Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gendem Grunde annehmen, daß schon frühe unter denKaisern die Vierzehen Jahre eine weit allgemeinere Anwen- dung erhielten, als sie zur Zeit der Republik gehabt hatten. Denn in der älteren Zeit kamen in der That die Vierzehen Jahre rein zur Anwendung nur in den nicht häufigen Streitfällen, außerdem entschied der mit ziemlicher Willkühr behandelte Wechsel der Toga. Unter den Kaisern aber fieng man an, den früheren Reiserock (paenula) auch in der Stadt zu tragen (t), der dann nach einiger Zeit die Toga gänzlich verdrängte. Eine Folge dieser Revolution in der Kleidertracht war es nun ohne Zweifel, daß auch die feyerliche Anlegung der männlichen Toga als Natio- nalsitte ganz wegfiel, da eine solche alte Sitte auf das neue, ohnehin nur allmälig eingeführte Kleid gewiß nicht übertragen wurde (u). Dann hatte man, auch außer dem seltenen Fall eines Rechtsstreites, nur noch die Wahl zwi- schen den Vierzehen Jahren und der körperlichen Besichti- gung, und es erklärt sich hieraus, warum die angeführten Stellen (Note r) so unbedingt die Vierzehen Jahre als wirklichen Zeitpunkt erwähnen, wie es bey Schriftstellern aus der Zeit der Republik schwerlich geschehen seyn würde. diese Anführung und Billigung der Sabinianischen Meynung sieht bloßer Buchgelehrsamkeit ähnlich, wie das Meiste in die- sem Schriftsteller. (t) Schon zur Zeit des Taci- tus wurde die Pänula selbst in Gerichten getragen. Dial. de caussis corruptae eloquentiae C. 39. (u) Daneben ist es allerdings
nicht unwahrscheinlich, daß in ein- zelnen vornehmen Familien, na- mentlich bey dem Sohn eines Kaisers, die alte Feyerlichkeit den- noch beobachtet wurde. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. gendem Grunde annehmen, daß ſchon frühe unter denKaiſern die Vierzehen Jahre eine weit allgemeinere Anwen- dung erhielten, als ſie zur Zeit der Republik gehabt hatten. Denn in der älteren Zeit kamen in der That die Vierzehen Jahre rein zur Anwendung nur in den nicht häufigen Streitfällen, außerdem entſchied der mit ziemlicher Willkühr behandelte Wechſel der Toga. Unter den Kaiſern aber fieng man an, den früheren Reiſerock (paenula) auch in der Stadt zu tragen (t), der dann nach einiger Zeit die Toga gänzlich verdrängte. Eine Folge dieſer Revolution in der Kleidertracht war es nun ohne Zweifel, daß auch die feyerliche Anlegung der männlichen Toga als Natio- nalſitte ganz wegfiel, da eine ſolche alte Sitte auf das neue, ohnehin nur allmälig eingeführte Kleid gewiß nicht übertragen wurde (u). Dann hatte man, auch außer dem ſeltenen Fall eines Rechtsſtreites, nur noch die Wahl zwi- ſchen den Vierzehen Jahren und der körperlichen Beſichti- gung, und es erklärt ſich hieraus, warum die angeführten Stellen (Note r) ſo unbedingt die Vierzehen Jahre als wirklichen Zeitpunkt erwähnen, wie es bey Schriftſtellern aus der Zeit der Republik ſchwerlich geſchehen ſeyn würde. dieſe Anführung und Billigung der Sabinianiſchen Meynung ſieht bloßer Buchgelehrſamkeit ähnlich, wie das Meiſte in die- ſem Schriftſteller. (t) Schon zur Zeit des Taci- tus wurde die Pänula ſelbſt in Gerichten getragen. Dial. de caussis corruptae eloquentiae C. 39. (u) Daneben iſt es allerdings
