Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 67. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. III. Familienabhängigkeit. die der Kinder in väterlicher Gewalt (Note b). Hierinbestand also allerdings eine besondere Art eingeschränkter Rechtsfähigkeit, dem Familienverhältniß eigenthümlich an- gehörend. Der Unterschied vom Sklavenstand lag nur darin, daß dieser auch als ein Zustand an sich anzusehen war, anstatt daß das mancipium nur in der Abhängig- keit von einem bestimmten, einzelnen Familienhaupt sein Wesen hatte. Eben so war ohne Zweifel, während der Dauer des mancipii, die Ausübung politischer Rechte sus- pendirt, so daß der Mancipirte weder in der Volksver- sammlung stimmen, noch judex oder auch nur Testaments- zeuge seyn konnte (c). Dagegen stand es anders im Fa- milienrecht; seine Ehe blieb eine wahre, rechtsgültige Ehe, (c) Aus Ulpian, XX. § 3--6, wo so genau die Fälle angege- ben werden, in welchen der Sohn für bestimmte Testamente Zeuge seyn konnte, was seine allgemeine Zeugenfähigkeit voraussetzt, geht durch den Gegensatz hervor, daß der in mancipio überhaupt un- fähig war, weil sonst für ihn ähn- liche Negeln gegeben worden wä- ren. Der Testamentszeuge stellte nämlich eine Klasse des Römi- schen Volks vor, und in dieser Beziehung heißt es: "Testamen- tifactio non privati sed publici juris est." L. 3 qui test. (28. 1.). -- Gegen die im Text aufgestellte Behauptung (Suspension der po- litischen Rechte) könnte man mit vielem Schein anführen L. 5 § 2 L. 6 de cap. min. (4. 5.), nach welchen durch keine minima c. d., also auch nicht durch die manci- pii causa, die politischen Rechte verloren werden sollen. Allein als diese Stellen niedergeschrieben wurden, war ja fast immer die mancipii causa nur symbolisch und nur vorübergehend, also die Suspension unmerklich. Wenn aber in der älteren Zeit ein Rö- mer seinen Sohn aus Armuth mancipirte, so daß dieser längere Zeit dem Käufer diente, so ist es doch kaum denkbar, daß wäh- rend dieses Dienstes ein politi- sches Recht hätte gelten sollen; nach der Entlassung freylich trat gewiß das frühere Recht unver- mindert ein, weshalb ich es auch nur eine Suspension genannt habe. 4*
§. 67. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit. III. Familienabhängigkeit. die der Kinder in väterlicher Gewalt (Note b). Hierinbeſtand alſo allerdings eine beſondere Art eingeſchränkter Rechtsfähigkeit, dem Familienverhältniß eigenthümlich an- gehoͤrend. Der Unterſchied vom Sklavenſtand lag nur darin, daß dieſer auch als ein Zuſtand an ſich anzuſehen war, anſtatt daß das mancipium nur in der Abhängig- keit von einem beſtimmten, einzelnen Familienhaupt ſein Weſen hatte. Eben ſo war ohne Zweifel, während der Dauer des mancipii, die Ausübung politiſcher Rechte ſus- pendirt, ſo daß der Mancipirte weder in der Volksver- ſammlung ſtimmen, noch judex oder auch nur Teſtaments- zeuge ſeyn konnte (c). Dagegen ſtand es anders im Fa- milienrecht; ſeine Ehe blieb eine wahre, rechtsgültige Ehe, (c) Aus Ulpian, XX. § 3—6, wo ſo genau die Fälle angege- ben werden, in welchen der Sohn für beſtimmte Teſtamente Zeuge ſeyn konnte, was ſeine allgemeine Zeugenfähigkeit vorausſetzt, geht durch den Gegenſatz hervor, daß der in mancipio überhaupt un- fähig war, weil ſonſt für ihn ähn- liche Negeln gegeben worden wä- ren. Der Teſtamentszeuge ſtellte nämlich eine Klaſſe des Römi- ſchen Volks vor, und in dieſer Beziehung heißt es: „Testamen- tifactio non privati sed publici juris est.” L. 3 qui test. (28. 