Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. geschäften (k). Das Römische Recht hat aber niemalseine solche allgemeine Regel aufgestellt. In älteren Ge- setzen war den wegen gewisser einzelner Verbrechen Ver- urtheilten die Zeugenfähigkeit besonders abgesprochen. Zu- letzt hat Justinian verordnet, zu Zeugen sollten überhaupt nur vortreffliche Leute genommen werden, gleich zuver- lässig durch guten Ruf und durch ihre äußere Stellung (l). Daß diese, ohnehin unausführbare, Vorschrift mit dem be- stimmten Rechtsbegriff der Infamie Nichts gemein hat, versteht sich von selbst; sie geht sogar über den schon sehr schwankenden Begriff der Infamia facti (§ 78) noch hin- aus (m). Demnach müssen wir, was das Resultat des neuesten Rechts betrifft, eine absolute Unfähigkeit der In- famen zum Zeugniß (sowohl dem gerichtlichen, als dem bey feyerlichen Geschäften) durchaus verneinen. Was aber die Glaubwürdigkeit derselben im gerichtlichen Zeugniß be- trifft, so kann diese ohnehin nur durch freyes Ermessen des Richters in jedem einzelnen Fall beurtheilt werden, und auch dabey sind die genauen juristischen Bestimmun- gen der Infamie gleichgültig. Eben so verhält es sich endlich auch mit der angebli- (k) Diese Meynung ist sehr ver- breitet. Vergl. u. a. Linde Lehr- buch des Civilprozesses § 258 (4te Auflage). (l) Nov. 90. (m) Ausführlich behandeln diese
Frage Burchardi § 6 und Ma- rezoll S. 220--227. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. geſchäften (k). Das Römiſche Recht hat aber niemalseine ſolche allgemeine Regel aufgeſtellt. In älteren Ge- ſetzen war den wegen gewiſſer einzelner Verbrechen Ver- urtheilten die Zeugenfähigkeit beſonders abgeſprochen. Zu- letzt hat Juſtinian verordnet, zu Zeugen ſollten überhaupt nur vortreffliche Leute genommen werden, gleich zuver- läſſig durch guten Ruf und durch ihre äußere Stellung (l). Daß dieſe, ohnehin unausführbare, Vorſchrift mit dem be- ſtimmten Rechtsbegriff der Infamie Nichts gemein hat, verſteht ſich von ſelbſt; ſie geht ſogar über den ſchon ſehr ſchwankenden Begriff der Infamia facti (§ 78) noch hin- aus (m). Demnach müſſen wir, was das Reſultat des neueſten Rechts betrifft, eine abſolute Unfähigkeit der In- famen zum Zeugniß (ſowohl dem gerichtlichen, als dem bey feyerlichen Geſchäften) durchaus verneinen. Was aber die Glaubwürdigkeit derſelben im gerichtlichen Zeugniß be- trifft, ſo kann dieſe ohnehin nur durch freyes Ermeſſen des Richters in jedem einzelnen Fall beurtheilt werden, und auch dabey ſind die genauen juriſtiſchen Beſtimmun- gen der Infamie gleichgültig. Eben ſo verhält es ſich endlich auch mit der angebli- (k) Dieſe Meynung iſt ſehr ver- breitet. Vergl. u. a. Linde Lehr- buch des Civilprozeſſes § 258 (4te Auflage). (l) Nov. 90. (m) Ausführlich behandeln dieſe
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
geſchäften (k). Das Römiſche Recht hat aber niemals
eine ſolche allgemeine Regel aufgeſtellt. In älteren Ge-
ſetzen war den wegen gewiſſer einzelner Verbrechen Ver-
urtheilten die Zeugenfähigkeit beſonders abgeſprochen. Zu-
letzt hat Juſtinian verordnet, zu Zeugen ſollten überhaupt
nur vortreffliche Leute genommen werden, gleich zuver-
läſſig durch guten Ruf und durch ihre äußere Stellung (l).
Daß dieſe, ohnehin unausführbare, Vorſchrift mit dem be-
ſtimmten Rechtsbegriff der Infamie Nichts gemein hat,
verſteht ſich von ſelbſt; ſie geht ſogar über den ſchon ſehr
ſchwankenden Begriff der Infamia facti (§ 78) noch hin-
aus (m). Demnach müſſen wir, was das Reſultat des
neueſten Rechts betrifft, eine abſolute Unfähigkeit der In-
famen zum Zeugniß (ſowohl dem gerichtlichen, als dem
bey feyerlichen Geſchäften) durchaus verneinen. Was aber
die Glaubwürdigkeit derſelben im gerichtlichen Zeugniß be-
trifft, ſo kann dieſe ohnehin nur durch freyes Ermeſſen
des Richters in jedem einzelnen Fall beurtheilt werden,
und auch dabey ſind die genauen juriſtiſchen Beſtimmun-
gen der Infamie gleichgültig.
Eben ſo verhält es ſich endlich auch mit der angebli-
chen Beziehung der Infamie auf die querela inofficiosi.
Geſchwiſter, ſagt man, die in dem Teſtament ausgeſchloſ-
ſen ſind, koͤnnen nur dann auf die Querel Anſpruch ma-
(k) Dieſe Meynung iſt ſehr ver-
breitet. Vergl. u. a. Linde Lehr-
buch des Civilprozeſſes § 258 (4te
Auflage).
(l) Nov. 90.
(m) Ausführlich behandeln dieſe
Frage Burchardi § 6 und Ma-
rezoll S. 220—227.
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