Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. Rücksicht auf dessen Bereicherung, gelten (m); jedoch tratnun an die Stelle der großen, im Römischen Recht ange- nommenen, Beschränkung eine andere, allerdings viel gerin- gere. Der Erbe sollte für die Entschädigung nur haften, soweit die Erbschaft reichte; das heißt, er sollte niemals aus seinem eigenen Vermögen entschädigen, selbst wenn er es unterlassen hätte ein Inventarium zu machen. Diese neue Beschränkung hatte in den päbstlichen Gesetzen selbst nur einen sehr schwachen Schein der Begründung (n); ihr wahrer Grund ist die Praxis, die hierin vom Mittelalter her ganz gleichförmig gewesen zu seyn scheint. Man wollte das Römische Recht, im wohlbegründeten Interesse des Verlezten, hierin abändern, glaubte aber diese Abänderung doch wieder vermindern zu müssen, und so erscheint uns auch diese neueste Gestalt des Satzes wiederum eine halbe Maaßregel, ohne wahren inneren Grund (o): besser wäre (m) c. 3 C. 16. q. 6, C. 14 X. de sepult. (3. 28), C. 5 X. de raptor. (5. 17), C. 9 X. de usu- ris (5. 19), C. 28 X. de sent. excomm. (5. 39.). (n) C. 5 X. de raptor. (5. 17) sagt: "heredes .. juxta facul- tates suas condigne satisfa- ciant," welcher nichtssagende Zu- satz so viel heißt als: soweit sie können. Ganz gegen die Worte hat man das auf die facultates der Erbschaft bezogen. (o) Nur auf folgende Weise
könnte etwa eine Rechtfertigung je- ner neuen Einschränkung versucht werden. Wenn der Erbe ohne In- ventarium antritt, und nachher die Erbschaft mit gewöhnlichen Schul- den überlastet findet, so hat er den Schaden seiner Unvorsichtigkeit zu- zuschreiben, da er die Vermögens- umstände des Verstorbenen hätte prüfen können. Verbrechen aber werden meist im Verborgenen be- gangen, und es ist daher dem Er- ben weniger zur Last zu legen, wenn er die aus Verbrechen ent- standenen Verpflichtungen des Erb- lassers nicht gekannt, ja nicht ein- mal solche für möglich gehalten hat. -- Die Schriftsteller jedoch Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Rückſicht auf deſſen Bereicherung, gelten (m); jedoch tratnun an die Stelle der großen, im Römiſchen Recht ange- nommenen, Beſchränkung eine andere, allerdings viel gerin- gere. Der Erbe ſollte für die Entſchädigung nur haften, ſoweit die Erbſchaft reichte; das heißt, er ſollte niemals aus ſeinem eigenen Vermögen entſchädigen, ſelbſt wenn er es unterlaſſen hätte ein Inventarium zu machen. Dieſe neue Beſchränkung hatte in den päbſtlichen Geſetzen ſelbſt nur einen ſehr ſchwachen Schein der Begründung (n); ihr wahrer Grund iſt die Praxis, die hierin vom Mittelalter her ganz gleichförmig geweſen zu ſeyn ſcheint. Man wollte das Römiſche Recht, im wohlbegründeten Intereſſe des Verlezten, hierin abändern, glaubte aber dieſe Abänderung doch wieder vermindern zu müſſen, und ſo erſcheint uns auch dieſe neueſte Geſtalt des Satzes wiederum eine halbe Maaßregel, ohne wahren inneren Grund (o): beſſer wäre (m) c. 3 C. 16. q. 6, C. 14 X. de sepult. (3. 28), C. 5 X. de raptor. (5. 17), C. 9 X. de usu- ris (5. 19), C. 28 X. de sent. excomm. (5. 39.). (n) C. 5 X. de raptor. (5. 17) ſagt: „heredes .. juxta facul- tates suas condigne satisfa- ciant,” welcher nichtsſagende Zu- ſatz ſo viel heißt als: ſoweit ſie können. Ganz gegen die Worte hat man das auf die facultates der Erbſchaft bezogen. (o) Nur auf folgende Weiſe
könnte etwa eine Rechtfertigung je- ner neuen Einſchränkung verſucht werden. Wenn der Erbe ohne In- ventarium antritt, und nachher die Erbſchaft mit gewöhnlichen Schul- den überlaſtet findet, ſo hat er den Schaden ſeiner Unvorſichtigkeit zu- zuſchreiben, da er die Vermögens- umſtände des Verſtorbenen hätte prüfen können. Verbrechen aber werden meiſt im Verborgenen be- gangen, und es iſt daher dem Er- ben weniger zur Laſt zu legen, wenn er die aus Verbrechen ent- ſtandenen Verpflichtungen des Erb- laſſers nicht gekannt, ja nicht ein- mal ſolche für möglich gehalten hat. — Die Schriftſteller jedoch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0066" n="52"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> Rückſicht auf deſſen Bereicherung, gelten <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">c. 3 C. 16. q. 6, <hi rendition="#i">C.</hi> 14 <hi rendition="#i">X.<lb/> de sepult.</hi> (3. 28), <hi rendition="#i">C.</hi> 5 <hi rendition="#i">X. de<lb/> raptor.</hi> (5. 17), <hi rendition="#i">C.