Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
§. 78.
Juristische Bedeutung der Infamie.

Ich will zuerst in einzelnen Sätzen zusammen stellen,
was für die juristische Natur der Infamie aus der Be-
trachtung der aufgezählten einzelnen Fälle unmittelbar folgt.

1) Es muß ein scharf bestimmter Begriff derselben an-
gegeben werden können, da nicht nur das Edict die Fälle
einzeln aufzählt, sondern auch die alten Juristen über die
Gränzen dieser einzelnen Fälle genaue Untersuchungen an-
stellen. Eben darauf deutet der Ausdruck, mit welchem
die Ausdehnung der Infamie auf einen neuen Fall bezeich-
net wird: et videlicet omni honore, quasi infamis, ex
Senatusconsulto carebit
(a). Offenbar wurde hier der
technische Ausdruck eines festen, bekannten Rechtsbegriffs
vom Senat auf einen neuen Fall angewendet.

2) Hieraus folgt aber weiter, daß mit der Infamie
bestimmte Wirkungen verknüpft seyn mußten, weil außer-
dem die genaue Bestimmung des Begriffs für den prakti-
schen Sinn der alten Juristen kein Interesse gehabt ha-
ben würde.

3) Die aufgezählten Fälle sind von zweyerley Art. In
einigen wird die Infamie abhängig gemacht von einem
richterlichen Urtheil, ohne welches sie nie eintreten kann:
in anderen dagegen von irgend einer außergerichtlichen

(a) L. 1 pr. ad L. Jul. de vi priv. (48. 7.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 78.
Juriſtiſche Bedeutung der Infamie.

Ich will zuerſt in einzelnen Sätzen zuſammen ſtellen,
was für die juriſtiſche Natur der Infamie aus der Be-
trachtung der aufgezählten einzelnen Fälle unmittelbar folgt.

1) Es muß ein ſcharf beſtimmter Begriff derſelben an-
gegeben werden können, da nicht nur das Edict die Fälle
einzeln aufzählt, ſondern auch die alten Juriſten über die
Gränzen dieſer einzelnen Fälle genaue Unterſuchungen an-
ſtellen. Eben darauf deutet der Ausdruck, mit welchem
die Ausdehnung der Infamie auf einen neuen Fall bezeich-
net wird: et videlicet omni honore, quasi infamis, ex
Senatusconsulto carebit
(a). Offenbar wurde hier der
techniſche Ausdruck eines feſten, bekannten Rechtsbegriffs
vom Senat auf einen neuen Fall angewendet.

2) Hieraus folgt aber weiter, daß mit der Infamie
beſtimmte Wirkungen verknüpft ſeyn mußten, weil außer-
dem die genaue Beſtimmung des Begriffs für den prakti-
ſchen Sinn der alten Juriſten kein Intereſſe gehabt ha-
ben würde.

3) Die aufgezählten Fälle ſind von zweyerley Art. In
einigen wird die Infamie abhängig gemacht von einem
richterlichen Urtheil, ohne welches ſie nie eintreten kann:
in anderen dagegen von irgend einer außergerichtlichen

(a) L. 1 pr. ad L. Jul. de vi priv. (48. 7.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0200" n="186"/>
          <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Per&#x017F;onen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 78.<lb/><hi rendition="#g">Juri&#x017F;ti&#x017F;che Bedeutung der Infamie</hi>.</head><lb/>
            <p>Ich will zuer&#x017F;t in einzelnen Sätzen zu&#x017F;ammen &#x017F;tellen,<lb/>
was für die juri&#x017F;ti&#x017F;che Natur der Infamie aus der Be-<lb/>
trachtung der aufgezählten einzelnen Fälle unmittelbar folgt.</p><lb/>
            <p>1) Es muß ein &#x017F;charf be&#x017F;timmter Begriff der&#x017F;elben an-<lb/>
gegeben werden können, da nicht nur das Edict die Fälle<lb/>
einzeln aufzählt, &#x017F;ondern auch die alten Juri&#x017F;ten über die<lb/>
Gränzen die&#x017F;er einzelnen Fälle genaue Unter&#x017F;uchungen an-<lb/>
&#x017F;tellen. Eben darauf deutet der Ausdruck, mit welchem<lb/>
die Ausdehnung der Infamie auf einen neuen Fall bezeich-<lb/>
net wird: <hi rendition="#aq">et videlicet omni honore, <hi rendition="#i">quasi infamis,</hi> ex<lb/>
Senatusconsulto carebit</hi> <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 <hi rendition="#i">pr. ad L. Jul. de vi priv.</hi></hi> (48. 7.).</note>. Offenbar wurde hier der<lb/>
techni&#x017F;che Ausdruck eines fe&#x017F;ten, bekannten Rechtsbegriffs<lb/>
vom Senat auf einen neuen Fall angewendet.</p><lb/>
            <p>2) Hieraus folgt aber weiter, daß mit der Infamie<lb/>
be&#x017F;timmte Wirkungen verknüpft &#x017F;eyn mußten, weil außer-<lb/>
dem die genaue Be&#x017F;timmung des Begriffs für den prakti-<lb/>
&#x017F;chen Sinn der alten Juri&#x017F;ten kein Intere&#x017F;&#x017F;e gehabt ha-<lb/>
ben würde.</p><lb/>
            <p>3) Die aufgezählten Fälle &#x017F;ind von zweyerley Art. In<lb/>
einigen wird die Infamie abhängig gemacht von einem<lb/>
richterlichen Urtheil, ohne welches &#x017F;ie nie eintreten kann:<lb/>
in anderen dagegen von irgend einer außergerichtlichen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0200] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. §. 78. Juriſtiſche Bedeutung der Infamie. Ich will zuerſt in einzelnen Sätzen zuſammen ſtellen, was für die juriſtiſche Natur der Infamie aus der Be- trachtung der aufgezählten einzelnen Fälle unmittelbar folgt. 1) Es muß ein ſcharf beſtimmter Begriff derſelben an- gegeben werden können, da nicht nur das Edict die Fälle einzeln aufzählt, ſondern auch die alten Juriſten über die Gränzen dieſer einzelnen Fälle genaue Unterſuchungen an- ſtellen. Eben darauf deutet der Ausdruck, mit welchem die Ausdehnung der Infamie auf einen neuen Fall bezeich- net wird: et videlicet omni honore, quasi infamis, ex Senatusconsulto carebit (a). Offenbar wurde hier der techniſche Ausdruck eines feſten, bekannten Rechtsbegriffs vom Senat auf einen neuen Fall angewendet. 2) Hieraus folgt aber weiter, daß mit der Infamie beſtimmte Wirkungen verknüpft ſeyn mußten, weil außer- dem die genaue Beſtimmung des Begriffs für den prakti- ſchen Sinn der alten Juriſten kein Intereſſe gehabt ha- ben würde. 3) Die aufgezählten Fälle ſind von zweyerley Art. In einigen wird die Infamie abhängig gemacht von einem richterlichen Urtheil, ohne welches ſie nie eintreten kann: in anderen dagegen von irgend einer außergerichtlichen (a) L. 1 pr. ad L. Jul. de vi priv. (48. 7.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/200
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/200>, abgerufen am 21.11.2024.