Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Beylage VI. der capitis deminutio; natürlich ohne Definition, aberunzweifelhaft in ihren Wirkungen, und eben so auch in den meisten und wichtigsten Anwendungen auf einzelne Fälle. Dagegen gab es wohl einige Fälle, in welchen das Daseyn oder Nichtdaseyn der c. d. nicht sowohl be- stritten, als unbestimmt geblieben war, blos weil solche Fälle zufällig nicht vorgekommen oder nicht beachtet wor- den waren. Bey fortschreitender Ausbildung der Wissen- schaft suchte man für jene alte Lehre bestimmte Begriffe aufzustellen, und daß dabey ganz verschiedene Wege ein- geschlagen wurden, kann bey einem an sich blos formalen Unternehmen nicht auffallen. Die Meisten definirten die c. d. kurzweg als eine Status mutatio. Daß wir diese Definition gerade nicht als falsch, aber als unzureichend tadeln, kann wohl schwerlich für eine unbefugte Anmaa- ßung gelten, wenn man erwägt, daß die allermeisten De- finitionen der alten Juristen überaus mangelhaft sind. Das Wichtigste war, sich vor falschen Anwendungen aus consequenter Durchführung mangelhafter Definitionen zu sichern, und dagegen schützte sie meistens ihr gesunder prak- tischer Sinn. Hätte man den Gajus oder Ulpian gefragt, ob denn also der Latinus durch die erlangte Civität, der Sohn durch den Tod des Vaters, eine c. d. erleide, so würden sie weit entfernt gewesen seyn die Frage deswe- gen zu bejahen, damit nur ihre Definition durch streng consequente Anwendungen bey Ehren bliebe. Einen ganz andern Weg schlug Paulus ein, und die Beylage VI. der capitis deminutio; natürlich ohne Definition, aberunzweifelhaft in ihren Wirkungen, und eben ſo auch in den meiſten und wichtigſten Anwendungen auf einzelne Fälle. Dagegen gab es wohl einige Fälle, in welchen das Daſeyn oder Nichtdaſeyn der c. d. nicht ſowohl be- ſtritten, als unbeſtimmt geblieben war, blos weil ſolche Fälle zufällig nicht vorgekommen oder nicht beachtet wor- den waren. Bey fortſchreitender Ausbildung der Wiſſen- ſchaft ſuchte man für jene alte Lehre beſtimmte Begriffe aufzuſtellen, und daß dabey ganz verſchiedene Wege ein- geſchlagen wurden, kann bey einem an ſich blos formalen Unternehmen nicht auffallen. Die Meiſten definirten die c. d. kurzweg als eine Status mutatio. Daß wir dieſe Definition gerade nicht als falſch, aber als unzureichend tadeln, kann wohl ſchwerlich für eine unbefugte Anmaa- ßung gelten, wenn man erwägt, daß die allermeiſten De- finitionen der alten Juriſten überaus mangelhaft ſind. Das Wichtigſte war, ſich vor falſchen Anwendungen aus conſequenter Durchführung mangelhafter Definitionen zu ſichern, und dagegen ſchützte ſie meiſtens ihr geſunder prak- tiſcher Sinn. Hätte man den Gajus oder Ulpian gefragt, ob denn alſo der Latinus durch die erlangte Civität, der Sohn durch den Tod des Vaters, eine c. d. erleide, ſo würden ſie weit entfernt geweſen ſeyn die Frage deswe- gen zu bejahen, damit nur ihre Definition durch ſtreng conſequente Anwendungen bey Ehren bliebe. Einen ganz andern Weg ſchlug Paulus ein, und die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0522" n="508"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VI.</hi></fw><lb/> der <hi rendition="#aq">capitis deminutio;</hi> natürlich ohne Definition, aber<lb/> unzweifelhaft in ihren Wirkungen, und eben ſo auch in<lb/> den meiſten und wichtigſten Anwendungen auf einzelne<lb/> Fälle. Dagegen gab es wohl einige Fälle, in welchen<lb/> das Daſeyn oder Nichtdaſeyn der <hi rendition="#aq">c. d.</hi> nicht ſowohl be-<lb/> ſtritten, als unbeſtimmt geblieben war, blos weil ſolche<lb/> Fälle zufällig nicht vorgekommen oder nicht beachtet wor-<lb/> den waren. 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Beylage VI.
der capitis deminutio; natürlich ohne Definition, aber
unzweifelhaft in ihren Wirkungen, und eben ſo auch in
den meiſten und wichtigſten Anwendungen auf einzelne
Fälle. Dagegen gab es wohl einige Fälle, in welchen
das Daſeyn oder Nichtdaſeyn der c. d. nicht ſowohl be-
ſtritten, als unbeſtimmt geblieben war, blos weil ſolche
Fälle zufällig nicht vorgekommen oder nicht beachtet wor-
den waren. Bey fortſchreitender Ausbildung der Wiſſen-
ſchaft ſuchte man für jene alte Lehre beſtimmte Begriffe
aufzuſtellen, und daß dabey ganz verſchiedene Wege ein-
geſchlagen wurden, kann bey einem an ſich blos formalen
Unternehmen nicht auffallen. Die Meiſten definirten die
c. d. kurzweg als eine Status mutatio. Daß wir dieſe
Definition gerade nicht als falſch, aber als unzureichend
tadeln, kann wohl ſchwerlich für eine unbefugte Anmaa-
ßung gelten, wenn man erwägt, daß die allermeiſten De-
finitionen der alten Juriſten überaus mangelhaft ſind.
Das Wichtigſte war, ſich vor falſchen Anwendungen aus
conſequenter Durchführung mangelhafter Definitionen zu
ſichern, und dagegen ſchützte ſie meiſtens ihr geſunder prak-
tiſcher Sinn. Hätte man den Gajus oder Ulpian gefragt,
ob denn alſo der Latinus durch die erlangte Civität, der
Sohn durch den Tod des Vaters, eine c. d. erleide, ſo
würden ſie weit entfernt geweſen ſeyn die Frage deswe-
gen zu bejahen, damit nur ihre Definition durch ſtreng
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