</hi> 9 <hi rendition="#i">X. de usu-<lb/> ris</hi> (5. 19), <hi rendition="#i">C.</hi> 28 <hi rendition="#i">X. de sent.<lb/> excomm.</hi></hi> (5. 39.).</note>; jedoch trat<lb/> nun an die Stelle der großen, im Römiſchen Recht ange-<lb/> nommenen, Beſchränkung eine andere, allerdings viel gerin-<lb/> gere. Der Erbe ſollte für die Entſchädigung nur haften,<lb/> ſoweit die Erbſchaft reichte; das heißt, er ſollte niemals<lb/> aus ſeinem eigenen Vermögen entſchädigen, ſelbſt wenn er<lb/> es unterlaſſen hätte ein Inventarium zu machen. Dieſe<lb/> neue Beſchränkung hatte in den päbſtlichen Geſetzen ſelbſt<lb/> nur einen ſehr ſchwachen Schein der Begründung <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 5 <hi rendition="#i">X. de raptor.</hi></hi> (5. 17)<lb/> ſagt: <hi rendition="#aq">„heredes .. <hi rendition="#i">juxta facul-<lb/> tates suas</hi> condigne satisfa-<lb/> ciant,”</hi> welcher nichtsſagende Zu-<lb/> ſatz ſo viel heißt als: ſoweit ſie<lb/> können. Ganz gegen die Worte<lb/> hat man das auf die <hi rendition="#aq">facultates</hi><lb/> der <hi rendition="#g">Erbſchaft</hi> bezogen.</note>; ihr<lb/> wahrer Grund iſt die Praxis, die hierin vom Mittelalter<lb/> her ganz gleichförmig geweſen zu ſeyn ſcheint. Man wollte<lb/> das Römiſche Recht, im wohlbegründeten Intereſſe des<lb/> Verlezten, hierin abändern, glaubte aber dieſe Abänderung<lb/> doch wieder vermindern zu müſſen, und ſo erſcheint uns<lb/> auch dieſe neueſte Geſtalt des Satzes wiederum eine halbe<lb/> Maaßregel, ohne wahren inneren Grund <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="(o)">Nur auf folgende Weiſe<lb/> könnte etwa eine Rechtfertigung je-<lb/> ner neuen Einſchränkung verſucht<lb/> werden. Wenn der Erbe ohne In-<lb/> ventarium antritt, und nachher die<lb/> Erbſchaft mit gewöhnlichen Schul-<lb/> den überlaſtet findet, ſo hat er den<lb/> Schaden ſeiner Unvorſichtigkeit zu-<lb/> zuſchreiben, da er die Vermögens-<lb/> umſtände des Verſtorbenen hätte<lb/> prüfen können. Verbrechen aber<lb/> werden meiſt im Verborgenen be-<lb/> gangen, und es iſt daher dem Er-<lb/> ben weniger zur Laſt zu legen,<lb/> wenn er die aus Verbrechen ent-<lb/> ſtandenen Verpflichtungen des Erb-<lb/> laſſers nicht gekannt, ja nicht ein-<lb/> mal ſolche für möglich gehalten<lb/> hat. — Die Schriftſteller jedoch</note>: beſſer wäre<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0066]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Rückſicht auf deſſen Bereicherung, gelten (m); jedoch trat
nun an die Stelle der großen, im Römiſchen Recht ange-
nommenen, Beſchränkung eine andere, allerdings viel gerin-
gere. Der Erbe ſollte für die Entſchädigung nur haften,
ſoweit die Erbſchaft reichte; das heißt, er ſollte niemals
aus ſeinem eigenen Vermögen entſchädigen, ſelbſt wenn er
es unterlaſſen hätte ein Inventarium zu machen. Dieſe
neue Beſchränkung hatte in den päbſtlichen Geſetzen ſelbſt
nur einen ſehr ſchwachen Schein der Begründung (n); ihr
wahrer Grund iſt die Praxis, die hierin vom Mittelalter
her ganz gleichförmig geweſen zu ſeyn ſcheint. Man wollte
das Römiſche Recht, im wohlbegründeten Intereſſe des
Verlezten, hierin abändern, glaubte aber dieſe Abänderung
doch wieder vermindern zu müſſen, und ſo erſcheint uns
auch dieſe neueſte Geſtalt des Satzes wiederum eine halbe
Maaßregel, ohne wahren inneren Grund (o): beſſer wäre
(m) c. 3 C. 16. q. 6, C. 14 X.
de sepult. (3. 28), C. 5 X. de
raptor. (5. 17), C. 9 X. de usu-
ris (5. 19), C. 28 X. de sent.
excomm. (5. 39.).
(n) C. 5 X. de raptor. (5. 17)
ſagt: „heredes .. juxta facul-
tates suas condigne satisfa-
ciant,” welcher nichtsſagende Zu-
ſatz ſo viel heißt als: ſoweit ſie
können. Ganz gegen die Worte
hat man das auf die facultates
der Erbſchaft bezogen.
(o) Nur auf folgende Weiſe
könnte etwa eine Rechtfertigung je-
ner neuen Einſchränkung verſucht
werden. Wenn der Erbe ohne In-
ventarium antritt, und nachher die
Erbſchaft mit gewöhnlichen Schul-
den überlaſtet findet, ſo hat er den
Schaden ſeiner Unvorſichtigkeit zu-
zuſchreiben, da er die Vermögens-
umſtände des Verſtorbenen hätte
prüfen können. Verbrechen aber
werden meiſt im Verborgenen be-
gangen, und es iſt daher dem Er-
ben weniger zur Laſt zu legen,
wenn er die aus Verbrechen ent-
ſtandenen Verpflichtungen des Erb-
laſſers nicht gekannt, ja nicht ein-
mal ſolche für möglich gehalten
hat. — Die Schriftſteller jedoch
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