1.). — Gegen die im Text aufgeſtellte Behauptung (Suspenſion der po- litiſchen Rechte) könnte man mit vielem Schein anführen L. 5 § 2 L. 6 de cap. min. (4. 5.), nach welchen durch keine minima c. d., alſo auch nicht durch die manci- pii causa, die politiſchen Rechte verloren werden ſollen. Allein als dieſe Stellen niedergeſchrieben wurden, war ja faſt immer die mancipii causa nur ſymboliſch und nur vorübergehend, alſo die Suspenſion unmerklich. Wenn aber in der älteren Zeit ein Rö- mer ſeinen Sohn aus Armuth mancipirte, ſo daß dieſer längere Zeit dem Käufer diente, ſo iſt es doch kaum denkbar, daß wäh- rend dieſes Dienſtes ein politi- ſches Recht hätte gelten ſollen; nach der Entlaſſung freylich trat gewiß das frühere Recht unver- mindert ein, weshalb ich es auch nur eine Suspenſion genannt habe. 4*
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§. 67. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit. III. Familienabhängigkeit.
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beſtand alſo allerdings eine beſondere Art eingeſchränkter
Rechtsfähigkeit, dem Familienverhältniß eigenthümlich an-
gehoͤrend. Der Unterſchied vom Sklavenſtand lag nur
darin, daß dieſer auch als ein Zuſtand an ſich anzuſehen
war, anſtatt daß das mancipium nur in der Abhängig-
keit von einem beſtimmten, einzelnen Familienhaupt ſein
Weſen hatte. Eben ſo war ohne Zweifel, während der
Dauer des mancipii, die Ausübung politiſcher Rechte ſus-
pendirt, ſo daß der Mancipirte weder in der Volksver-
ſammlung ſtimmen, noch judex oder auch nur Teſtaments-
zeuge ſeyn konnte (c). Dagegen ſtand es anders im Fa-
milienrecht; ſeine Ehe blieb eine wahre, rechtsgültige Ehe,
(c) Aus Ulpian, XX. § 3—6,
wo ſo genau die Fälle angege-
ben werden, in welchen der Sohn
für beſtimmte Teſtamente Zeuge
ſeyn konnte, was ſeine allgemeine
Zeugenfähigkeit vorausſetzt, geht
durch den Gegenſatz hervor, daß
der in mancipio überhaupt un-
fähig war, weil ſonſt für ihn ähn-
liche Negeln gegeben worden wä-
ren. Der Teſtamentszeuge ſtellte
nämlich eine Klaſſe des Römi-
ſchen Volks vor, und in dieſer
Beziehung heißt es: „Testamen-
tifactio non privati sed publici
juris est.” L. 3 qui test. (28. 1.).
— Gegen die im Text aufgeſtellte
Behauptung (Suspenſion der po-
litiſchen Rechte) könnte man mit
vielem Schein anführen L. 5 § 2
L. 6 de cap. min. (4. 5.), nach
welchen durch keine minima c. d.,
alſo auch nicht durch die manci-
pii causa, die politiſchen Rechte
verloren werden ſollen. Allein
als dieſe Stellen niedergeſchrieben
wurden, war ja faſt immer die
mancipii causa nur ſymboliſch
und nur vorübergehend, alſo die
Suspenſion unmerklich. Wenn
aber in der älteren Zeit ein Rö-
mer ſeinen Sohn aus Armuth
mancipirte, ſo daß dieſer längere
Zeit dem Käufer diente, ſo iſt
es doch kaum denkbar, daß wäh-
rend dieſes Dienſtes ein politi-
ſches Recht hätte gelten ſollen;
nach der Entlaſſung freylich trat
gewiß das frühere Recht unver-
mindert ein, weshalb ich es auch
nur eine Suspenſion genannt
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