§. 245. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortsetzung.)
Römischen Recht entlehnte Ausdruck mala fides, mit sei- nem Gegensatz, der bona fides. Denn diese Ausdrücke be- zeichnen bey den Römern nicht etwa die Redlichkeit oder Unredlichkeit in jeder möglichen Anwendung, sondern nur in der besondern Anwendung auf den unredlichen Besitz; wo aber in anderen Anwendungen das unredliche Bewußt- seyn bezeichnet werden soll, da wird regelmäßig der Aus- druck dolus gebraucht.
Nur durch Misverständniß könnte man versuchen, diese Gründe auch gegen die dritte Meynung geltend zu machen, indem in den Fällen, worauf sie die Nothwendigkeit der bona fides bezieht, oft gar kein juristischer Besitz (mit ani- mus possidendi) vorhanden seyn wird. Allein dessen Da- seyn ist auch ganz gleichgültig; denn gerade in der Lehre von der Eigenthumsklage, worin doch vorzugsweise die Unterscheidung der b. f. und m. f. possessores von großer Wichtigkeit ist (a), wird der Ausdruck possessor in der größten Ausdehnung genommen, so daß er da auch die bloße Dentention, ohne animus possidendi, mit umfaßt (b).
Von einer andern Seite dagegen darf allerdings der Ausdruck conscientia rei alienae nicht zu eng aufgefaßt werden, indem man darunter ausschließend das Bewußt- seyn des fremden Eigenthums verstehen möchte, so daß das unredliche Bewußtseyn über des Gegners Pfandrecht, Emphyteuse, Interdictenbesitz u. s. w. gleichgültig wäre. Es ist aber vielmehr jede, irgend ein Besitzverhältniß des
(a)L. 22 C. de rei vind. (3. 32.).
(b)L. 9 de rei vind. (6. 1.).
V. 22
§. 245. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortſetzung.)
Römiſchen Recht entlehnte Ausdruck mala fides, mit ſei- nem Gegenſatz, der bona fides. Denn dieſe Ausdrücke be- zeichnen bey den Römern nicht etwa die Redlichkeit oder Unredlichkeit in jeder möglichen Anwendung, ſondern nur in der beſondern Anwendung auf den unredlichen Beſitz; wo aber in anderen Anwendungen das unredliche Bewußt- ſeyn bezeichnet werden ſoll, da wird regelmäßig der Aus- druck dolus gebraucht.
Nur durch Misverſtändniß könnte man verſuchen, dieſe Gründe auch gegen die dritte Meynung geltend zu machen, indem in den Fällen, worauf ſie die Nothwendigkeit der bona fides bezieht, oft gar kein juriſtiſcher Beſitz (mit ani- mus possidendi) vorhanden ſeyn wird. Allein deſſen Da- ſeyn iſt auch ganz gleichgültig; denn gerade in der Lehre von der Eigenthumsklage, worin doch vorzugsweiſe die Unterſcheidung der b. f. und m. f. possessores von großer Wichtigkeit iſt (a), wird der Ausdruck possessor in der größten Ausdehnung genommen, ſo daß er da auch die bloße Dentention, ohne animus possidendi, mit umfaßt (b).
Von einer andern Seite dagegen darf allerdings der Ausdruck conscientia rei alienae nicht zu eng aufgefaßt werden, indem man darunter ausſchließend das Bewußt- ſeyn des fremden Eigenthums verſtehen möchte, ſo daß das unredliche Bewußtſeyn über des Gegners Pfandrecht, Emphyteuſe, Interdictenbeſitz u. ſ. w. gleichgültig wäre. Es iſt aber vielmehr jede, irgend ein Beſitzverhältniß des
(a)L. 22 C. de rei vind. (3. 32.).
(b)L. 9 de rei vind. (6. 1.).
V. 22
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§. 245. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortſetzung.)
Römiſchen Recht entlehnte Ausdruck mala fides, mit ſei-
nem Gegenſatz, der bona fides. Denn dieſe Ausdrücke be-
zeichnen bey den Römern nicht etwa die Redlichkeit oder
Unredlichkeit in jeder möglichen Anwendung, ſondern nur
in der beſondern Anwendung auf den unredlichen Beſitz;
wo aber in anderen Anwendungen das unredliche Bewußt-
ſeyn bezeichnet werden ſoll, da wird regelmäßig der Aus-
druck dolus gebraucht.
Nur durch Misverſtändniß könnte man verſuchen, dieſe
Gründe auch gegen die dritte Meynung geltend zu machen,
indem in den Fällen, worauf ſie die Nothwendigkeit der
bona fides bezieht, oft gar kein juriſtiſcher Beſitz (mit ani-
mus possidendi) vorhanden ſeyn wird. Allein deſſen Da-
ſeyn iſt auch ganz gleichgültig; denn gerade in der Lehre
von der Eigenthumsklage, worin doch vorzugsweiſe die
Unterſcheidung der b. f. und m. f. possessores von großer
Wichtigkeit iſt (a), wird der Ausdruck possessor in der
größten Ausdehnung genommen, ſo daß er da auch die
bloße Dentention, ohne animus possidendi, mit umfaßt (b).
Von einer andern Seite dagegen darf allerdings der
Ausdruck conscientia rei alienae nicht zu eng aufgefaßt
werden, indem man darunter ausſchließend das Bewußt-
ſeyn des fremden Eigenthums verſtehen möchte, ſo daß
das unredliche Bewußtſeyn über des Gegners Pfandrecht,
Emphyteuſe, Interdictenbeſitz u. ſ. w. gleichgültig wäre.
Es iſt aber vielmehr jede, irgend ein Beſitzverhältniß des
(a) L. 22 C. de rei vind. (3. 32.).
(b) L. 9 de rei vind. (6. 1.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/351>, abgerufen am 23.12.2024.
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