Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 87. Juristische Personen. Geschichte. Personen, und können sowohl eigenes Vermögen erwer-ben (l), als Prozesse führen (m). Fora, Conciliabula, Castella. Es waren Orte, die In späterer Zeit wurden auch ganze Provinzen als vici, item magistri pagi quo- tannis fiunt." Sie hatten also nur bald mehr, bald weniger Stücke einer Gemeindeverfassung; die vollständigeren sind vielleicht gerade die, welche sonst fora und conciliabula heißen (Note n). Die hier erwähnte jurisdictio geht nicht auf örtliche Gerichts- obrigkeiten, sondern der städtische magistratus begab sich an diese Orte hin, um daselbst Gericht zu halten. -- Hierin war also der Römische Zustand von dem un- srigen völlig verschieden; denn bey uns sind Dörfer (oder auch Kirch- spiele und Bauerschaften ohne Dörfer) selbstständige Gemeinden, völlig unabhängig von den Städ- ten (vgl. Eichhorn deutsches Privatrecht § 379. 380); ja wenn ausnahmsweise manche Dörfer von Städten abhängen, so steht dieses in Verbindung mit dem den Römern ganz fremden guts- herrlichen Verhältniß. -- Außer- dem kommt heutzutage noch eine andere gleichfalls geographische, den Römern unbekannte, Art von Corporationen vor, die wichtigen Markgenossenschaften. Vgl. Eichhorn deutsches Privatrecht § 168. 372. (l) L. 73 § 1 de leg. 1 (30. un.). "Vicis legata perinde licere capere atque civitatibus, re- scripto Imperatoris nostri sig- nificatur." (m) L. 2 C. de jurejur. pro- pter cal. (2. 59.) "sive pro ali- quo corpore, vel vico, vel alia universitate." (n) Es ist merkwürdig, daß diese Gemeinden in den Justinia- nischen Rechtsquellen nicht er- wähnt werden. Sie kommen vor in der Tafel von Heraklea, der Lex de Gallia cisalpina, und bey Paulus IV. 6. § 2. (o) Cod.Theod. Lib 2 Tit. 12
Dirksen S. 15. §. 87. Juriſtiſche Perſonen. Geſchichte. Perſonen, und können ſowohl eigenes Vermögen erwer-ben (l), als Prozeſſe führen (m). Fora, Conciliabula, Castella. Es waren Orte, die In ſpäterer Zeit wurden auch ganze Provinzen als vici, item magistri pagi quo- tannis fiunt.” Sie hatten alſo nur bald mehr, bald weniger Stücke einer Gemeindeverfaſſung; die vollſtändigeren ſind vielleicht gerade die, welche ſonſt fora und conciliabula heißen (Note n). Die hier erwähnte jurisdictio geht nicht auf örtliche Gerichts- obrigkeiten, ſondern der ſtädtiſche magistratus begab ſich an dieſe Orte hin, um daſelbſt Gericht zu halten. — Hierin war alſo der Römiſche Zuſtand von dem un- ſrigen völlig verſchieden; denn bey uns ſind Dörfer (oder auch Kirch- ſpiele und Bauerſchaften ohne Dörfer) ſelbſtſtändige Gemeinden, völlig unabhängig von den Städ- ten (vgl. Eichhorn deutſches Privatrecht § 379. 380); ja wenn ausnahmsweiſe manche Dörfer von Städten abhängen, ſo ſteht dieſes in Verbindung mit dem den Römern ganz fremden guts- herrlichen Verhältniß. — Außer- dem kommt heutzutage noch eine andere gleichfalls geographiſche, den Römern unbekannte, Art von Corporationen vor, die wichtigen Markgenoſſenſchaften. Vgl. Eichhorn deutſches Privatrecht § 168. 372. (l) L. 73 § 1 de leg. 1 (30. un.). „Vicis legata perinde licere capere atque civitatibus, re- scripto Imperatoris nostri sig- nificatur.” (m) L. 2 C. de jurejur. pro- pter cal. (2. 59.) „sive pro ali- quo corpore, vel vico, vel alia universitate.” (n) Es iſt merkwürdig, daß dieſe Gemeinden in den Juſtinia- niſchen Rechtsquellen nicht er- wähnt werden. Sie kommen vor in der Tafel von Heraklea, der Lex de Gallia cisalpina, und bey Paulus IV. 6. § 2. (o) Cod.Theod. Lib 2 Tit. 12
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Fora, Conciliabula, Castella. Es waren Orte, die
an Umfang und Wichtigkeit zwiſchen den Städten und
Dörfern in der Mitte ſtanden; ſie gehörten gleichfalls zu
einem Stadtgebiet, und hatten gewiß auch Corporations-
rechte (n).
In ſpäterer Zeit wurden auch ganze Provinzen als
juriſtiſche Perſonen, mithin als größere Gemeinden be-
handelt (o).
(k)
(l) L. 73 § 1 de leg. 1 (30. un.).
„Vicis legata perinde licere
capere atque civitatibus, re-
scripto Imperatoris nostri sig-
nificatur.”
(m) L. 2 C. de jurejur. pro-
pter cal. (2. 59.) „sive pro ali-
quo corpore, vel vico, vel alia
universitate.”
(n) Es iſt merkwürdig, daß
dieſe Gemeinden in den Juſtinia-
niſchen Rechtsquellen nicht er-
wähnt werden. Sie kommen vor
in der Tafel von Heraklea, der
Lex de Gallia cisalpina, und bey
Paulus IV. 6. § 2.
(o) Cod.Theod. Lib 2 Tit. 12
Dirkſen S. 15.
(k) vici, item magistri pagi quo-
tannis fiunt.” Sie hatten alſo
nur bald mehr, bald weniger
Stücke einer Gemeindeverfaſſung;
die vollſtändigeren ſind vielleicht
gerade die, welche ſonſt fora und
conciliabula heißen (Note n).
Die hier erwähnte jurisdictio
geht nicht auf örtliche Gerichts-
obrigkeiten, ſondern der ſtädtiſche
magistratus begab ſich an dieſe
Orte hin, um daſelbſt Gericht zu
halten. — Hierin war alſo der
Römiſche Zuſtand von dem un-
ſrigen völlig verſchieden; denn bey
uns ſind Dörfer (oder auch Kirch-
ſpiele und Bauerſchaften ohne
Dörfer) ſelbſtſtändige Gemeinden,
völlig unabhängig von den Städ-
ten (vgl. Eichhorn deutſches
Privatrecht § 379. 380); ja wenn
ausnahmsweiſe manche Dörfer
von Städten abhängen, ſo ſteht
dieſes in Verbindung mit dem
den Römern ganz fremden guts-
herrlichen Verhältniß. — Außer-
dem kommt heutzutage noch eine
andere gleichfalls geographiſche,
den Römern unbekannte, Art von
Corporationen vor, die wichtigen
Markgenoſſenſchaften. Vgl.
Eichhorn deutſches Privatrecht
§ 168. 372.
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/265>, abgerufen am 16.07.2024. |