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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Stricti juris, bonae fidei actiones. IV.
durfte und sollte, auch wenn erst während des Prozesses
der Beklagte das Daseyn der Exception, z. B. den von
dem Gegner verübten Betrug, entdeckt hatte (a). -- Eine
wichtige Anwendung dieses Satzes war es, daß in den
b. f. actiones die Compensation zur Anwendung kam, auch
wenn sie nicht in der formula erwähnt war (b). In der

(a) L. 3 de rescind vend.
(18. 5.) ".. bonae fidei judicio
exceptiones pacti insunt." L.
21 sol. matr. (24. 3.) ".. cum
enim doli exceptio insit de
dote actioni, ut in ceteris bo-
nae fidei judiciis" .. L. 84 § 5
de leg. 1 (30. un.) ".. quia hoc ju-
dicium fidei bonae est, et con-
tinet in se doli mali exceptio-
nem."
Am ausführlichsten wird
diese Regel dargestellt in L. 7 § 5.
6 de pactis
(2. 14.). In diesen
Stellen ist ausdrücklich nur von
der doli und pacti exceptio die
Rede, und man könnte dadurch
verleitet werden, die aufgestellte
Regel auf die aus dem jus gen-
tium
entspringenden Exceptionen
zu beschränken, so daß diejenigen
davon ausgeschlossen wären, wel-
che einen mehr positiven Ursprung
haben, wie rei judicatae, Sc. Vel-
lejani exceptio
u. s. w. Allein
dieser Beschränkung widerspricht
die andere Regel, nach welcher
jede Exception zugleich die doli
exceptio
in sich schließt, indem
der Kläger wenigstens "nunc pe-
tendo facit dolose." L. 2 § 5
de doli exc. (44. 4.),
vgl. L. 36
de V. O.
(45. 1.) Darauf geht die
Formel der doli exceptio: si in
ea re nihil dolo malo factum
sit, neque fiat. Gajus IV.
§ 119.
Der vollständige Zusammenhang
ist nun so zu denken. Die Beach-
tung der doli exceptio war dem
arbiter durch die Worte ex fide
bona
unmittelbar aufgetragen. Um
nun auch die übrigen Exceptionen
mit herein zu ziehen, stellte man
die Regel auf, daß die Klage selbst
einen dolus in sich schließe, wenn
sie angestellt werde, ungeachtet ihr
irgend eine Exception entgegen
stehe.
(b) Gajus IV. § 61. 63, § 30
J. de act. (4. 6.), L. 18 § 4 com-
mod.
(13. 6.). -- Es ist Dieses
jedoch keine einfache, reine Anwen-
dung der vorher aufgestellten Pro-
zeßregel, vielmehr tritt dabey ein
neues, erst allmälig ausgebildetes,
materielles Rechtsprincip hinzu.
Dieses zeigt sich ganz deutlich
darin, daß zur Zeit des Gajus
die Compensation nur ex eadem
causa,
also auf höchst beschränkte
Weise, gelten soll, welche Be-
schränkung im Justinianischen Recht
gewiß nicht mehr behauptet wer-
den kann. Vgl. Band 1. § 45. d.
30*

Stricti juris, bonae fidei actiones. IV.
durfte und ſollte, auch wenn erſt während des Prozeſſes
der Beklagte das Daſeyn der Exception, z. B. den von
dem Gegner verübten Betrug, entdeckt hatte (a). — Eine
wichtige Anwendung dieſes Satzes war es, daß in den
b. f. actiones die Compenſation zur Anwendung kam, auch
wenn ſie nicht in der formula erwähnt war (b). In der

