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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage VII.
drückt (d). Eben so mußten nun auch umgekehrt die in
der Lex Julia ausdrücklich genannten Fälle unzulässiger
Ehen, wenn sie nicht schon im Edict standen, von jetzt
an als Fälle wahrer Infamie betrachtet werden: natürlich
mit Ausnahme des Falles bloßer Libertinität, da bey die-
sem das Verbot nicht von sittlichen Gründen ausgieng.
Der Unterschied der Senatoren von den übrigen Freyge-
bornen zeigte sich in zwey Stücken: erstlich in der Aus-
dehnung des Verbots auf die Freygelassenen, ohne Rück-
sicht auf deren individuelle Ehrbarkeit: zweytens in der
Anwendung des Verbots auf infame Männer, welchen die
Ehe mit den Töchtern und Enkelinnen der Senatoren un-
tersagt war, anstatt daß das Eheverbot für die Freyge-
bornen nur auf infame Frauen angewendet werden konnte.

Durch diese natürliche Entwicklung der Gedanken er-
hielt nun der Begriff der Infamie folgende merkwürdige
Ausdehnung. Infamie bezeichnete jetzt: bey Männern,
Verlust der politischen Rechte und Unfähigkeit zur Ehe mit
weiblichen Nachkommen der Senatoren: bey Frauen,
Unfähigkeit zur Ehe mit freygebornen Männern überhaupt,
was ja die Senatoren und deren Söhne ohnehin auch

(d) Ulpian. XVI. § 2. "Ali-
quando nihil inter se capiunt,
id est si contra legem Juliam
Papiamque Poppaeam contra-
xerint matrimonium: verbi gra-
tia, si famosam quis uxorem
duxerit, aut libertinam sena-
tor." -- Si quis,
also irgend Ei-
ner, Senator oder nicht, wobey
man nur noch hinzu denken muß:
ingenuus. -- famosam heißt ent-
schieden so viel als infamem, und
namentlich Ulpian gebraucht beide
Ausdrücke als völlig gleichbedeu-
tend, mit willkührlicher Abwechs-
lung. L. 6 § 1 de his qui not.
(3. 2.)

Beylage VII.
drückt (d). Eben ſo mußten nun auch umgekehrt die in
der Lex Julia ausdrücklich genannten Fälle unzuläſſiger
Ehen, wenn ſie nicht ſchon im Edict ſtanden, von jetzt
an als Fälle wahrer Infamie betrachtet werden: natürlich
mit Ausnahme des Falles bloßer Libertinität, da bey die-
ſem das Verbot nicht von ſittlichen Gründen ausgieng.
Der Unterſchied der Senatoren von den übrigen Freyge-
bornen zeigte ſich in zwey Stücken: erſtlich in der Aus-
dehnung des Verbots auf die Freygelaſſenen, ohne Rück-
ſicht auf deren individuelle Ehrbarkeit: zweytens in der
Anwendung des Verbots auf infame Männer, welchen die
Ehe mit den Töchtern und Enkelinnen der Senatoren un-
terſagt war, anſtatt daß das Eheverbot für die Freyge-
bornen nur auf infame Frauen angewendet werden konnte.

Durch dieſe natürliche Entwicklung der Gedanken er-
hielt nun der Begriff der Infamie folgende merkwürdige
Ausdehnung. Infamie bezeichnete jetzt: bey Männern,
Verluſt der politiſchen Rechte und Unfähigkeit zur Ehe mit
weiblichen Nachkommen der Senatoren: bey Frauen,
Unfähigkeit zur Ehe mit freygebornen Männern überhaupt,
was ja die Senatoren und deren Söhne ohnehin auch

(d) Ulpian. XVI. § 2. „Ali-
quando nihil inter se capiunt,
id est si contra legem Juliam
Papiamque Poppaeam contra-
xerint matrimonium: verbi gra-
tia, si famosam quis uxorem
duxerit, aut libertinam sena-
tor.” — Si quis,
alſo irgend Ei-
ner, Senator oder nicht, wobey
man nur noch hinzu denken muß:
ingenuus. — famosam heißt ent-
ſchieden ſo viel als infamem, und
namentlich Ulpian gebraucht beide
Ausdrücke als völlig gleichbedeu-
tend, mit willkührlicher Abwechs-
lung. L. 6 § 1 de his qui not.
(3. 2.)
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[520/0534] Beylage VII. drückt (d). Eben ſo mußten nun auch umgekehrt die in der Lex Julia ausdrücklich genannten Fälle unzuläſſiger Ehen, wenn ſie nicht ſchon im Edict ſtanden, von jetzt an als Fälle wahrer Infamie betrachtet werden: natürlich mit Ausnahme des Falles bloßer Libertinität, da bey die- ſem das Verbot nicht von ſittlichen Gründen ausgieng. Der Unterſchied der Senatoren von den übrigen Freyge- bornen zeigte ſich in zwey Stücken: erſtlich in der Aus- dehnung des Verbots auf die Freygelaſſenen, ohne Rück- ſicht auf deren individuelle Ehrbarkeit: zweytens in der Anwendung des Verbots auf infame Männer, welchen die Ehe mit den Töchtern und Enkelinnen der Senatoren un- terſagt war, anſtatt daß das Eheverbot für die Freyge- bornen nur auf infame Frauen angewendet werden konnte. Durch dieſe natürliche Entwicklung der Gedanken er- hielt nun der Begriff der Infamie folgende merkwürdige Ausdehnung. Infamie bezeichnete jetzt: bey Männern, Verluſt der politiſchen Rechte und Unfähigkeit zur Ehe mit weiblichen Nachkommen der Senatoren: bey Frauen, Unfähigkeit zur Ehe mit freygebornen Männern überhaupt, was ja die Senatoren und deren Söhne ohnehin auch (d) Ulpian. XVI. § 2. „Ali- quando nihil inter se capiunt, id est si contra legem Juliam Papiamque Poppaeam contra- xerint matrimonium: verbi gra- tia, si famosam quis uxorem duxerit, aut libertinam sena- tor.” — Si quis, alſo irgend Ei- ner, Senator oder nicht, wobey man nur noch hinzu denken muß: ingenuus. — famosam heißt ent- ſchieden ſo viel als infamem, und namentlich Ulpian gebraucht beide Ausdrücke als völlig gleichbedeu- tend, mit willkührlicher Abwechs- lung. L. 6 § 1 de his qui not. (3. 2.)

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/534>, abgerufen am 22.11.2024.