Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zeichnung derjenigen Mitternacht, die den 31. December vom1. Januar scheidet, und da zur Bezeichnung dieser Mitter- nacht die derselben vorhergehende, durch sie begränzte, Stunde gebraucht ist, so mußte wohl gesagt werden pridie, indem diese Stunde, als ein ausgedehntes Zeitstück, ganz dem 31. December angehört (i). Ulpian will also sagen: die Usucapion ist zu Ende mit derjenigen Mitternacht, durch welche die letzte Stunde des 31. Decembers (und so- mit dieser 31. December selbst) geendigt wird. Er hätte eben so gut sagen können: sie ist zu Ende im ersten Augen- blick des 1. Januars -- und durch diese Art des Ausdrucks würde er auch wörtlich mit Vennlejus übereingestimmt haben. Der Gedanke beider Juristen ist völlig derselbe. Nach der hier gegebenen Erklärung stehen alle einzelne wo auch completa hinzugedacht werden muß. Vgl. Donellus § 3. Unterholzner S. 303. (i) Man könnte unmittelbar
verbinden wollen noctis pridie Kal., so daß schlechthin als nox pridie Kal. diejenige Nacht, die halb dem 31. Dec., halb dem 1. Jan. angehört, bezeichnet würde, indem sie in dem 31. Dec. ihren Anfang nimmt; etwa so wie wir das Wintersemester 1839 dasjenige Semester nennen, welches 1839 anfängt und 1840 endigt. Für diese Bezeichnung spricht der Um- stand, daß ganz gewöhnlich das Geschäft oder die Geselligkeit eines Tages bis weit in die Nacht fort- gesetzt wird, so daß also die Nacht als Fortsetzung und Theil des vorhergehenden Tages betrachtet werden kann. -- Allein es ist nicht nöthig, zu dieser Behauptung Zu- flucht zu nehmen, da wenigstens die hora sexta noctis ganz und unzweifelhaft dem pridie ange- hört, wenn darauf die Kalendae folgen. Noch anschaulicher wird Dieses durch folgende Paraphrase der Stelle des Ulpian: "Die Usu- capion ist vollendet mit dem Ab- lauf der dem 31. December ange- hörenden Nachtstunde von 11 -- 12 Uhr." Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. zeichnung derjenigen Mitternacht, die den 31. December vom1. Januar ſcheidet, und da zur Bezeichnung dieſer Mitter- nacht die derſelben vorhergehende, durch ſie begränzte, Stunde gebraucht iſt, ſo mußte wohl geſagt werden pridie, indem dieſe Stunde, als ein ausgedehntes Zeitſtück, ganz dem 31. December angehört (i). Ulpian will alſo ſagen: die Uſucapion iſt zu Ende mit derjenigen Mitternacht, durch welche die letzte Stunde des 31. Decembers (und ſo- mit dieſer 31. December ſelbſt) geendigt wird. Er hätte eben ſo gut ſagen können: ſie iſt zu Ende im erſten Augen- blick des 1. Januars — und durch dieſe Art des Ausdrucks würde er auch wörtlich mit Vennlejus übereingeſtimmt haben. Der Gedanke beider Juriſten iſt voͤllig derſelbe. Nach der hier gegebenen Erklärung ſtehen alle einzelne wo auch completa hinzugedacht werden muß. Vgl. Donellus § 3. Unterholzner S. 303. (i) Man könnte unmittelbar
verbinden wollen noctis pridie Kal., ſo daß ſchlechthin als nox pridie Kal. diejenige Nacht, die halb dem 31. Dec., halb dem 1. Jan. angehört, bezeichnet würde, indem ſie in dem 31. Dec. ihren Anfang nimmt; etwa ſo wie wir das Winterſemeſter 1839 dasjenige Semeſter nennen, welches 1839 anfängt und 1840 endigt. Für dieſe Bezeichnung ſpricht der Um- ſtand, daß ganz gewöhnlich das Geſchäft oder die Geſelligkeit eines Tages bis weit in die Nacht fort- geſetzt wird, ſo daß alſo die Nacht als Fortſetzung und Theil des vorhergehenden Tages betrachtet werden kann. — Allein es iſt nicht nöthig, zu dieſer Behauptung Zu- flucht zu nehmen, da wenigſtens die hora sexta noctis ganz und unzweifelhaft dem pridie ange- hört, wenn darauf die Kalendae folgen. Noch anſchaulicher wird Dieſes durch folgende Paraphraſe der Stelle des Ulpian: „Die Uſu- capion iſt vollendet mit dem Ab- lauf der dem 31. December ange- hörenden Nachtſtunde von 11 — 12 Uhr.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0384" n="370"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> zeichnung derjenigen Mitternacht, die den 31. December vom<lb/> 1. Januar ſcheidet, und da zur Bezeichnung dieſer Mitter-<lb/> nacht die derſelben vorhergehende, durch ſie begränzte,<lb/> Stunde gebraucht iſt, ſo mußte wohl geſagt werden <hi rendition="#aq">pridie,</hi><lb/> indem dieſe Stunde, als ein ausgedehntes Zeitſtück, ganz<lb/> dem 31. December angehört <note place="foot" n="(i)">Man könnte unmittelbar<lb/> verbinden wollen <hi rendition="#aq">noctis pridie<lb/> Kal.,</hi> ſo daß ſchlechthin als <hi rendition="#aq">nox<lb/> pridie Kal.