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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
auch hier einen Irrthum annehmen, wodurch dieser Fall
mit den vorhin angegebenen Fällen gleichartig wird (g).

Wäre nun für jeden dieser Fälle eine besondere Regel
aufzusuchen, und zugleich für jede Stelle des Römischen
Rechts genau anzugeben, welcher unter jenen Fällen dem
alten Juristen vorgeschwebt habe, so wäre unsre Aufgabe
mißlich genug. Glücklicherweise aber verhält sich die Sache
anders. Alle diese Fälle kommen darin überein, daß das
Daseyn einer wirksamen Willenserklärung dadurch völlig
ausgeschlossen ist, so daß in keinem derselben ein wahres
Rechtsgeschäft vorhanden ist. Auch habe ich jene verschie-
dene Fälle nur deshalb zusammengestellt, um die mannich-
faltige Anwendung der aufgestellten gemeinsamen Rechts-
regel zur Anschauung zu bringen (h).


(g) Je nachdem wir den einen
oder den anderen Standpunkt der
Betrachtung wählen, können wir
diesen Fall als dissensus in cor-
pore
oder als error in corpore
bezeichnen. Beide Ausdrücke sind
also an sich richtig, und bezeich-
nen nur den Begriff von ver-
schiedenen Seiten; beide sind aber
auch quellenmäßig, und werden
von den alten Juristen abwechs-
lend gebraucht. Vergl. L. 9 pr.
§ 2 de contr. emt. (18. 1.), L. 57
de O. et A. (44. 7.), L. 4 pr. de
leg.
1 (30. un.).
-- Der Grund
des Misverständnisses wird hier
meist darin liegen, daß die Er-
klärung von jeder Seite durch Un-
bestimmtheit zweydeutig war.
(h) Unsere Schriftsteller pfle-
gen hierbey die Kunstausdrücke
des einseitigen und zweyseitigen
Irrthums anzuwenden, die sie bald
so bald anders bestimmen, je nach-
dem sie die angegebenen Fälle mehr
oder weniger vollständig in's Auge
fassen. Vgl. Thibaut Pandek-
ten § 449. 450, Versuche II. S. 120.
Richelmann S. 9. Über die-
sen Sprachgebrauch zu streiten, ist
unfruchtbar; besser enthalten wir
uns desselben gänzlich. -- Wenn
ich übrigens sage, daß alle diese
Fälle auf gleicher Linie stehen, so
ist das nur insofern wahr, als in
allen gleichmäßig ein gültiges
Rechtsgeschäft nicht vorhanden ist.
Daneben aber kann allerdings der
Dolus des einen Theils auch noch
eigenthümliche Wirkungen hervor-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
auch hier einen Irrthum annehmen, wodurch dieſer Fall
mit den vorhin angegebenen Fällen gleichartig wird (g).

Wäre nun für jeden dieſer Fälle eine beſondere Regel
aufzuſuchen, und zugleich für jede Stelle des Römiſchen
Rechts genau anzugeben, welcher unter jenen Fällen dem
alten Juriſten vorgeſchwebt habe, ſo wäre unſre Aufgabe
mißlich genug. Glücklicherweiſe aber verhält ſich die Sache
anders. Alle dieſe Fälle kommen darin überein, daß das
Daſeyn einer wirkſamen Willenserklärung dadurch völlig
ausgeſchloſſen iſt, ſo daß in keinem derſelben ein wahres
Rechtsgeſchäft vorhanden iſt. Auch habe ich jene verſchie-
dene Fälle nur deshalb zuſammengeſtellt, um die mannich-
faltige Anwendung der aufgeſtellten gemeinſamen Rechts-
regel zur Anſchauung zu bringen (h).


