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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
ven Stichus geschlossen wird, der Verkäufer aber hat zwey
Sklaven dieses Namens, und Jeder der Contrahenten denkt
an einen andern Stichus, so hat Keiner von Beiden ge-
irrt, vielmehr hat Jeder einen bestimmten und richtigen
Gedanken gehabt, und es fehlt nur an der Übereinstim-
mung, die blos scheinbar vorhanden war, und über deren
Daseyn allein Beide irrten. Wir haben also nicht zu
thun mit einem geschlossenen, wegen des Irrthums unwirk-
samen, Vertrag. Vielmehr fehlt das Daseyn irgend eines
Vertrags gerade so, wie wenn Einer einen Vertrag an-
bietet, der Andere verneint, und der Erste glaubt fälsch-
lich, eine Bejahung gehört zu haben.

Endlich gehören zu diesem unächten Irrthum auch meh-
rere der schon oben abgehandelten Fälle. Wenn nämlich
wegen des Irrthums diejenige Auslegung einer Handlung
verneint wird, wodurch sie außerdem als stillschweigende
Willenserklärung zu betrachten gewesen wäre (Num. XII.),
so wollen wir nicht die regelmäßige Wirkung einer juri-
stischen Thatsache ausschließen, sondern vielmehr das Da-
seyn einer solchen verneinen, und nur den falschen Schein
aufdecken, der uns zur Annahme dieses Daseyns verleiten
könnte. Ganz eben so verhält es sich in den wichtigen
Fällen, worin wir wegen des Irrthums das Daseyn eines
Dolus nicht annehmen können, also auch, weil derselbe
gar nicht vorhanden ist, jede rechtliche Folge desselben
schlechthin abweisen müssen (Num. XX -- XXIII.).

Indem ich nun behaupte, daß alle diese Fälle des un-

Irrthum und Unwiſſenheit.
ven Stichus geſchloſſen wird, der Verkäufer aber hat zwey
Sklaven dieſes Namens, und Jeder der Contrahenten denkt
an einen andern Stichus, ſo hat Keiner von Beiden ge-
irrt, vielmehr hat Jeder einen beſtimmten und richtigen
Gedanken gehabt, und es fehlt nur an der Übereinſtim-
mung, die blos ſcheinbar vorhanden war, und über deren
Daſeyn allein Beide irrten. Wir haben alſo nicht zu
thun mit einem geſchloſſenen, wegen des Irrthums unwirk-
ſamen, Vertrag. Vielmehr fehlt das Daſeyn irgend eines
Vertrags gerade ſo, wie wenn Einer einen Vertrag an-
bietet, der Andere verneint, und der Erſte glaubt fälſch-
lich, eine Bejahung gehört zu haben.

Endlich gehören zu dieſem unächten Irrthum auch meh-
rere der ſchon oben abgehandelten Fälle. Wenn nämlich
wegen des Irrthums diejenige Auslegung einer Handlung
verneint wird, wodurch ſie außerdem als ſtillſchweigende
Willenserklärung zu betrachten geweſen wäre (Num. XII.),
ſo wollen wir nicht die regelmäßige Wirkung einer juri-
ſtiſchen Thatſache ausſchließen, ſondern vielmehr das Da-
ſeyn einer ſolchen verneinen, und nur den falſchen Schein
aufdecken, der uns zur Annahme dieſes Daſeyns verleiten
könnte. Ganz eben ſo verhält es ſich in den wichtigen
Fällen, worin wir wegen des Irrthums das Daſeyn eines
Dolus nicht annehmen können, alſo auch, weil derſelbe
gar nicht vorhanden iſt, jede rechtliche Folge deſſelben
ſchlechthin abweiſen müſſen (Num. XX — XXIII.).

Indem ich nun behaupte, daß alle dieſe Fälle des un-

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[445/0457] Irrthum und Unwiſſenheit. ven Stichus geſchloſſen wird, der Verkäufer aber hat zwey Sklaven dieſes Namens, und Jeder der Contrahenten denkt an einen andern Stichus, ſo hat Keiner von Beiden ge- irrt, vielmehr hat Jeder einen beſtimmten und richtigen Gedanken gehabt, und es fehlt nur an der Übereinſtim- mung, die blos ſcheinbar vorhanden war, und über deren Daſeyn allein Beide irrten. Wir haben alſo nicht zu thun mit einem geſchloſſenen, wegen des Irrthums unwirk- ſamen, Vertrag. Vielmehr fehlt das Daſeyn irgend eines Vertrags gerade ſo, wie wenn Einer einen Vertrag an- bietet, der Andere verneint, und der Erſte glaubt fälſch- lich, eine Bejahung gehört zu haben. Endlich gehören zu dieſem unächten Irrthum auch meh- rere der ſchon oben abgehandelten Fälle. Wenn nämlich wegen des Irrthums diejenige Auslegung einer Handlung verneint wird, wodurch ſie außerdem als ſtillſchweigende Willenserklärung zu betrachten geweſen wäre (Num. XII.), ſo wollen wir nicht die regelmäßige Wirkung einer juri- ſtiſchen Thatſache ausſchließen, ſondern vielmehr das Da- ſeyn einer ſolchen verneinen, und nur den falſchen Schein aufdecken, der uns zur Annahme dieſes Daſeyns verleiten könnte. Ganz eben ſo verhält es ſich in den wichtigen Fällen, worin wir wegen des Irrthums das Daſeyn eines Dolus nicht annehmen können, alſo auch, weil derſelbe gar nicht vorhanden iſt, jede rechtliche Folge deſſelben ſchlechthin abweiſen müſſen (Num. XX — XXIII.). Indem ich nun behaupte, daß alle dieſe Fälle des un-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/457>, abgerufen am 23.11.2024.