Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Irrthum und Unwissenheit. Solcher nicht erwerben konnte, sollte in vielen Fällen (spä-terhin immer) dem Fiscus zufallen. Nur wer die ihm günstige Verfügung des Testaments und seine Incapacität freywillig anzeigte, sollte zum Lohn für diese Offenheit die Hälfte der dem Fiscus gebührenden Portion erhalten (i). Hatte er aber aus Irrthum die Anzeige gemacht, obgleich er in der That nicht unfähig war (k), so sollte ihm diese irrige Anzeige nicht schaden, das heißt er sollte dennoch alles ihm Zugedachte bekommen, ohne die Hälfte an den Fiscus abgeben zu müssen (l). Der Grund lag hier offen- bar nicht in dem entschuldigenden Irrthum bey der Dela- tion, sondern darin daß der Anspruch des Fiscus an sich gar nicht auf die Delation gegründet war, sondern auf die (in einem solchen Fall gar nicht vorhandene) Inca- pacität. Ein ähnlicher Fall ist der, wenn Jemand seine eigene (i) L. 13 pr. § 1 de j. fisci (49. 14.). (k) Dieses läßt sich beyspiels- weise so denken. Das Gesetz sollte überhaupt nicht Anwendung fin- den bey den an nahe Verwandte angewiesenen Erbschaften oder Le- gaten. Nun konnte es geschehen, daß ein zum Erben eingesetzter Erbe sich irrig für unfähig hielt, entweder weil er über die Ver- wandtschaft in Unwissenheit war, oder weil er die gesetzliche Be- günstigung nicht kannte; das erste war ein factischer, das zweyte ein Rechtsirrthum. (l) L. 13 § 10 de j. fisci (49.
14.), nach Rescripten dreyer Kai- ser. L. 2 § 7 eod., nach com- plura rescripta. Dann folgt aber der Zusatz, nach Einem Rescript könnte man behaupten, diese Frey- heit von den Nachtheilen der ir- rigen Selbstdelation gelte nur "si ea persona sit, quae ignorare propter rusticitatem, vel pro- pter sexum femininum, jus su- um possit." Von diesem Zusatz wird sogleich weiter die Rede seyn. Irrthum und Unwiſſenheit. Solcher nicht erwerben konnte, ſollte in vielen Fällen (ſpä-terhin immer) dem Fiscus zufallen. Nur wer die ihm günſtige Verfügung des Teſtaments und ſeine Incapacität freywillig anzeigte, ſollte zum Lohn für dieſe Offenheit die Hälfte der dem Fiscus gebührenden Portion erhalten (i). Hatte er aber aus Irrthum die Anzeige gemacht, obgleich er in der That nicht unfähig war (k), ſo ſollte ihm dieſe irrige Anzeige nicht ſchaden, das heißt er ſollte dennoch alles ihm Zugedachte bekommen, ohne die Hälfte an den Fiscus abgeben zu müſſen (l). Der Grund lag hier offen- bar nicht in dem entſchuldigenden Irrthum bey der Dela- tion, ſondern darin daß der Anſpruch des Fiscus an ſich gar nicht auf die Delation gegründet war, ſondern auf die (in einem ſolchen Fall gar nicht vorhandene) Inca- pacität. Ein ähnlicher Fall iſt der, wenn Jemand ſeine eigene (i) L. 13 pr. § 1 de j. fisci (49. 14.). (k) Dieſes läßt ſich beyſpiels- weiſe ſo denken. Das Geſetz ſollte überhaupt nicht Anwendung fin- den bey den an nahe Verwandte angewieſenen Erbſchaften oder Le- gaten. Nun konnte es geſchehen, daß ein zum Erben eingeſetzter Erbe ſich irrig für unfähig hielt, entweder weil er über die Ver- wandtſchaft in Unwiſſenheit war, oder weil er die geſetzliche Be- günſtigung nicht kannte; das erſte war ein factiſcher, das zweyte ein Rechtsirrthum. (l) L. 13 § 10 de j. fisci (49.