(a) L. 3 de rescind vend.
(18. 5.) „.. bonae fidei judicio
exceptiones pacti insunt.” L.
21 sol. matr. (24. 3.) „.. cum
enim doli exceptio insit de
dote actioni, ut in ceteris bo-
nae fidei judiciis” .. L. 84 § 5
de leg. 1 (30. un.) „.. quia hoc ju-
dicium fidei bonae est, et con-
tinet in se doli mali exceptio-
nem.”
Am ausführlichſten wird
dieſe Regel dargeſtellt in L. 7 § 5.
6 de pactis
(2. 14.). In dieſen
Stellen iſt ausdrücklich nur von
der doli und pacti exceptio die
Rede, und man könnte dadurch
verleitet werden, die aufgeſtellte
Regel auf die aus dem jus gen-
tium
entſpringenden Exceptionen
zu beſchränken, ſo daß diejenigen
davon ausgeſchloſſen wären, wel-
che einen mehr poſitiven Urſprung
haben, wie rei judicatae, Sc. Vel-
lejani exceptio
u. ſ. w. Allein
dieſer Beſchränkung widerſpricht
die andere Regel, nach welcher
jede Exception zugleich die doli
exceptio
in ſich ſchließt, indem
der Kläger wenigſtens „nunc pe-
tendo facit dolose.” L. 2 § 5
de doli exc. (44. 4.),
vgl. L. 36
de V. O.
(45. 1.) Darauf geht die
Formel der doli exceptio: si in
ea re nihil dolo malo factum
sit, neque fiat. Gajus IV.
§ 119.
Der vollſtändige Zuſammenhang
iſt nun ſo zu denken. Die Beach-
tung der doli exceptio war dem
arbiter durch die Worte ex fide
bona
unmittelbar aufgetragen. Um
nun auch die übrigen Exceptionen
mit herein zu ziehen, ſtellte man
die Regel auf, daß die Klage ſelbſt
einen dolus in ſich ſchließe, wenn
ſie angeſtellt werde, ungeachtet ihr
irgend eine Exception entgegen
ſtehe.
(b) Gajus IV. § 61. 63, § 30
J. de act. (4. 6.), L. 18 § 4 com-
mod.
(13. 6.). — Es iſt Dieſes
jedoch keine einfache, reine Anwen-
dung der vorher aufgeſtellten Pro-
zeßregel, vielmehr tritt dabey ein
neues, erſt allmälig ausgebildetes,
materielles Rechtsprincip hinzu.
Dieſes zeigt ſich ganz deutlich
darin, daß zur Zeit des Gajus
die Compenſation nur ex eadem
causa,
alſo auf höchſt beſchränkte
Weiſe, gelten ſoll, welche Be-
ſchränkung im Juſtinianiſchen Recht
gewiß nicht mehr behauptet wer-
den kann. Vgl. Band 1. § 45. d.
30*
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[467/0481] Stricti juris, bonae fidei actiones. IV. durfte und ſollte, auch wenn erſt während des Prozeſſes der Beklagte das Daſeyn der Exception, z. B. den von dem Gegner verübten Betrug, entdeckt hatte (a). — Eine wichtige Anwendung dieſes Satzes war es, daß in den b. f. actiones die Compenſation zur Anwendung kam, auch wenn ſie nicht in der formula erwähnt war (b). In der (a) L. 3 de rescind vend. (18. 5.) „.. bonae fidei judicio exceptiones pacti insunt.” L. 21 sol. matr. (24. 3.) „.. cum enim doli exceptio insit de dote actioni, ut in ceteris bo- nae fidei judiciis” .. L. 84 § 5 de leg. 1 (30. un.) „.. quia hoc ju- dicium fidei bonae est, et con- tinet in se doli mali exceptio- nem.” Am ausführlichſten wird dieſe Regel dargeſtellt in L. 7 § 5. 6 de pactis (2. 14.). In dieſen Stellen iſt ausdrücklich nur von der doli und pacti exceptio die Rede, und man könnte dadurch verleitet werden, die aufgeſtellte Regel auf die aus dem jus gen- tium entſpringenden Exceptionen zu beſchränken, ſo daß diejenigen davon ausgeſchloſſen wären, wel- che einen mehr poſitiven Urſprung haben, wie rei judicatae, Sc. Vel- lejani exceptio u. ſ. w. Allein dieſer Beſchränkung widerſpricht die andere Regel, nach welcher jede Exception zugleich die doli exceptio in ſich ſchließt, indem der Kläger wenigſtens „nunc pe- tendo facit dolose.” L. 2 § 5 de doli exc. (44. 4.), vgl. L. 36 de V. O. (45. 1.) Darauf geht die Formel der doli exceptio: si in ea re nihil dolo malo factum sit, neque fiat. Gajus IV. § 119. Der vollſtändige Zuſammenhang iſt nun ſo zu denken. Die Beach- tung der doli exceptio war dem arbiter durch die Worte ex fide bona unmittelbar aufgetragen. Um nun auch die übrigen Exceptionen mit herein zu ziehen, ſtellte man die Regel auf, daß die Klage ſelbſt einen dolus in ſich ſchließe, wenn ſie angeſtellt werde, ungeachtet ihr irgend eine Exception entgegen ſtehe. (b) Gajus IV. § 61. 63, § 30 J. de act. (4. 6.), L. 18 § 4 com- mod. (13. 6.). — Es iſt Dieſes jedoch keine einfache, reine Anwen- dung der vorher aufgeſtellten Pro- zeßregel, vielmehr tritt dabey ein neues, erſt allmälig ausgebildetes, materielles Rechtsprincip hinzu. Dieſes zeigt ſich ganz deutlich darin, daß zur Zeit des Gajus die Compenſation nur ex eadem causa, alſo auf höchſt beſchränkte Weiſe, gelten ſoll, welche Be- ſchränkung im Juſtinianiſchen Recht gewiß nicht mehr behauptet wer- den kann. Vgl. Band 1. § 45. d. 30*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/481>, abgerufen am 23.12.2024.