Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 107. Altersstufen. Infantes. haben; es sind die Ausdrücke Pubertati und Infantiae pro-ximus (l). Manche haben Dieses von einer genauen Hal- birung des Zeitraums zwischen der Kindheit und Pubertät verstanden, so daß, nach Verschiedenheit der Geschlechter, 101/2 und 91/2 Jahre den Gränzpunkt bilden würden (m). Andere nehmen es ganz subjectiv, so daß ein frühreifer Knabe schon im achten Jahr pubertati proximus heißen könnte, ein sehr unentwickelter noch im vierzehenten Jahr infantiae proximus. Hält man sich aber ganz einfach an den Wortsinn, so muß man beide Erklärungen verwerfen, und unter dem proximus denjenigen verstehen, der dem ei- nen oder anderen Gränzpunkte sehr nahe steht. Dann liegt zwischen beiden in der Mitte ein größerer Zeitraum, der gar keinen Namen führt. Der praktische Sinn jener Ausdrücke ist aber ohne Zweifel der, daß eine gewisse Ge- schäftskenntniß nahe an der Pubertät zu vermuthen, nahe an der Kindheit nicht zu vermuthen ist, wobey also die Beurtheilung der unbestimmten Zwischenzeit ganz dem rich- terlichen Ermessen überlassen bleibt, ja selbst nicht ausge- schlossen wird von jener Vermuthung da abzuweichen, wo eine ganz ungewöhnlich frühe oder späte Entwicklung klar (l) Über die Bedeutung dieser Ausdrücke finden sich viele ältere Meynungen zusammengestellt in J. Gothofredi Comm. in tit. de reg. juris, L. 111 tit. cit. -- Von neueren Schriftstellern sind dar- über zwey besondere Abhandlun- gen zu bemerken: Gensler im Archiv für civilist. Praxis B. 4 N. 18, und Dirksen im Rhei- nischen Museum B. 1 (Jurispru- denz) S. 316--326. (m) Diese Meynung hat schon
Accursius in L. Pupillum (111.) de R. J. §. 107. Altersſtufen. Infantes. haben; es ſind die Ausdrücke Pubertati und Infantiae pro-ximus (l). Manche haben Dieſes von einer genauen Hal- birung des Zeitraums zwiſchen der Kindheit und Pubertät verſtanden, ſo daß, nach Verſchiedenheit der Geſchlechter, 10½ und 9½ Jahre den Graͤnzpunkt bilden wuͤrden (m). Andere nehmen es ganz ſubjectiv, ſo daß ein frühreifer Knabe ſchon im achten Jahr pubertati proximus heißen könnte, ein ſehr unentwickelter noch im vierzehenten Jahr infantiae proximus. Hält man ſich aber ganz einfach an den Wortſinn, ſo muß man beide Erklärungen verwerfen, und unter dem proximus denjenigen verſtehen, der dem ei- nen oder anderen Gränzpunkte ſehr nahe ſteht. Dann liegt zwiſchen beiden in der Mitte ein größerer Zeitraum, der gar keinen Namen führt. Der praktiſche Sinn jener Ausdrücke iſt aber ohne Zweifel der, daß eine gewiſſe Ge- ſchäftskenntniß nahe an der Pubertät zu vermuthen, nahe an der Kindheit nicht zu vermuthen iſt, wobey alſo die Beurtheilung der unbeſtimmten Zwiſchenzeit ganz dem rich- terlichen Ermeſſen überlaſſen bleibt, ja ſelbſt nicht ausge- ſchloſſen wird von jener Vermuthung da abzuweichen, wo eine ganz ungewöhnlich frühe oder ſpäte Entwicklung klar (l) Über die Bedeutung dieſer Ausdrücke finden ſich viele ältere Meynungen zuſammengeſtellt in J. Gothofredi Comm. in tit. de reg. juris, L. 111 tit. cit. — Von neueren Schriftſtellern ſind dar- über zwey beſondere Abhandlun- gen zu bemerken: Gensler im Archiv für civiliſt. Praxis B. 4 N. 18, und Dirkſen im Rhei- niſchen Muſeum B. 1 (Jurispru- denz) S. 316—326. (m) Dieſe Meynung hat ſchon
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§. 107. Altersſtufen. Infantes.
haben; es ſind die Ausdrücke Pubertati und Infantiae pro-
ximus (l). Manche haben Dieſes von einer genauen Hal-
birung des Zeitraums zwiſchen der Kindheit und Pubertät
verſtanden, ſo daß, nach Verſchiedenheit der Geſchlechter,
10½ und 9½ Jahre den Graͤnzpunkt bilden wuͤrden (m).
Andere nehmen es ganz ſubjectiv, ſo daß ein frühreifer
Knabe ſchon im achten Jahr pubertati proximus heißen
könnte, ein ſehr unentwickelter noch im vierzehenten Jahr
infantiae proximus. Hält man ſich aber ganz einfach an
den Wortſinn, ſo muß man beide Erklärungen verwerfen,
und unter dem proximus denjenigen verſtehen, der dem ei-
nen oder anderen Gränzpunkte ſehr nahe ſteht. Dann
liegt zwiſchen beiden in der Mitte ein größerer Zeitraum,
der gar keinen Namen führt. Der praktiſche Sinn jener
Ausdrücke iſt aber ohne Zweifel der, daß eine gewiſſe Ge-
ſchäftskenntniß nahe an der Pubertät zu vermuthen, nahe
an der Kindheit nicht zu vermuthen iſt, wobey alſo die
Beurtheilung der unbeſtimmten Zwiſchenzeit ganz dem rich-
terlichen Ermeſſen überlaſſen bleibt, ja ſelbſt nicht ausge-
ſchloſſen wird von jener Vermuthung da abzuweichen, wo
eine ganz ungewöhnlich frühe oder ſpäte Entwicklung klar
(l) Über die Bedeutung dieſer
Ausdrücke finden ſich viele ältere
Meynungen zuſammengeſtellt in
J. Gothofredi Comm. in tit. de
reg. juris, L. 111 tit. cit. — Von
neueren Schriftſtellern ſind dar-
über zwey beſondere Abhandlun-
gen zu bemerken: Gensler im
Archiv für civiliſt. Praxis B. 4
N. 18, und Dirkſen im Rhei-
niſchen Muſeum B. 1 (Jurispru-
denz) S. 316—326.
(m) Dieſe Meynung hat ſchon
Accursius in L. Pupillum (111.)
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