nicht unwahrſcheinlich, daß in ein- zelnen vornehmen Familien, na- mentlich bey dem Sohn eines Kaiſers, die alte Feyerlichkeit den- noch beobachtet wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0078" n="66"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> gendem Grunde annehmen, daß ſchon frühe unter den<lb/> Kaiſern die Vierzehen Jahre eine weit allgemeinere Anwen-<lb/> dung erhielten, als ſie zur Zeit der Republik gehabt hatten.<lb/> Denn in der älteren Zeit kamen in der That die Vierzehen<lb/> Jahre rein zur Anwendung nur in den nicht häufigen<lb/> Streitfällen, außerdem entſchied der mit ziemlicher Willkühr<lb/> behandelte Wechſel der Toga. Unter den Kaiſern aber<lb/> fieng man an, den früheren Reiſerock <hi rendition="#aq">(paenula)</hi> auch in<lb/> der Stadt zu tragen <note place="foot" n="(t)">Schon zur Zeit des Taci-<lb/> tus wurde die Pänula ſelbſt in<lb/> Gerichten getragen. <hi rendition="#aq">Dial. de<lb/> caussis corruptae eloquentiae<lb/> C.</hi> 39.</note>, der dann nach einiger Zeit die<lb/> Toga gänzlich verdrängte. Eine Folge dieſer Revolution<lb/> in der Kleidertracht war es nun ohne Zweifel, daß auch<lb/> die feyerliche Anlegung der männlichen Toga als Natio-<lb/> nalſitte ganz wegfiel, da eine ſolche alte Sitte auf das<lb/> neue, ohnehin nur allmälig eingeführte Kleid gewiß nicht<lb/> übertragen wurde <note place="foot" n="(u)">Daneben iſt es allerdings<lb/> nicht unwahrſcheinlich, daß in ein-<lb/> zelnen vornehmen Familien, na-<lb/> mentlich bey dem Sohn eines<lb/> Kaiſers, die alte Feyerlichkeit den-<lb/> noch beobachtet wurde.</note>. Dann hatte man, auch außer dem<lb/> ſeltenen Fall eines Rechtsſtreites, nur noch die Wahl zwi-<lb/> ſchen den Vierzehen Jahren und der körperlichen Beſichti-<lb/> gung, und es erklärt ſich hieraus, warum die angeführten<lb/> Stellen (Note <hi rendition="#aq">r</hi>) ſo unbedingt die Vierzehen Jahre als<lb/> wirklichen Zeitpunkt erwähnen, wie es bey Schriftſtellern<lb/> aus der Zeit der Republik ſchwerlich geſchehen ſeyn würde.<lb/><note xml:id="seg2pn_9_2" prev="#seg2pn_9_1" place="foot" n="(s)">dieſe Anführung und Billigung<lb/> der Sabinianiſchen Meynung<lb/> ſieht bloßer Buchgelehrſamkeit<lb/> ähnlich, wie das Meiſte in die-<lb/> ſem Schriftſteller.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0078]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
gendem Grunde annehmen, daß ſchon frühe unter den
Kaiſern die Vierzehen Jahre eine weit allgemeinere Anwen-
dung erhielten, als ſie zur Zeit der Republik gehabt hatten.
Denn in der älteren Zeit kamen in der That die Vierzehen
Jahre rein zur Anwendung nur in den nicht häufigen
Streitfällen, außerdem entſchied der mit ziemlicher Willkühr
behandelte Wechſel der Toga. Unter den Kaiſern aber
fieng man an, den früheren Reiſerock (paenula) auch in
der Stadt zu tragen (t), der dann nach einiger Zeit die
Toga gänzlich verdrängte. Eine Folge dieſer Revolution
in der Kleidertracht war es nun ohne Zweifel, daß auch
die feyerliche Anlegung der männlichen Toga als Natio-
nalſitte ganz wegfiel, da eine ſolche alte Sitte auf das
neue, ohnehin nur allmälig eingeführte Kleid gewiß nicht
übertragen wurde (u). Dann hatte man, auch außer dem
ſeltenen Fall eines Rechtsſtreites, nur noch die Wahl zwi-
ſchen den Vierzehen Jahren und der körperlichen Beſichti-
gung, und es erklärt ſich hieraus, warum die angeführten
Stellen (Note r) ſo unbedingt die Vierzehen Jahre als
wirklichen Zeitpunkt erwähnen, wie es bey Schriftſtellern
aus der Zeit der Republik ſchwerlich geſchehen ſeyn würde.
(s)
(t) Schon zur Zeit des Taci-
tus wurde die Pänula ſelbſt in
Gerichten getragen. Dial. de
caussis corruptae eloquentiae
C. 39.
(u) Daneben iſt es allerdings
nicht unwahrſcheinlich, daß in ein-
zelnen vornehmen Familien, na-
mentlich bey dem Sohn eines
Kaiſers, die alte Feyerlichkeit den-
noch beobachtet wurde.
(s) dieſe Anführung und Billigung
der Sabinianiſchen Meynung
ſieht bloßer Buchgelehrſamkeit
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