Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.§. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. Handelnden liege; welcher entferntere Zweck hinter dersel-ben gedacht werde, ist gleichgültig. Meistens wird die Handlung aus uneigennützigem Wohlwollen hervorgehen, welches dann wieder bald die Gestalt des Mitleids, bald die der Großmuth oder der Dankbarkeit annehmen kann. Aber es können eben sowohl selbstsüchtige Zwecke im Hin- tergrund liegen, ohne daß das Wesen wahrer Schenkung dadurch aufgehoben wird. Der Geber kann hoffen, durch das Geschenk eine Zuneigung zu begründen, die ihm in der Zukunft weit größere Vortheile einbringen soll; er kann auch aus bloßer Eitelkeit schenken, um bey Anderen den Eindruck des Reichthums und der Freygebigkeit zu machen. In allen diesen Fällen ist es wahre Schenkung, weil zunächst die Bereicherung des Andern wirklich gewollt wird, nur um durch diese zu einem entfernteren Zweck zu gelangen. Dieses eben war ganz anders in den Fällen des vorhergehenden §. Wenn der Käufer ein ihm unent- behrliches Haus über den wahren Werth bezahlt, so läßt er sich diese Bereicherung des Verkäufers blos aus Noth gefallen, er würde lieber ohne dieselbe kaufen. Wenn der Vater durch die Emancipation des Sohnes die Hälfte des bisherigen Niesbrauchs an Diesen abgiebt, so wird er sich vielleicht dieses Erfolgs gar nicht bewußt, oder vielleicht ist ihm derselbe ganz gleichgültig. In beiden Fällen ist die Bereicherung gar nicht als Zweck gedacht, und daher ist die Handlung keine Schenkung. Für die meisten Fälle nun ist es allgemein anerkannt, §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht. Remuneratoriſche. Handelnden liege; welcher entferntere Zweck hinter derſel-ben gedacht werde, iſt gleichgültig. Meiſtens wird die Handlung aus uneigennützigem Wohlwollen hervorgehen, welches dann wieder bald die Geſtalt des Mitleids, bald die der Großmuth oder der Dankbarkeit annehmen kann. Aber es können eben ſowohl ſelbſtſüchtige Zwecke im Hin- tergrund liegen, ohne daß das Weſen wahrer Schenkung dadurch aufgehoben wird. Der Geber kann hoffen, durch das Geſchenk eine Zuneigung zu begründen, die ihm in der Zukunft weit größere Vortheile einbringen ſoll; er kann auch aus bloßer Eitelkeit ſchenken, um bey Anderen den Eindruck des Reichthums und der Freygebigkeit zu machen. In allen dieſen Fällen iſt es wahre Schenkung, weil zunächſt die Bereicherung des Andern wirklich gewollt wird, nur um durch dieſe zu einem entfernteren Zweck zu gelangen. Dieſes eben war ganz anders in den Fällen des vorhergehenden §. Wenn der Käufer ein ihm unent- behrliches Haus über den wahren Werth bezahlt, ſo läßt er ſich dieſe Bereicherung des Verkäufers blos aus Noth gefallen, er würde lieber ohne dieſelbe kaufen. Wenn der Vater durch die Emancipation des Sohnes die Hälfte des bisherigen Niesbrauchs an Dieſen abgiebt, ſo wird er ſich vielleicht dieſes Erfolgs gar nicht bewußt, oder vielleicht iſt ihm derſelbe ganz gleichgültig. In beiden Fällen iſt die Bereicherung gar nicht als Zweck gedacht, und daher iſt die Handlung keine Schenkung. Für die meiſten Fälle nun iſt es allgemein anerkannt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0101" n="87"/><fw place="top" type="header">§. 153. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht. Remuneratoriſche.</fw><lb/> Handelnden liege; welcher entferntere Zweck hinter derſel-<lb/> ben gedacht werde, iſt gleichgültig. 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§. 153. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht. Remuneratoriſche.
Handelnden liege; welcher entferntere Zweck hinter derſel-
ben gedacht werde, iſt gleichgültig. Meiſtens wird die
Handlung aus uneigennützigem Wohlwollen hervorgehen,
welches dann wieder bald die Geſtalt des Mitleids, bald
die der Großmuth oder der Dankbarkeit annehmen kann.
Aber es können eben ſowohl ſelbſtſüchtige Zwecke im Hin-
tergrund liegen, ohne daß das Weſen wahrer Schenkung
dadurch aufgehoben wird. Der Geber kann hoffen, durch
das Geſchenk eine Zuneigung zu begründen, die ihm in
der Zukunft weit größere Vortheile einbringen ſoll; er
kann auch aus bloßer Eitelkeit ſchenken, um bey Anderen
den Eindruck des Reichthums und der Freygebigkeit zu
machen. In allen dieſen Fällen iſt es wahre Schenkung,
weil zunächſt die Bereicherung des Andern wirklich gewollt
wird, nur um durch dieſe zu einem entfernteren Zweck zu
gelangen. Dieſes eben war ganz anders in den Fällen
des vorhergehenden §. Wenn der Käufer ein ihm unent-
behrliches Haus über den wahren Werth bezahlt, ſo läßt
er ſich dieſe Bereicherung des Verkäufers blos aus Noth
gefallen, er würde lieber ohne dieſelbe kaufen. Wenn der
Vater durch die Emancipation des Sohnes die Hälfte des
bisherigen Niesbrauchs an Dieſen abgiebt, ſo wird er ſich
vielleicht dieſes Erfolgs gar nicht bewußt, oder vielleicht
iſt ihm derſelbe ganz gleichgültig. In beiden Fällen iſt
die Bereicherung gar nicht als Zweck gedacht, und daher
iſt die Handlung keine Schenkung.
Für die meiſten Fälle nun iſt es allgemein anerkannt,
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