Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Infamie.

2) Wären die Worte earum quam wirklich der ächte
Text, so müßte sich das "quae ... eluxerit" auf earum
beziehen, also im Pluralis ausgedrückt seyn, wie es jetzt
nicht ist.

3) In der Handschrift steht vor quae virum ein leerer
Raum, welcher auf den Anfang eines ganz neuen Falls,
nicht auf die bloße Fortsetzung eines angefangenen Satzes
deutet.

4) Die entgegengesetzte Meynung setzt voraus, daß durch
die bloße Ehe die Trauer um Eltern und Kinder verletzt
werde, wozu durchaus kein Grund vorhanden ist (Num. VI.).

5) Gesetzt aber auch, die Verletzung jeder Trauer
durch die bloße Ehe wäre wahr, so würde dennoch die
entgegengesetzte Meynung, wegen des gänzlichen Mangels
an praktischem Zusammenhang, aufgegeben werden müssen.
Denn es wäre alsdann für ehrlos erklärt der Vater eines
Mannes, der eine die Trauer verletzende Frau geheura-
thet hätte. Nicht nur wäre diese Strenge an sich selbst
kaum begreiflich, sondern sie würde noch unbegreiflicher
dadurch, daß der Vater der Frau, und der neue Ehemann
selbst (im Fall der Unabhängigkeit von väterlicher Ge-
walt) von einer gleichen Strenge nicht betroffen würden;
denn diese beiden sollen nach A und B infam werden, nur
wenn die Wittwe vor Ablauf der Trauerzeit heurathet,
nicht wenn blos die Trauer um Eltern oder Kinder ver-
letzt ist. Soll man nun etwas so Widersinniges für mög-
lich halten?


Infamie.

2) Wären die Worte earum quam wirklich der ächte
Text, ſo müßte ſich das „quae … eluxerit” auf earum
beziehen, alſo im Pluralis ausgedrückt ſeyn, wie es jetzt
nicht iſt.

3) In der Handſchrift ſteht vor quae virum ein leerer
Raum, welcher auf den Anfang eines ganz neuen Falls,
nicht auf die bloße Fortſetzung eines angefangenen Satzes
deutet.

4) Die entgegengeſetzte Meynung ſetzt voraus, daß durch
die bloße Ehe die Trauer um Eltern und Kinder verletzt
werde, wozu durchaus kein Grund vorhanden iſt (Num. VI.).

