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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
sten für die Deliberation und das Inventarium (f), und
endlich alle Prozeßfristen.

Hieraus folgt also, daß die Beachtung oder Nichtbeach-
tung der Unwissenheit von dem Gegensatz des utile und
continuum tempus völlig unabhängig ist und in denselben
gar nicht herein gezogen werden darf; ja diese wesentliche
Verschiedenheit beider Gegensätze hat sogar eine wörtliche
Anerkennung im Römischen Recht gefunden (g).



Ferner sind nicht dazu geeignet, die Anwendung des utile
tempus
hervor zu rufen, alle diejenigen Hindernisse, welche
nicht in schnell vorübergehenden, oder doch ganz von wechs-
lenden Zufällen abhängigen Umständen, sondern in einem
dauernden Zustand der unthätigen Person bestehen. In einem
Zustand solcher Art befinden sich Unmündige, Minderjährige,
Kinder in väterlicher Gewalt, Wahnsinnige, Verschwender,
und juristische Personen. Diese alle sind mehr oder weniger
verhindert, ihre Rechte durch Thätigkeit selbst wahrzuneh-

(f) L. 19. 22 C. de j. delib.
(6. 30.).
(g) L. 8 C. de dolo (2. 21.),
d. h. L. un. C. Th. de dolo
(2. 15.). "Optimum duximus,
non ex eo die, quo se quis-
que admissum dolum didicisse
commemoraverit, neque intra
anni utilis tempus, sed potius
ex eo die etc.
Die Berechnung
von der Zeit der Kenntniß an
liegt also außer der Berechnung
des annus utilis. -- Der einzige
scheinbare Zweifel könnte erho-
ben werden aus L. 8 de his qui
not.
(3. 2.). "Sed cum tempus
luctus continuum est, merito
et ignoranti cedit ex die mor-
tis mariti."
Wollte man den
ganz einzeln stehenden gelegent-
lichen Ausdruck dieser Stelle als
Grund einer Regel behandeln, so
würde diese doch nur so lauten
können: omne continuum tem-
pus ignoranti cedit;
davon ist
aber so eben das Gegentheil dar-
gethan worden.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
ſten für die Deliberation und das Inventarium (f), und
endlich alle Prozeßfriſten.

Hieraus folgt alſo, daß die Beachtung oder Nichtbeach-
tung der Unwiſſenheit von dem Gegenſatz des utile und
continuum tempus völlig unabhängig iſt und in denſelben
gar nicht herein gezogen werden darf; ja dieſe weſentliche
Verſchiedenheit beider Gegenſätze hat ſogar eine wörtliche
Anerkennung im Römiſchen Recht gefunden (g).



Ferner ſind nicht dazu geeignet, die Anwendung des utile
tempus
hervor zu rufen, alle diejenigen Hinderniſſe, welche
nicht in ſchnell vorübergehenden, oder doch ganz von wechs-
lenden Zufällen abhängigen Umſtänden, ſondern in einem
dauernden Zuſtand der unthätigen Perſon beſtehen. In einem
Zuſtand ſolcher Art befinden ſich Unmündige, Minderjährige,
Kinder in väterlicher Gewalt, Wahnſinnige, Verſchwender,
und juriſtiſche Perſonen. Dieſe alle ſind mehr oder weniger
verhindert, ihre Rechte durch Thätigkeit ſelbſt wahrzuneh-

(f) L. 19. 22 C. de j. delib.
(6. 30.).
(g) L. 8 C. de dolo (2. 21.),
d. h. L. un. C. Th. de dolo
(2. 15.). „Optimum duximus,
non ex eo die, quo se quis-
que admissum dolum didicisse
commemoraverit, neque intra
anni utilis tempus, sed potius
ex eo die etc.
Die Berechnung
von der Zeit der Kenntniß an
liegt alſo außer der Berechnung
des annus utilis. — Der einzige
ſcheinbare Zweifel könnte erho-
ben werden aus L. 8 de his qui
not.
(3. 2.). „Sed cum tempus
luctus continuum est, merito
et ignoranti cedit ex die mor-
tis mariti.”
Wollte man den
ganz einzeln ſtehenden gelegent-
lichen Ausdruck dieſer Stelle als
Grund einer Regel behandeln, ſo
würde dieſe doch nur ſo lauten
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pus ignoranti cedit;
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[436/0450] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. ſten für die Deliberation und das Inventarium (f), und endlich alle Prozeßfriſten. Hieraus folgt alſo, daß die Beachtung oder Nichtbeach- tung der Unwiſſenheit von dem Gegenſatz des utile und continuum tempus völlig unabhängig iſt und in denſelben gar nicht herein gezogen werden darf; ja dieſe weſentliche Verſchiedenheit beider Gegenſätze hat ſogar eine wörtliche Anerkennung im Römiſchen Recht gefunden (g). Ferner ſind nicht dazu geeignet, die Anwendung des utile tempus hervor zu rufen, alle diejenigen Hinderniſſe, welche nicht in ſchnell vorübergehenden, oder doch ganz von wechs- lenden Zufällen abhängigen Umſtänden, ſondern in einem dauernden Zuſtand der unthätigen Perſon beſtehen. In einem Zuſtand ſolcher Art befinden ſich Unmündige, Minderjährige, Kinder in väterlicher Gewalt, Wahnſinnige, Verſchwender, und juriſtiſche Perſonen. Dieſe alle ſind mehr oder weniger verhindert, ihre Rechte durch Thätigkeit ſelbſt wahrzuneh- (f) L. 19. 22 C. de j. delib. (6. 30.). (g) L. 8 C. de dolo (2. 21.), d. h. L. un. C. Th. de dolo (2. 15.). „Optimum duximus, non ex eo die, quo se quis- que admissum dolum didicisse commemoraverit, neque intra anni utilis tempus, sed potius ex eo die etc. Die Berechnung von der Zeit der Kenntniß an liegt alſo außer der Berechnung des annus utilis. — Der einzige ſcheinbare Zweifel könnte erho- ben werden aus L. 8 de his qui not. (3. 2.). „Sed cum tempus luctus continuum est, merito et ignoranti cedit ex die mor- tis mariti.” Wollte man den ganz einzeln ſtehenden gelegent- lichen Ausdruck dieſer Stelle als Grund einer Regel behandeln, ſo würde dieſe doch nur ſo lauten können: omne continuum tem- pus ignoranti cedit; davon iſt aber ſo eben das Gegentheil dar- gethan worden.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/450>, abgerufen am 22.11.2024.