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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Infamie.
aus dem Verfahren des Epitomators erklärt worden, von
welchem die Vaticanischen Fragmente herrühren; ein an-
derer Theil, und gerade der wesentlichere, besteht in den
Fällen der Infamie (D und E), welche in den Fragmenten
stehen, in den Digesten aber ganz fehlen. Dabey fällt
natürlich jene Erklärung weg, indem der Epitomator nach
eigenem Gutdünken Stücke weglassen, aber nicht zusetzen
konnte. Die vollständige Darlegung des historischen Zu-
sammenhangs wird jene Verschiedenheit erklärlich machen.

So lange die Infamie ein blos politisches Institut
war, konnte sie auf Frauen nicht bezogen werden. Durch
die Lex Julia und deren Auslegung wurde sie auf Frauen
anwendbar (Num. II.), und nun betrachtete man unter an-
dern als infam die Frauen, welche irgend eine strenge
Trauerpflicht verletzt hatten, und eben so diejenigen, welche
vor Ablauf von Zehen Monaten nach dem Tod ihres Man-
nes eine neue Ehe schlossen. Diese neuen Fälle wurden
auch in das Edict eingeschrieben (Num. VII.), und zwar
als neue Zusätze hinter diejenigen alten Fälle, womit sie
am meisten Ähnlichkeit hatten. Die Gestalt des Edicts,
welche ans dieser Einschaltung hervorgieng, erkennen wir
aus den Vaticanischen Fragmenten (Num. VIII.), und es
wird nunmehr klar, warum der Fall E erst hinter den
Fällen A, B, C, und sogar getrennt von ihnen, einge-
schoben ist, da er dem innern Zusammenhang nach neben
jenen Fällen, ja sogar vor denselben seine richtige Stelle
gefunden hätte. Ohne Zweifel hätte er diese erhalten,

II. 35

Infamie.
aus dem Verfahren des Epitomators erklärt worden, von
welchem die Vaticaniſchen Fragmente herrühren; ein an-
derer Theil, und gerade der weſentlichere, beſteht in den
Fällen der Infamie (D und E), welche in den Fragmenten
ſtehen, in den Digeſten aber ganz fehlen. Dabey fällt
natürlich jene Erklärung weg, indem der Epitomator nach
eigenem Gutdünken Stücke weglaſſen, aber nicht zuſetzen
konnte. Die vollſtändige Darlegung des hiſtoriſchen Zu-
ſammenhangs wird jene Verſchiedenheit erklärlich machen.

So lange die Infamie ein blos politiſches Inſtitut
war, konnte ſie auf Frauen nicht bezogen werden. Durch
die Lex Julia und deren Auslegung wurde ſie auf Frauen
anwendbar (Num. II.), und nun betrachtete man unter an-
dern als infam die Frauen, welche irgend eine ſtrenge
Trauerpflicht verletzt hatten, und eben ſo diejenigen, welche
vor Ablauf von Zehen Monaten nach dem Tod ihres Man-
nes eine neue Ehe ſchloſſen. Dieſe neuen Fälle wurden
auch in das Edict eingeſchrieben (Num. VII.), und zwar
als neue Zuſätze hinter diejenigen alten Fälle, womit ſie
am meiſten Ähnlichkeit hatten. Die Geſtalt des Edicts,
welche ans dieſer Einſchaltung hervorgieng, erkennen wir
aus den Vaticaniſchen Fragmenten (Num. VIII.), und es
wird nunmehr klar, warum der Fall E erſt hinter den
Fällen A, B, C, und ſogar getrennt von ihnen, einge-
ſchoben iſt, da er dem innern Zuſammenhang nach neben
jenen Fällen, ja ſogar vor denſelben ſeine richtige Stelle
gefunden hätte. Ohne Zweifel hätte er dieſe erhalten,

II. 35
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[545/0559] Infamie. aus dem Verfahren des Epitomators erklärt worden, von welchem die Vaticaniſchen Fragmente herrühren; ein an- derer Theil, und gerade der weſentlichere, beſteht in den Fällen der Infamie (D und E), welche in den Fragmenten ſtehen, in den Digeſten aber ganz fehlen. Dabey fällt natürlich jene Erklärung weg, indem der Epitomator nach eigenem Gutdünken Stücke weglaſſen, aber nicht zuſetzen konnte. Die vollſtändige Darlegung des hiſtoriſchen Zu- ſammenhangs wird jene Verſchiedenheit erklärlich machen. So lange die Infamie ein blos politiſches Inſtitut war, konnte ſie auf Frauen nicht bezogen werden. Durch die Lex Julia und deren Auslegung wurde ſie auf Frauen anwendbar (Num. II.), und nun betrachtete man unter an- dern als infam die Frauen, welche irgend eine ſtrenge Trauerpflicht verletzt hatten, und eben ſo diejenigen, welche vor Ablauf von Zehen Monaten nach dem Tod ihres Man- nes eine neue Ehe ſchloſſen. Dieſe neuen Fälle wurden auch in das Edict eingeſchrieben (Num. VII.), und zwar als neue Zuſätze hinter diejenigen alten Fälle, womit ſie am meiſten Ähnlichkeit hatten. Die Geſtalt des Edicts, welche ans dieſer Einſchaltung hervorgieng, erkennen wir aus den Vaticaniſchen Fragmenten (Num. VIII.), und es wird nunmehr klar, warum der Fall E erſt hinter den Fällen A, B, C, und ſogar getrennt von ihnen, einge- ſchoben iſt, da er dem innern Zuſammenhang nach neben jenen Fällen, ja ſogar vor denſelben ſeine richtige Stelle gefunden hätte. Ohne Zweifel hätte er dieſe erhalten, II. 35

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/559>, abgerufen am 23.11.2024.