Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. Zweifel errege, und besser nicht vorhanden wäre. Damitstimmen auch die meisten Schrifsteller überein; sie suchen der Stelle den Sinn unterzulegen, daß die Verjährung ausgeschlossen werde durch unredliche Handlungen des Schuldners, wodurch er die Anstellung der Klage verhin- dere, also den Ablauf der Verjährung selbst herbey führe (l). Diese Behauptung ist, was den praktischen Erfolg be- trifft, unbedenklich zuzugeben, und auch schon im Römischen Recht als wahr anerkannt (§ 245. i); aber in der bestritte- nen Stelle des Landrechts ist dieser Satz nicht enthalten. Denn der Dolus, an welchen jene Schriftsteller denken, fällt immer wieder in die Zeit der noch laufenden Verjäh- rung, anstatt daß die Stelle des Landrechts die hindernde Unredlichkeit in die spätere Zeit versetzt. -- Ein einziger Schriftsteller hat jene Stelle des Landrechts, jedoch nur theilweise, in Schutz genommen, ihr aber zugleich einen Sinn untergelegt, der nicht wohl darin gefunden werden kann (m). (l) Rönne Anmerk. zu Klein's Preuß Civilrecht B. 1 § 222 (1830). Temme Preuß. Civilrecht § 346 (1832). Thöne Preuß. Privatrecht B. 2 § 299. 300 (1835). In demsel- ben Sinn sprach sich im J. 1789 die Gesetzcommission aus (Klein's Annalen B. 6 S. 311); zur In- terpretation des weit neueren Land- rechts kann dieser Ausspruch na- türlich nicht benutzt werden. (m) Bornemann Preuß. Ci-
vilrecht B. 2 § 120. 128. 129. (1834). Er wendet eine bisher ganz unbekannte, auch dem Sinn des Landrechts fremde, Distinction an, zwischen Obligationen aus ei- nem speciellen Titel (wie Kauf oder Darlehen) und aus einem allgemeinen Rechtsgrund (wie Ge- währ für Fehler einer erkauften Sache, oder Beschädigung); bey den letzten soll die bona fides nicht nöthig seyn, wohl aber bey den ersten, jedoch auch hier in ei- nem ganz andern Sinn, als sie bis jetzt allgemein verstanden wor- den ist. Ich halte diese Unter- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Zweifel errege, und beſſer nicht vorhanden wäre. Damitſtimmen auch die meiſten Schrifſteller überein; ſie ſuchen der Stelle den Sinn unterzulegen, daß die Verjährung ausgeſchloſſen werde durch unredliche Handlungen des Schuldners, wodurch er die Anſtellung der Klage verhin- dere, alſo den Ablauf der Verjährung ſelbſt herbey führe (l). Dieſe Behauptung iſt, was den praktiſchen Erfolg be- trifft, unbedenklich zuzugeben, und auch ſchon im Römiſchen Recht als wahr anerkannt (§ 245. i); aber in der beſtritte- nen Stelle des Landrechts iſt dieſer Satz nicht enthalten. Denn der Dolus, an welchen jene Schriftſteller denken, fällt immer wieder in die Zeit der noch laufenden Verjäh- rung, anſtatt daß die Stelle des Landrechts die hindernde Unredlichkeit in die ſpätere Zeit verſetzt. — Ein einziger Schriftſteller hat jene Stelle des Landrechts, jedoch nur theilweiſe, in Schutz genommen, ihr aber zugleich einen Sinn untergelegt, der nicht wohl darin gefunden werden kann (m). (l) Rönne Anmerk. zu Klein’s Preuß Civilrecht B. 1 § 222 (1830). Temme Preuß. Civilrecht § 346 (1832). Thöne Preuß. Privatrecht B. 2 § 299. 300 (1835). In demſel- ben Sinn ſprach ſich im J. 1789 die Geſetzcommiſſion aus (Klein’s Annalen B. 6 S. 311); zur In- terpretation des weit neueren Land- rechts kann dieſer Ausſpruch na- türlich nicht benutzt werden. (m) Bornemann Preuß. Ci-
vilrecht B. 2 § 120. 128. 129. (1834). Er wendet eine bisher ganz unbekannte, auch dem Sinn des Landrechts fremde, Diſtinction an, zwiſchen Obligationen aus ei- nem ſpeciellen Titel (wie Kauf oder Darlehen) und aus einem allgemeinen Rechtsgrund (wie Ge- währ für Fehler einer erkauften Sache, oder Beſchädigung); bey den letzten ſoll die bona fides nicht nöthig ſeyn, wohl aber bey den erſten, jedoch auch hier in ei- nem ganz andern Sinn, als ſie bis jetzt allgemein verſtanden wor- den iſt. Ich halte dieſe Unter- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0364" n="350"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> Zweifel errege, und beſſer nicht vorhanden wäre. Damit<lb/> ſtimmen auch die meiſten Schrifſteller überein; ſie ſuchen<lb/> der Stelle den Sinn unterzulegen, daß die Verjährung<lb/> ausgeſchloſſen werde durch unredliche Handlungen des<lb/> Schuldners, wodurch er die Anſtellung der Klage verhin-<lb/> dere, alſo den Ablauf der Verjährung ſelbſt herbey führe <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#g">Rönne</hi> Anmerk. zu Klein’s<lb/> Preuß Civilrecht B. 1 § 222 (1830).