Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 109. Altersstufen. Impuberes. auch natürlich, und darum nicht unwahrscheinlich; aberein Zeugniß dafür haben wir nicht, und besonders darf nicht übersehen werden, daß dadurch in die ältere Zeit des Privatrechts ein ganz neues Princip willkührlich hinein getragen wird. Denn die Geschlechtsreife und die körper- liche Fähigkeit zum Kriegsdienst sind nicht nur den Be- griffen nach verschieden, sondern sie können auch praktisch aus einander liegen, indem mit früher Entwicklung der Geschlechtsreife ein schwächlicher Körperbau wohl verein- bar ist. Alle unsre Nachrichten aber knüpfen die privat- rechtliche Fähigkeit unbedingt an die Pubertät; die Zwei- fel und Streitigkeiten betreffen blos die Feststellung der Zeit der Pubertät, durchaus nicht die Berücksichtigung irgend eines von der Pubertät selbst verschiedenen Princips. Wir fragen also nun: wie wurde der Zeitpunkt der Bey der ältesten Bestimmung der Pubertät ist es noth- §. 109. Altersſtufen. Impuberes. auch natürlich, und darum nicht unwahrſcheinlich; aberein Zeugniß dafür haben wir nicht, und beſonders darf nicht überſehen werden, daß dadurch in die ältere Zeit des Privatrechts ein ganz neues Princip willkührlich hinein getragen wird. Denn die Geſchlechtsreife und die körper- liche Fähigkeit zum Kriegsdienſt ſind nicht nur den Be- griffen nach verſchieden, ſondern ſie können auch praktiſch aus einander liegen, indem mit früher Entwicklung der Geſchlechtsreife ein ſchwächlicher Körperbau wohl verein- bar iſt. Alle unſre Nachrichten aber knüpfen die privat- rechtliche Fähigkeit unbedingt an die Pubertät; die Zwei- fel und Streitigkeiten betreffen blos die Feſtſtellung der Zeit der Pubertät, durchaus nicht die Berückſichtigung irgend eines von der Pubertät ſelbſt verſchiedenen Princips. Wir fragen alſo nun: wie wurde der Zeitpunkt der Bey der älteſten Beſtimmung der Pubertät iſt es noth- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0071" n="59"/><fw place="top" type="header">§. 109. Altersſtufen. <hi rendition="#aq">Impuberes</hi>.</fw><lb/> auch natürlich, und darum nicht unwahrſcheinlich; aber<lb/> ein Zeugniß dafür haben wir nicht, und beſonders darf<lb/> nicht überſehen werden, daß dadurch in die ältere Zeit des<lb/> Privatrechts ein ganz neues Princip willkührlich hinein<lb/> getragen wird. Denn die Geſchlechtsreife und die körper-<lb/> liche Fähigkeit zum Kriegsdienſt ſind nicht nur den Be-<lb/> griffen nach verſchieden, ſondern ſie können auch praktiſch<lb/> aus einander liegen, indem mit früher Entwicklung der<lb/> Geſchlechtsreife ein ſchwächlicher Körperbau wohl verein-<lb/> bar iſt. Alle unſre Nachrichten aber knüpfen die privat-<lb/> rechtliche Fähigkeit unbedingt an die <hi rendition="#g">Pubertät</hi>; die Zwei-<lb/> fel und Streitigkeiten betreffen blos die Feſtſtellung der<lb/> Zeit der Pubertät, durchaus nicht die Berückſichtigung<lb/> irgend eines von der Pubertät ſelbſt verſchiedenen Princips.</p><lb/> <p>Wir fragen alſo nun: wie wurde der Zeitpunkt der<lb/><hi rendition="#g">Pubertät</hi> beſtimmt, ehe dieſe Beſtimmung in den beiden<lb/> Juriſtenſchulen ein Gegenſtand des Schulſtreites geworden<lb/> war? Und wir laſſen daneben ganz auf ſich beruhen die<lb/> weitere Frage, ob vielleicht in irgend einer Zeit, wovon<lb/> ſich gar keine Nachricht erhalten hat, die privatrechtliche<lb/> Fähigkeit durch ganz andere Gründe als die Pubertät be-<lb/> ſtimmt worden ſey.</p><lb/> <p>Bey der älteſten Beſtimmung der Pubertät iſt es noth-<lb/> wendig, eine uralte Roͤmiſche Sitte zu erwähnen, die da-<lb/> mit unverkennbar in irgend einem Zuſammenhang ſtand.<lb/> Jeder Knabe nämlich unterſchied ſich von dem Jüngling<lb/> und Mann auf eine ſichtbare Weiſe durch die Kleidung,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0071]
§. 109. Altersſtufen. Impuberes.
auch natürlich, und darum nicht unwahrſcheinlich; aber
ein Zeugniß dafür haben wir nicht, und beſonders darf
nicht überſehen werden, daß dadurch in die ältere Zeit des
Privatrechts ein ganz neues Princip willkührlich hinein
getragen wird. Denn die Geſchlechtsreife und die körper-
liche Fähigkeit zum Kriegsdienſt ſind nicht nur den Be-
griffen nach verſchieden, ſondern ſie können auch praktiſch
aus einander liegen, indem mit früher Entwicklung der
Geſchlechtsreife ein ſchwächlicher Körperbau wohl verein-
bar iſt. Alle unſre Nachrichten aber knüpfen die privat-
rechtliche Fähigkeit unbedingt an die Pubertät; die Zwei-
fel und Streitigkeiten betreffen blos die Feſtſtellung der
Zeit der Pubertät, durchaus nicht die Berückſichtigung
irgend eines von der Pubertät ſelbſt verſchiedenen Princips.
Wir fragen alſo nun: wie wurde der Zeitpunkt der
Pubertät beſtimmt, ehe dieſe Beſtimmung in den beiden
Juriſtenſchulen ein Gegenſtand des Schulſtreites geworden
war? Und wir laſſen daneben ganz auf ſich beruhen die
weitere Frage, ob vielleicht in irgend einer Zeit, wovon
ſich gar keine Nachricht erhalten hat, die privatrechtliche
Fähigkeit durch ganz andere Gründe als die Pubertät be-
ſtimmt worden ſey.
Bey der älteſten Beſtimmung der Pubertät iſt es noth-
wendig, eine uralte Roͤmiſche Sitte zu erwähnen, die da-
mit unverkennbar in irgend einem Zuſammenhang ſtand.
Jeder Knabe nämlich unterſchied ſich von dem Jüngling
und Mann auf eine ſichtbare Weiſe durch die Kleidung,
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