einleuchtende Bestätigung der oben aufgestellten Behaup- tung, daß das Darlehen recht eigentlich als Grund und Bedingung einer anwendbaren Condiction angesehen wer- den muß.
Nach dieser Entwicklung kann man die expensilatio nicht treffender bezeichnen, als indem sie ein fingirtes Geld- darlehen nennt.
In Justinians Recht ist die expensilatio verschwun- den, und wenn er scheinbar eine neue literarum ob- ligatio (nämlich den gewöhnlichen Schuldschein nach ver- jährter exceptio non numeratae pecuniae) an ihre Stelle setzt, und auch dieser eine Condiction als Folge beylegt (Note a), so darf Dieses dennoch nicht als ein neues, die Anwendung der Condictionen wirklich erweiterndes, Rechts- institut angesehen werden. Denn in allen Fällen dieser Art ist ohnehin von Anfang an eine Condiction (meist aus einem Darlehen) vorhanden, und das Neue, welches aus der eben erwähnten Verjährung folgt, betrifft nicht die Natur der Rechtsverhältnisse selbst, sondern nur den Be- weis der streitigen Thatsachen. Es wäre daher eine eben so gezwungene, als unfruchtbare Ansicht, wenn man, von jener Verjährung an, die alte Condiction (aus dem Dar- lehen) als untergegangen, und eine neue (aus der Schrift) als an ihre Stelle tretend, ansehen wollte. Eine so buch- stäbliche Behandlung der Worte Justinians ist überall nicht zu rechtfertigen.
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Die Condictionen. IX.
einleuchtende Beſtätigung der oben aufgeſtellten Behaup- tung, daß das Darlehen recht eigentlich als Grund und Bedingung einer anwendbaren Condiction angeſehen wer- den muß.
Nach dieſer Entwicklung kann man die expensilatio nicht treffender bezeichnen, als indem ſie ein fingirtes Geld- darlehen nennt.
In Juſtinians Recht iſt die expensilatio verſchwun- den, und wenn er ſcheinbar eine neue literarum ob- ligatio (nämlich den gewöhnlichen Schuldſchein nach ver- jährter exceptio non numeratae pecuniae) an ihre Stelle ſetzt, und auch dieſer eine Condiction als Folge beylegt (Note a), ſo darf Dieſes dennoch nicht als ein neues, die Anwendung der Condictionen wirklich erweiterndes, Rechts- inſtitut angeſehen werden. Denn in allen Fällen dieſer Art iſt ohnehin von Anfang an eine Condiction (meiſt aus einem Darlehen) vorhanden, und das Neue, welches aus der eben erwähnten Verjährung folgt, betrifft nicht die Natur der Rechtsverhältniſſe ſelbſt, ſondern nur den Be- weis der ſtreitigen Thatſachen. Es wäre daher eine eben ſo gezwungene, als unfruchtbare Anſicht, wenn man, von jener Verjährung an, die alte Condiction (aus dem Dar- lehen) als untergegangen, und eine neue (aus der Schrift) als an ihre Stelle tretend, anſehen wollte. Eine ſo buch- ſtäbliche Behandlung der Worte Juſtinians iſt überall nicht zu rechtfertigen.
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Die Condictionen. IX.
einleuchtende Beſtätigung der oben aufgeſtellten Behaup-
tung, daß das Darlehen recht eigentlich als Grund und
Bedingung einer anwendbaren Condiction angeſehen wer-
den muß.
Nach dieſer Entwicklung kann man die expensilatio
nicht treffender bezeichnen, als indem ſie ein fingirtes Geld-
darlehen nennt.
In Juſtinians Recht iſt die expensilatio verſchwun-
den, und wenn er ſcheinbar eine neue literarum ob-
ligatio (nämlich den gewöhnlichen Schuldſchein nach ver-
jährter exceptio non numeratae pecuniae) an ihre Stelle
ſetzt, und auch dieſer eine Condiction als Folge beylegt
(Note a), ſo darf Dieſes dennoch nicht als ein neues, die
Anwendung der Condictionen wirklich erweiterndes, Rechts-
inſtitut angeſehen werden. Denn in allen Fällen dieſer
Art iſt ohnehin von Anfang an eine Condiction (meiſt aus
einem Darlehen) vorhanden, und das Neue, welches aus
der eben erwähnten Verjährung folgt, betrifft nicht die
Natur der Rechtsverhältniſſe ſelbſt, ſondern nur den Be-
weis der ſtreitigen Thatſachen. Es wäre daher eine eben
ſo gezwungene, als unfruchtbare Anſicht, wenn man, von
jener Verjährung an, die alte Condiction (aus dem Dar-
lehen) als untergegangen, und eine neue (aus der Schrift)
als an ihre Stelle tretend, anſehen wollte. Eine ſo buch-
ſtäbliche Behandlung der Worte Juſtinians iſt überall nicht
zu rechtfertigen.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/545>, abgerufen am 23.12.2024.
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