(g) Je nachdem wir den einen
oder den anderen Standpunkt der
Betrachtung wählen, können wir
dieſen Fall als dissensus in cor-
pore
oder als error in corpore
bezeichnen. Beide Ausdrücke ſind
alſo an ſich richtig, und bezeich-
nen nur den Begriff von ver-
ſchiedenen Seiten; beide ſind aber
auch quellenmäßig, und werden
von den alten Juriſten abwechs-
lend gebraucht. Vergl. L. 9 pr.
§ 2 de contr. emt. (18. 1.), L. 57
de O. et A. (44. 7.), L. 4 pr. de
leg.
1 (30. un.).
— Der Grund
des Misverſtändniſſes wird hier
meiſt darin liegen, daß die Er-
klärung von jeder Seite durch Un-
beſtimmtheit zweydeutig war.
(h) Unſere Schriftſteller pfle-
gen hierbey die Kunſtausdrücke
des einſeitigen und zweyſeitigen
Irrthums anzuwenden, die ſie bald
ſo bald anders beſtimmen, je nach-
dem ſie die angegebenen Fälle mehr
oder weniger vollſtändig in’s Auge
faſſen. Vgl. Thibaut Pandek-
ten § 449. 450, Verſuche II. S. 120.
Richelmann S. 9. Über die-
ſen Sprachgebrauch zu ſtreiten, iſt
unfruchtbar; beſſer enthalten wir
uns deſſelben gänzlich. — Wenn
ich übrigens ſage, daß alle dieſe
Fälle auf gleicher Linie ſtehen, ſo
iſt das nur inſofern wahr, als in
allen gleichmäßig ein gültiges
Rechtsgeſchäft nicht vorhanden iſt.
Daneben aber kann allerdings der
Dolus des einen Theils auch noch
eigenthümliche Wirkungen hervor-
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[266/0278] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. auch hier einen Irrthum annehmen, wodurch dieſer Fall mit den vorhin angegebenen Fällen gleichartig wird (g). Wäre nun für jeden dieſer Fälle eine beſondere Regel aufzuſuchen, und zugleich für jede Stelle des Römiſchen Rechts genau anzugeben, welcher unter jenen Fällen dem alten Juriſten vorgeſchwebt habe, ſo wäre unſre Aufgabe mißlich genug. Glücklicherweiſe aber verhält ſich die Sache anders. Alle dieſe Fälle kommen darin überein, daß das Daſeyn einer wirkſamen Willenserklärung dadurch völlig ausgeſchloſſen iſt, ſo daß in keinem derſelben ein wahres Rechtsgeſchäft vorhanden iſt. Auch habe ich jene verſchie- dene Fälle nur deshalb zuſammengeſtellt, um die mannich- faltige Anwendung der aufgeſtellten gemeinſamen Rechts- regel zur Anſchauung zu bringen (h). (g) Je nachdem wir den einen oder den anderen Standpunkt der Betrachtung wählen, können wir dieſen Fall als dissensus in cor- pore oder als error in corpore bezeichnen. Beide Ausdrücke ſind alſo an ſich richtig, und bezeich- nen nur den Begriff von ver- ſchiedenen Seiten; beide ſind aber auch quellenmäßig, und werden von den alten Juriſten abwechs- lend gebraucht. Vergl. L. 9 pr. § 2 de contr. emt. (18. 1.), L. 57 de O. et A. (44. 7.), L. 4 pr. de leg. 1 (30. un.). — Der Grund des Misverſtändniſſes wird hier meiſt darin liegen, daß die Er- klärung von jeder Seite durch Un- beſtimmtheit zweydeutig war. (h) Unſere Schriftſteller pfle- gen hierbey die Kunſtausdrücke des einſeitigen und zweyſeitigen Irrthums anzuwenden, die ſie bald ſo bald anders beſtimmen, je nach- dem ſie die angegebenen Fälle mehr oder weniger vollſtändig in’s Auge faſſen. Vgl. Thibaut Pandek- ten § 449. 450, Verſuche II. S. 120. Richelmann S. 9. Über die- ſen Sprachgebrauch zu ſtreiten, iſt unfruchtbar; beſſer enthalten wir uns deſſelben gänzlich. — Wenn ich übrigens ſage, daß alle dieſe Fälle auf gleicher Linie ſtehen, ſo iſt das nur inſofern wahr, als in allen gleichmäßig ein gültiges Rechtsgeſchäft nicht vorhanden iſt. Daneben aber kann allerdings der Dolus des einen Theils auch noch eigenthümliche Wirkungen hervor-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/278>, abgerufen am 24.11.2024.