14.), nach Reſcripten dreyer Kai- ſer. L. 2 § 7 eod., nach com- plura rescripta. Dann folgt aber der Zuſatz, nach Einem Reſcript könnte man behaupten, dieſe Frey- heit von den Nachtheilen der ir- rigen Selbſtdelation gelte nur „si ea persona sit, quae ignorare propter rusticitatem, vel pro- pter sexum femininum, jus su- um possit.” Von dieſem Zuſatz wird ſogleich weiter die Rede ſeyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0455" n="443"/><fw place="top" type="header">Irrthum und Unwiſſenheit.</fw><lb/> Solcher nicht erwerben konnte, ſollte in vielen Fällen (ſpä-<lb/> terhin immer) dem Fiscus zufallen. Nur wer die ihm<lb/> günſtige Verfügung des Teſtaments und ſeine Incapacität<lb/> freywillig anzeigte, ſollte zum Lohn für dieſe Offenheit die<lb/> Hälfte der dem Fiscus gebührenden Portion erhalten <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 13 <hi rendition="#i">pr.</hi> § 1 <hi rendition="#i">de j. fisci</hi></hi><lb/> (49. 14.).</note>.<lb/> Hatte er aber aus Irrthum die Anzeige gemacht, obgleich<lb/> er in der That nicht unfähig war <note place="foot" n="(k)">Dieſes läßt ſich beyſpiels-<lb/> weiſe ſo denken. Das Geſetz ſollte<lb/> überhaupt nicht Anwendung fin-<lb/> den bey den an nahe Verwandte<lb/> angewieſenen Erbſchaften oder Le-<lb/> gaten. Nun konnte es geſchehen,<lb/> daß ein zum Erben eingeſetzter<lb/> Erbe ſich irrig für unfähig hielt,<lb/> entweder weil er über die Ver-<lb/> wandtſchaft in Unwiſſenheit war,<lb/> oder weil er die geſetzliche Be-<lb/> günſtigung nicht kannte; das erſte<lb/> war ein factiſcher, das zweyte<lb/> ein Rechtsirrthum.</note>, ſo ſollte ihm dieſe<lb/> irrige Anzeige nicht ſchaden, das heißt er ſollte dennoch<lb/> alles ihm Zugedachte bekommen, ohne die Hälfte an den<lb/> Fiscus abgeben zu müſſen <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 13 § 10 <hi rendition="#i">de j. fisci</hi></hi> (49.<lb/> 14.), nach Reſcripten dreyer Kai-<lb/> ſer. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 7 <hi rendition="#i">eod.,</hi></hi> nach <hi rendition="#aq">com-<lb/> plura rescripta.</hi> Dann folgt aber<lb/> der Zuſatz, nach Einem Reſcript<lb/> könnte man behaupten, dieſe Frey-<lb/> heit von den Nachtheilen der ir-<lb/> rigen Selbſtdelation gelte nur <hi rendition="#aq">„si<lb/> ea persona sit, quae ignorare<lb/> propter rusticitatem, vel pro-<lb/> pter sexum femininum, jus su-<lb/> um possit.”</hi> Von dieſem Zuſatz<lb/> wird ſogleich weiter die Rede ſeyn.</note>. Der Grund lag hier offen-<lb/> bar nicht in dem entſchuldigenden Irrthum bey der Dela-<lb/> tion, ſondern darin daß der Anſpruch des Fiscus an ſich<lb/> gar nicht auf die Delation gegründet war, ſondern auf<lb/> die (in einem ſolchen Fall gar nicht vorhandene) Inca-<lb/> pacität.</p><lb/> <p>Ein ähnlicher Fall iſt der, wenn Jemand ſeine eigene<lb/> Sache, die er für eine fremde hält, aus dem Beſitz eines<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [443/0455]
Irrthum und Unwiſſenheit.
Solcher nicht erwerben konnte, ſollte in vielen Fällen (ſpä-
terhin immer) dem Fiscus zufallen. Nur wer die ihm
günſtige Verfügung des Teſtaments und ſeine Incapacität
freywillig anzeigte, ſollte zum Lohn für dieſe Offenheit die
Hälfte der dem Fiscus gebührenden Portion erhalten (i).
Hatte er aber aus Irrthum die Anzeige gemacht, obgleich
er in der That nicht unfähig war (k), ſo ſollte ihm dieſe
irrige Anzeige nicht ſchaden, das heißt er ſollte dennoch
alles ihm Zugedachte bekommen, ohne die Hälfte an den
Fiscus abgeben zu müſſen (l). Der Grund lag hier offen-
bar nicht in dem entſchuldigenden Irrthum bey der Dela-
tion, ſondern darin daß der Anſpruch des Fiscus an ſich
gar nicht auf die Delation gegründet war, ſondern auf
die (in einem ſolchen Fall gar nicht vorhandene) Inca-
pacität.
Ein ähnlicher Fall iſt der, wenn Jemand ſeine eigene
Sache, die er für eine fremde hält, aus dem Beſitz eines
(i) L. 13 pr. § 1 de j. fisci
(49. 14.).
(k) Dieſes läßt ſich beyſpiels-
weiſe ſo denken. Das Geſetz ſollte
überhaupt nicht Anwendung fin-
den bey den an nahe Verwandte
angewieſenen Erbſchaften oder Le-
gaten. Nun konnte es geſchehen,
daß ein zum Erben eingeſetzter
Erbe ſich irrig für unfähig hielt,
entweder weil er über die Ver-
wandtſchaft in Unwiſſenheit war,
oder weil er die geſetzliche Be-
günſtigung nicht kannte; das erſte
war ein factiſcher, das zweyte
ein Rechtsirrthum.
(l) L. 13 § 10 de j. fisci (49.
14.), nach Reſcripten dreyer Kai-
ſer. L. 2 § 7 eod., nach com-
plura rescripta. Dann folgt aber
der Zuſatz, nach Einem Reſcript
könnte man behaupten, dieſe Frey-
heit von den Nachtheilen der ir-
rigen Selbſtdelation gelte nur „si
ea persona sit, quae ignorare
propter rusticitatem, vel pro-
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um possit.” Von dieſem Zuſatz
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