Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Irrthum und Unwissenheit. Frage keinen Zweifel haben. Sie folgt aus dem prakti-schen Bedürfniß der Klagverjährung, deren wohlthätige Wirksamkeit durch diese Art der Restitution nicht minder entkräftet werden würde, als durch die oben widerlegte anfängliche Berechnung der Verjährung (Num. XXV.). Sie folgt aber noch nothwendiger aus der Art, wie das Römische Recht die einjährige, mit utile tempus versehene Verjährung behandelt. Daß bey dieser eine Restitution wegen Unwissenheit nicht gegeben wird, ist bereits gezeigt worden (Num. XXVI.). Daraus aber folgt unwidersprech- lich, daß sie noch weit weniger bey den längeren Verjäh- rungen gelten kann, die auf ein continuum tempus ange- wiesen sind. -- Dennoch haben Viele der angesehensten Rechtslehrer diese Restitution in Schutz genommen; Manche ganz allgemein, Andere nur mit Ausnahme der dreyßigjäh- rigen Verjährung (a). Alle diese Schriftsteller unterlassen es, die Frage in dem hier dargestellten Zusammenhang aufzufassen, durch welchen ich sie insgesammt für widerlegt halte. Daneben setzen sie stillschweigend voraus eine unbe- schränkte Anwendbarkeit der Restitution aus Irrthum auf alle denkbare Fälle; sie selbst suchen diese Voraussetzung mit Nichts zu begründen, und im Widerspruch mit dersel- ben ist schon oben (Num. II.) bemerkt worden, daß die (a) Cocceji Lib. 4 Tit. 6 qu. 4, Thibaut Besitz und Verjäh- rung § 73, Unterholzner Ver- jährungslehre § 137 Num. 4, Burchardi Wiedereinsetzung S. 188. Sehr gut wird die ent- gegengesetzte Ansicht vertheidigt von Emminghaus zu der ange- führten Stelle von Cocceji ed. Lips. 1791. 27*
Irrthum und Unwiſſenheit. Frage keinen Zweifel haben. Sie folgt aus dem prakti-ſchen Bedürfniß der Klagverjährung, deren wohlthätige Wirkſamkeit durch dieſe Art der Reſtitution nicht minder entkräftet werden würde, als durch die oben widerlegte anfängliche Berechnung der Verjährung (Num. XXV.). Sie folgt aber noch nothwendiger aus der Art, wie das Römiſche Recht die einjährige, mit utile tempus verſehene Verjährung behandelt. Daß bey dieſer eine Reſtitution wegen Unwiſſenheit nicht gegeben wird, iſt bereits gezeigt worden (Num. XXVI.). Daraus aber folgt unwiderſprech- lich, daß ſie noch weit weniger bey den längeren Verjäh- rungen gelten kann, die auf ein continuum tempus ange- wieſen ſind. — Dennoch haben Viele der angeſehenſten Rechtslehrer dieſe Reſtitution in Schutz genommen; Manche ganz allgemein, Andere nur mit Ausnahme der dreyßigjäh- rigen Verjährung (a). Alle dieſe Schriftſteller unterlaſſen es, die Frage in dem hier dargeſtellten Zuſammenhang aufzufaſſen, durch welchen ich ſie insgeſammt für widerlegt halte. Daneben ſetzen ſie ſtillſchweigend voraus eine unbe- ſchränkte Anwendbarkeit der Reſtitution aus Irrthum auf alle denkbare Fälle; ſie ſelbſt ſuchen dieſe Vorausſetzung mit Nichts zu begründen, und im Widerſpruch mit derſel- ben iſt ſchon oben (Num. II.) bemerkt worden, daß die (a) Cocceji Lib. 4 Tit. 6 qu. 4, Thibaut Beſitz und Verjäh- rung § 73, Unterholzner Ver- jährungslehre § 137 Num. 4, Burchardi Wiedereinſetzung S. 188. Sehr gut wird die ent- gegengeſetzte Anſicht vertheidigt von Emminghaus zu der ange- führten Stelle von Cocceji ed. Lips. 1791. 27*
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Irrthum und Unwiſſenheit.
Frage keinen Zweifel haben. Sie folgt aus dem prakti-
ſchen Bedürfniß der Klagverjährung, deren wohlthätige
Wirkſamkeit durch dieſe Art der Reſtitution nicht minder
entkräftet werden würde, als durch die oben widerlegte
anfängliche Berechnung der Verjährung (Num. XXV.).
Sie folgt aber noch nothwendiger aus der Art, wie das
Römiſche Recht die einjährige, mit utile tempus verſehene
Verjährung behandelt. Daß bey dieſer eine Reſtitution
wegen Unwiſſenheit nicht gegeben wird, iſt bereits gezeigt
worden (Num. XXVI.). Daraus aber folgt unwiderſprech-
lich, daß ſie noch weit weniger bey den längeren Verjäh-
rungen gelten kann, die auf ein continuum tempus ange-
wieſen ſind. — Dennoch haben Viele der angeſehenſten
Rechtslehrer dieſe Reſtitution in Schutz genommen; Manche
ganz allgemein, Andere nur mit Ausnahme der dreyßigjäh-
rigen Verjährung (a). Alle dieſe Schriftſteller unterlaſſen
es, die Frage in dem hier dargeſtellten Zuſammenhang
aufzufaſſen, durch welchen ich ſie insgeſammt für widerlegt
halte. Daneben ſetzen ſie ſtillſchweigend voraus eine unbe-
ſchränkte Anwendbarkeit der Reſtitution aus Irrthum auf
alle denkbare Fälle; ſie ſelbſt ſuchen dieſe Vorausſetzung
mit Nichts zu begründen, und im Widerſpruch mit derſel-
ben iſt ſchon oben (Num. II.) bemerkt worden, daß die
(a) Cocceji Lib. 4 Tit. 6 qu.
4, Thibaut Beſitz und Verjäh-
rung § 73, Unterholzner Ver-
jährungslehre § 137 Num. 4,
Burchardi Wiedereinſetzung
S. 188. Sehr gut wird die ent-
gegengeſetzte Anſicht vertheidigt
von Emminghaus zu der ange-
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