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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung.
zugeschrieben, und er gründet sich offenbar darauf, daß
der Zweck erreicht ist, die in der Bedingung vorgeschriebene
Handlung mag wirklich geschehen, oder von jener Person,
auf welche dabey allein gesehen war, erlassen, also für
überflüssig erklärt werden. Besonders einleuchtend ist Die-
ses bey einer auf ein Geben gerichteten Bedingung; denn
wollte man hier auch auf der buchstäblichen Vollziehung,
ungeachtet des Verzichts, bestehen, so würde doch den
Empfänger Nichts abhalten können, das empfangene Geld
sogleich wieder zurück zu geben. Allein der Satz ist keines-
weges auf diesen, besonders unzweifelhaften, Fall einge-
schränkt; vielmehr gilt er auch bey der Bedingung, eine
bestimmte Frau zu heurathen, wenn Diese die Ehe aus-
schlägt (c): eben so bey der Bedingung der Arrogation,
die der zu Arrogirende verweigert (d), oder der öffentlichen
Aufstellung von Bildsäulen, die von der Stadtgemeinde
nicht zugelassen wird (e).

Überall wird also bey dieser Fiction eine mixta con-
ditio (§ 117. e.)
vorausgesetzt, deren Erfüllung durch den
Willen einer bestimmten Person (nicht durch zufällige Um-
stände) verhindert wird (f). Unter dieser Voraussetzung

sus est dare .. nollet accipere."
-- Das Preußische A. L. R., Th. 1
Tit. 4 § 112. 113 bestimmt gerade
das Gegentheil von dieser Regel.
(c) L. 23 de cond. inst. (28.
7.), L. 31 de cond. (35. 1.), L. 1
C. de his quae sub modo
(6. 45.).
(d) L. 11 de cond. inst. (28. 7.).
(e) L. 14 de cond. (35. 1.).
(f) Wenn also die Bedingung
der Ehe mit einer bestimmten Frau
deswegen unerfüllt bleibt, weil
diese Frau die Ehe versagt, so
gilt sie als erfüllt: wenn dage-
gen durch den früheren Tod der
Frau die Ehe unmöglich ist, so
tritt die Fiction nicht ein, und
das Legat ist verloren. Eben so in

§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung.
zugeſchrieben, und er gründet ſich offenbar darauf, daß
der Zweck erreicht iſt, die in der Bedingung vorgeſchriebene
Handlung mag wirklich geſchehen, oder von jener Perſon,
auf welche dabey allein geſehen war, erlaſſen, alſo für
überflüſſig erklärt werden. Beſonders einleuchtend iſt Die-
ſes bey einer auf ein Geben gerichteten Bedingung; denn
wollte man hier auch auf der buchſtäblichen Vollziehung,
ungeachtet des Verzichts, beſtehen, ſo würde doch den
Empfänger Nichts abhalten koͤnnen, das empfangene Geld
ſogleich wieder zurück zu geben. Allein der Satz iſt keines-
weges auf dieſen, beſonders unzweifelhaften, Fall einge-
ſchränkt; vielmehr gilt er auch bey der Bedingung, eine
beſtimmte Frau zu heurathen, wenn Dieſe die Ehe aus-
ſchlägt (c): eben ſo bey der Bedingung der Arrogation,
die der zu Arrogirende verweigert (d), oder der öffentlichen
Aufſtellung von Bildſäulen, die von der Stadtgemeinde
nicht zugelaſſen wird (e).

Überall wird alſo bey dieſer Fiction eine mixta con-
ditio (§ 117. e.)
vorausgeſetzt, deren Erfüllung durch den
Willen einer beſtimmten Perſon (nicht durch zufällige Um-
ſtände) verhindert wird (f). Unter dieſer Vorausſetzung

sus est dare .. nollet accipere.
— Das Preußiſche A. L. R., Th. 1
Tit. 4 § 112. 113 beſtimmt gerade
das Gegentheil von dieſer Regel.
(c) L. 23 de cond. inst. (28.
7.), L. 31 de cond. (35. 1.), L. 1
C. de his quae sub modo
(6. 45.).
(d) L. 11 de cond. inst. (28. 7.).
(e) L. 14 de cond. (35. 1.).
(f) Wenn alſo die Bedingung
der Ehe mit einer beſtimmten Frau
deswegen unerfüllt bleibt, weil
dieſe Frau die Ehe verſagt, ſo
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gen durch den früheren Tod der
Frau die Ehe unmöglich iſt, ſo
tritt die Fiction nicht ein, und
das Legat iſt verloren. Eben ſo in
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[139/0151] §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. zugeſchrieben, und er gründet ſich offenbar darauf, daß der Zweck erreicht iſt, die in der Bedingung vorgeſchriebene Handlung mag wirklich geſchehen, oder von jener Perſon, auf welche dabey allein geſehen war, erlaſſen, alſo für überflüſſig erklärt werden. Beſonders einleuchtend iſt Die- ſes bey einer auf ein Geben gerichteten Bedingung; denn wollte man hier auch auf der buchſtäblichen Vollziehung, ungeachtet des Verzichts, beſtehen, ſo würde doch den Empfänger Nichts abhalten koͤnnen, das empfangene Geld ſogleich wieder zurück zu geben. Allein der Satz iſt keines- weges auf dieſen, beſonders unzweifelhaften, Fall einge- ſchränkt; vielmehr gilt er auch bey der Bedingung, eine beſtimmte Frau zu heurathen, wenn Dieſe die Ehe aus- ſchlägt (c): eben ſo bey der Bedingung der Arrogation, die der zu Arrogirende verweigert (d), oder der öffentlichen Aufſtellung von Bildſäulen, die von der Stadtgemeinde nicht zugelaſſen wird (e). Überall wird alſo bey dieſer Fiction eine mixta con- ditio (§ 117. e.) vorausgeſetzt, deren Erfüllung durch den Willen einer beſtimmten Perſon (nicht durch zufällige Um- ſtände) verhindert wird (f). Unter dieſer Vorausſetzung (b) (c) L. 23 de cond. inst. (28. 7.), L. 31 de cond. (35. 1.), L. 1 C. de his quae sub modo (6. 45.). (d) L. 11 de cond. inst. (28. 7.). (e) L. 14 de cond. (35. 1.). (f) Wenn alſo die Bedingung der Ehe mit einer beſtimmten Frau deswegen unerfüllt bleibt, weil dieſe Frau die Ehe verſagt, ſo gilt ſie als erfüllt: wenn dage- gen durch den früheren Tod der Frau die Ehe unmöglich iſt, ſo tritt die Fiction nicht ein, und das Legat iſt verloren. Eben ſo in (b) sus est dare .. nollet accipere.” — Das Preußiſche A. L. R., Th. 1 Tit. 4 § 112. 113 beſtimmt gerade das Gegentheil von dieſer Regel.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/151>, abgerufen am 23.11.2024.