<lb/><hi rendition="#g">Temme</hi> Preuß. Civilrecht § 346<lb/> (1832). <hi rendition="#g">Thöne</hi> Preuß. Privatrecht<lb/> B. 2 § 299. 300 (1835). In demſel-<lb/> ben Sinn ſprach ſich im J. 1789<lb/> die Geſetzcommiſſion aus (Klein’s<lb/> Annalen B. 6 S. 311); zur In-<lb/> terpretation des weit neueren Land-<lb/> rechts kann dieſer Ausſpruch na-<lb/> türlich nicht benutzt werden.</note>.<lb/> Dieſe Behauptung iſt, was den praktiſchen Erfolg be-<lb/> trifft, unbedenklich zuzugeben, und auch ſchon im Römiſchen<lb/> Recht als wahr anerkannt (§ 245. <hi rendition="#aq">i</hi>); aber in der beſtritte-<lb/> nen Stelle des Landrechts iſt dieſer Satz nicht enthalten.<lb/> Denn der Dolus, an welchen jene Schriftſteller denken,<lb/> fällt immer wieder in die Zeit der noch laufenden Verjäh-<lb/> rung, anſtatt daß die Stelle des Landrechts die hindernde<lb/> Unredlichkeit in die ſpätere Zeit verſetzt. — Ein einziger<lb/> Schriftſteller hat jene Stelle des Landrechts, jedoch nur<lb/> theilweiſe, in Schutz genommen, ihr aber zugleich einen<lb/> Sinn untergelegt, der nicht wohl darin gefunden werden<lb/> kann <note xml:id="seg2pn_56_1" next="#seg2pn_56_2" place="foot" n="(m)"><hi rendition="#g">Bornemann</hi> Preuß. Ci-<lb/> vilrecht B. 2 § 120. 128. 129.<lb/> (1834). Er wendet eine bisher<lb/> ganz unbekannte, auch dem Sinn<lb/> des Landrechts fremde, Diſtinction<lb/> an, zwiſchen Obligationen aus ei-<lb/> nem ſpeciellen Titel (wie Kauf<lb/> oder Darlehen) und aus einem<lb/> allgemeinen Rechtsgrund (wie Ge-<lb/> währ für Fehler einer erkauften<lb/> Sache, oder Beſchädigung); bey<lb/> den letzten ſoll die <hi rendition="#aq">bona fides</hi><lb/> nicht nöthig ſeyn, wohl aber bey<lb/> den erſten, jedoch auch hier in ei-<lb/> nem ganz andern Sinn, als ſie<lb/> bis jetzt allgemein verſtanden wor-<lb/> den iſt. Ich halte dieſe Unter-</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0364]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Zweifel errege, und beſſer nicht vorhanden wäre. Damit
ſtimmen auch die meiſten Schrifſteller überein; ſie ſuchen
der Stelle den Sinn unterzulegen, daß die Verjährung
ausgeſchloſſen werde durch unredliche Handlungen des
Schuldners, wodurch er die Anſtellung der Klage verhin-
dere, alſo den Ablauf der Verjährung ſelbſt herbey führe (l).
Dieſe Behauptung iſt, was den praktiſchen Erfolg be-
trifft, unbedenklich zuzugeben, und auch ſchon im Römiſchen
Recht als wahr anerkannt (§ 245. i); aber in der beſtritte-
nen Stelle des Landrechts iſt dieſer Satz nicht enthalten.
Denn der Dolus, an welchen jene Schriftſteller denken,
fällt immer wieder in die Zeit der noch laufenden Verjäh-
rung, anſtatt daß die Stelle des Landrechts die hindernde
Unredlichkeit in die ſpätere Zeit verſetzt. — Ein einziger
Schriftſteller hat jene Stelle des Landrechts, jedoch nur
theilweiſe, in Schutz genommen, ihr aber zugleich einen
Sinn untergelegt, der nicht wohl darin gefunden werden
kann (m).
(l) Rönne Anmerk. zu Klein’s
Preuß Civilrecht B. 1 § 222 (1830).
Temme Preuß. Civilrecht § 346
(1832). Thöne Preuß. Privatrecht
B. 2 § 299. 300 (1835). In demſel-
ben Sinn ſprach ſich im J. 1789
die Geſetzcommiſſion aus (Klein’s
Annalen B. 6 S. 311); zur In-
terpretation des weit neueren Land-
rechts kann dieſer Ausſpruch na-
türlich nicht benutzt werden.
(m) Bornemann Preuß. Ci-
vilrecht B. 2 § 120. 128. 129.
(1834). Er wendet eine bisher
ganz unbekannte, auch dem Sinn
des Landrechts fremde, Diſtinction
an, zwiſchen Obligationen aus ei-
nem ſpeciellen Titel (wie Kauf
oder Darlehen) und aus einem
allgemeinen Rechtsgrund (wie Ge-
währ für Fehler einer erkauften
Sache, oder Beſchädigung); bey
den letzten ſoll die bona fides
nicht nöthig ſeyn, wohl aber bey
den erſten, jedoch auch hier in ei-
nem ganz andern Sinn, als ſie
bis jetzt allgemein verſtanden wor-
den iſt. Ich halte dieſe Unter-
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