</hi> diejenige Nacht, die<lb/> halb dem 31. Dec., halb dem 1. Jan.<lb/> angehört, bezeichnet würde, indem<lb/> ſie in dem 31. Dec. ihren Anfang<lb/> nimmt; etwa ſo wie wir das<lb/> Winterſemeſter 1839 dasjenige<lb/> Semeſter nennen, welches 1839<lb/> anfängt und 1840 endigt. Für<lb/> dieſe Bezeichnung ſpricht der Um-<lb/> ſtand, daß ganz gewöhnlich das<lb/> Geſchäft oder die Geſelligkeit eines<lb/> Tages bis weit in die Nacht fort-<lb/> geſetzt wird, ſo daß alſo die Nacht<lb/> als Fortſetzung und Theil des<lb/> vorhergehenden Tages betrachtet<lb/> werden kann. — Allein es iſt nicht<lb/> nöthig, zu dieſer Behauptung Zu-<lb/> flucht zu nehmen, da wenigſtens<lb/> die <hi rendition="#aq">hora <hi rendition="#i">sexta</hi> noctis</hi> ganz und<lb/> unzweifelhaft dem <hi rendition="#aq">pridie</hi> ange-<lb/> hört, wenn darauf die <hi rendition="#aq">Kalendae</hi><lb/> folgen. Noch anſchaulicher wird<lb/> Dieſes durch folgende Paraphraſe<lb/> der Stelle des Ulpian: „Die Uſu-<lb/> capion iſt vollendet mit dem Ab-<lb/> lauf der dem 31. December ange-<lb/> hörenden Nachtſtunde von 11 —<lb/> 12 Uhr.”</note>. Ulpian will alſo ſagen:<lb/> die Uſucapion iſt zu Ende mit derjenigen Mitternacht,<lb/> durch welche die letzte Stunde des 31. Decembers (und ſo-<lb/> mit dieſer 31. December ſelbſt) geendigt wird. Er hätte<lb/> eben ſo gut ſagen können: ſie iſt zu Ende im erſten Augen-<lb/> blick des 1. Januars — und durch dieſe Art des Ausdrucks<lb/> würde er auch wörtlich mit Vennlejus übereingeſtimmt<lb/> haben. Der Gedanke beider Juriſten iſt voͤllig derſelbe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Nach der hier gegebenen Erklärung ſtehen alle einzelne<lb/> Stellen über die Berechnung der Uſucapionszeit in voll-<lb/><note xml:id="seg2pn_72_2" prev="#seg2pn_72_1" place="foot" n="(h)">wo auch <hi rendition="#aq">completa</hi> hinzugedacht<lb/> werden muß. Vgl. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Donellus</hi></hi><lb/> § 3. <hi rendition="#g">Unterholzner</hi> S. 303.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0384]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
zeichnung derjenigen Mitternacht, die den 31. December vom
1. Januar ſcheidet, und da zur Bezeichnung dieſer Mitter-
nacht die derſelben vorhergehende, durch ſie begränzte,
Stunde gebraucht iſt, ſo mußte wohl geſagt werden pridie,
indem dieſe Stunde, als ein ausgedehntes Zeitſtück, ganz
dem 31. December angehört (i). Ulpian will alſo ſagen:
die Uſucapion iſt zu Ende mit derjenigen Mitternacht,
durch welche die letzte Stunde des 31. Decembers (und ſo-
mit dieſer 31. December ſelbſt) geendigt wird. Er hätte
eben ſo gut ſagen können: ſie iſt zu Ende im erſten Augen-
blick des 1. Januars — und durch dieſe Art des Ausdrucks
würde er auch wörtlich mit Vennlejus übereingeſtimmt
haben. Der Gedanke beider Juriſten iſt voͤllig derſelbe.
Nach der hier gegebenen Erklärung ſtehen alle einzelne
Stellen über die Berechnung der Uſucapionszeit in voll-
(h)
(i) Man könnte unmittelbar
verbinden wollen noctis pridie
Kal., ſo daß ſchlechthin als nox
pridie Kal. diejenige Nacht, die
halb dem 31. Dec., halb dem 1. Jan.
angehört, bezeichnet würde, indem
ſie in dem 31. Dec. ihren Anfang
nimmt; etwa ſo wie wir das
Winterſemeſter 1839 dasjenige
Semeſter nennen, welches 1839
anfängt und 1840 endigt. Für
dieſe Bezeichnung ſpricht der Um-
ſtand, daß ganz gewöhnlich das
Geſchäft oder die Geſelligkeit eines
Tages bis weit in die Nacht fort-
geſetzt wird, ſo daß alſo die Nacht
als Fortſetzung und Theil des
vorhergehenden Tages betrachtet
werden kann. — Allein es iſt nicht
nöthig, zu dieſer Behauptung Zu-
flucht zu nehmen, da wenigſtens
die hora sexta noctis ganz und
unzweifelhaft dem pridie ange-
hört, wenn darauf die Kalendae
folgen. Noch anſchaulicher wird
Dieſes durch folgende Paraphraſe
der Stelle des Ulpian: „Die Uſu-
capion iſt vollendet mit dem Ab-
lauf der dem 31. December ange-
hörenden Nachtſtunde von 11 —
12 Uhr.”
(h) wo auch completa hinzugedacht
werden muß. Vgl. Donellus
§ 3. Unterholzner S. 303.
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