ja als ſollte dadurch im Stillen das ganze Geſchäft der Geſetzgebung für über- flüſſig, wohl gar für ſchädlich erklärt werden. Dieſes Misverſtändniß wird am ſicherſten dadurch beſeitigt wer- den, daß gezeigt wird, worin der wahre Einfluß der Ge- ſetzgebung auf die Rechtsbildung beſteht, und welche eigen- thümliche Wichtigkeit dieſem Einfluß zugeſchrieben werden muß. Es zeigt ſich aber dieſer wichtige Einfluß vorzüg- lich in zwey Beziehungen: erſtlich als ergänzende Nach- hülfe für das poſitive Recht, zweytens als Unterſtützung ſeines allmäligen Fortſchreitens.
In der erſten Beziehung iſt hier an dasjenige zu erin- nern, was ſchon bey dem Gewohnheitsrecht (§ 12) bemerkt worden iſt. Bey aller Sicherheit der Grundlagen des poſitiven Rechts kann doch im Einzelnen Manches unbe- ſtimmt geblieben ſeyn, und dieſes beſonders bey ſolchen Völkern, deren Anlage und Richtung mehr nach anderen
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Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
vielleicht die Einſtimmung mehrerer ſolcher Gewalten für
die Geſetzgebung erfordert wird, das ändert Nichts in dem
weſentlichen Verhältniß des Geſetzgebers zum Volksrecht,
und es gehört wieder zu der ſchon oben gerügten Verwir-
rung der Begriffe, wenn Manche glauben, nur in dem
von gewählten Repräſentanten gemachten Geſetz ſey wah-
res Volksrecht enthalten.
Dieſe Anſicht von der Natur und dem Inhalt des Ge-
ſetzes iſt nicht ſelten ſo misverſtanden worden, als würde
dadurch dem Geſetzgeber eine untergeordnete, ſeiner nicht
würdige Stellung angewieſen, ja als ſollte dadurch im
Stillen das ganze Geſchäft der Geſetzgebung für über-
flüſſig, wohl gar für ſchädlich erklärt werden. Dieſes
Misverſtändniß wird am ſicherſten dadurch beſeitigt wer-
den, daß gezeigt wird, worin der wahre Einfluß der Ge-
ſetzgebung auf die Rechtsbildung beſteht, und welche eigen-
thümliche Wichtigkeit dieſem Einfluß zugeſchrieben werden
muß. Es zeigt ſich aber dieſer wichtige Einfluß vorzüg-
lich in zwey Beziehungen: erſtlich als ergänzende Nach-
hülfe für das poſitive Recht, zweytens als Unterſtützung
ſeines allmäligen Fortſchreitens.
In der erſten Beziehung iſt hier an dasjenige zu erin-
nern, was ſchon bey dem Gewohnheitsrecht (§ 12) bemerkt
worden iſt. Bey aller Sicherheit der Grundlagen des
poſitiven Rechts kann doch im Einzelnen Manches unbe-
ſtimmt geblieben ſeyn, und dieſes beſonders bey ſolchen
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/96>, abgerufen am 21.11.2024.
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