5) Geſetzt aber auch, die Verletzung jeder Trauer
durch die bloße Ehe wäre wahr, ſo würde dennoch die
entgegengeſetzte Meynung, wegen des gänzlichen Mangels
an praktiſchem Zuſammenhang, aufgegeben werden müſſen.
Denn es wäre alsdann für ehrlos erklärt der Vater eines
Mannes, der eine die Trauer verletzende Frau geheura-
thet hätte. Nicht nur wäre dieſe Strenge an ſich ſelbſt
kaum begreiflich, ſondern ſie würde noch unbegreiflicher
dadurch, daß der Vater der Frau, und der neue Ehemann
ſelbſt (im Fall der Unabhängigkeit von väterlicher Ge-
walt) von einer gleichen Strenge nicht betroffen würden;
denn dieſe beiden ſollen nach A und B infam werden, nur
wenn die Wittwe vor Ablauf der Trauerzeit heurathet,
nicht wenn blos die Trauer um Eltern oder Kinder ver-
letzt iſt. Soll man nun etwas ſo Widerſinniges für mög-
lich halten?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0557" n="543"/>
            <fw place="top" type="header">Infamie.</fw><lb/>
            <p>2) Wären die Worte <hi rendition="#aq">earum quam</hi> wirklich der ächte<lb/>
Text, &#x017F;o müßte &#x017F;ich das <hi rendition="#aq">&#x201E;quae &#x2026; eluxerit&#x201D;</hi> auf <hi rendition="#aq">earum</hi><lb/>
beziehen, al&#x017F;o im Pluralis ausgedrückt &#x017F;eyn, wie es jetzt<lb/>
nicht i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>3) In der Hand&#x017F;chrift &#x017F;teht vor <hi rendition="#aq">quae virum</hi> ein leerer<lb/>
Raum, welcher auf den Anfang eines ganz neuen Falls,<lb/>
nicht auf die bloße Fort&#x017F;etzung eines angefangenen Satzes<lb/>
deutet.</p><lb/>
            <p>4) Die entgegenge&#x017F;etzte Meynung &#x017F;etzt voraus, daß durch<lb/>
die bloße Ehe die Trauer um Eltern und Kinder verletzt<lb/>
werde, wozu durchaus kein Grund vorhanden i&#x017F;t (Num. <hi rendition="#aq">VI.</hi>).</p><lb/>
            <p>5) Ge&#x017F;etzt aber auch, die Verletzung jeder Trauer<lb/>
durch die bloße Ehe wäre wahr, &#x017F;o würde dennoch die<lb/>
entgegenge&#x017F;etzte Meynung, wegen des gänzlichen Mangels<lb/>
an prakti&#x017F;chem Zu&#x017F;ammenhang, aufgegeben werden mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Denn es wäre alsdann für ehrlos erklärt der Vater eines<lb/>
Mannes, der eine die Trauer verletzende Frau geheura-<lb/>
thet hätte. Nicht nur wäre die&#x017F;e Strenge an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
kaum begreiflich, &#x017F;ondern &#x017F;ie würde noch unbegreiflicher<lb/>
dadurch, daß der Vater der Frau, und der neue Ehemann<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t (im Fall der Unabhängigkeit von väterlicher Ge-<lb/>
walt) von einer gleichen Strenge nicht betroffen würden;<lb/>
denn die&#x017F;e beiden &#x017F;ollen nach <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B</hi> infam werden, nur<lb/>
wenn die Wittwe vor Ablauf der Trauerzeit heurathet,<lb/>
nicht wenn blos die Trauer um Eltern oder Kinder ver-<lb/>
letzt i&#x017F;t. Soll man nun etwas &#x017F;o Wider&#x017F;inniges für mög-<lb/>
lich halten?</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[543/0557] Infamie. 2) Wären die Worte earum quam wirklich der ächte Text, ſo müßte ſich das „quae … eluxerit” auf earum beziehen, alſo im Pluralis ausgedrückt ſeyn, wie es jetzt nicht iſt. 3) In der Handſchrift ſteht vor quae virum ein leerer Raum, welcher auf den Anfang eines ganz neuen Falls, nicht auf die bloße Fortſetzung eines angefangenen Satzes deutet. 4) Die entgegengeſetzte Meynung ſetzt voraus, daß durch die bloße Ehe die Trauer um Eltern und Kinder verletzt werde, wozu durchaus kein Grund vorhanden iſt (Num. VI.). 5) Geſetzt aber auch, die Verletzung jeder Trauer durch die bloße Ehe wäre wahr, ſo würde dennoch die entgegengeſetzte Meynung, wegen des gänzlichen Mangels an praktiſchem Zuſammenhang, aufgegeben werden müſſen. Denn es wäre alsdann für ehrlos erklärt der Vater eines Mannes, der eine die Trauer verletzende Frau geheura- thet hätte. Nicht nur wäre dieſe Strenge an ſich ſelbſt kaum begreiflich, ſondern ſie würde noch unbegreiflicher dadurch, daß der Vater der Frau, und der neue Ehemann ſelbſt (im Fall der Unabhängigkeit von väterlicher Ge- walt) von einer gleichen Strenge nicht betroffen würden; denn dieſe beiden ſollen nach A und B infam werden, nur wenn die Wittwe vor Ablauf der Trauerzeit heurathet, nicht wenn blos die Trauer um Eltern oder Kinder ver- letzt iſt. Soll man nun etwas ſo Widerſinniges für mög- lich halten?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/557
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/557>, abgerufen am 17.05.2024.