Ganz im Sinn dieser letzten Äußerung wurde nun die Vorschrift in dem gedruckten Entwurf des Gesetzbuchs so gefaßt (aa): "Wenn kein früherer oder späterer Zeitpunkt der Unredlichkeit des Besitzes ausgemittelt worden, so wird der Tag der .. Behändigung der Klage dafür ange- nommen."
Dadurch wurde der Insinuation die Kraft einer ziemlich unschuldigen und wirkungslosen Präsumtion beigelegt, und Alles in des Richters freies Ermessen gestellt. Allein da- gegen wurden wieder große Bedenken erhoben; Goßler behauptete, mit anderen Monenten, Ueberzeugung sey ein Internum, worauf der Gesetzgeber sich nicht einlassen könne; daher müsse das Gesetz den Anfang der Unredlichkeit unab- änderlich bestimmen, und die Alternative ("oder spä- terer") müsse weggelassen werden (bb). So ist es denn auch in dem A. L. R. geschehen, wie die oben abgedruckte Stelle zeigt, worin die früher vorgeschlagene Präsumtion nunmehr die Natur einer absoluten Vorschrift, einer Fiction der mala fides, angenommen hat, ganz übereinstimmend mit den so eben vorgelegten Motiven dieser Abänderung. -- Wie wenig aber damit die Sache zu sicherer Entscheidung und zu klaren, festen Begriffen gebracht war, zeigt folgende Äußerung von Suarez(cc). Er unterscheidet dreierlei
(aa) Entwurf eines Gesetzbuchs für die Pr. Staaten Th. 2 (1787) Tit. 4 § 153.
(bb)Simon S. 321. 322.
(cc)Simon S. 330 No. 2. (Vgl. auch ebendaselbst S. 633). -- Die in dieser Äußerung von Sua- rez zusammengestellten subtilen Un-
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Ganz im Sinn dieſer letzten Äußerung wurde nun die Vorſchrift in dem gedruckten Entwurf des Geſetzbuchs ſo gefaßt (aa): „Wenn kein früherer oder ſpäterer Zeitpunkt der Unredlichkeit des Beſitzes ausgemittelt worden, ſo wird der Tag der .. Behändigung der Klage dafür ange- nommen.“
Dadurch wurde der Inſinuation die Kraft einer ziemlich unſchuldigen und wirkungsloſen Präſumtion beigelegt, und Alles in des Richters freies Ermeſſen geſtellt. Allein da- gegen wurden wieder große Bedenken erhoben; Goßler behauptete, mit anderen Monenten, Ueberzeugung ſey ein Internum, worauf der Geſetzgeber ſich nicht einlaſſen könne; daher müſſe das Geſetz den Anfang der Unredlichkeit unab- änderlich beſtimmen, und die Alternative („oder ſpä- terer“) müſſe weggelaſſen werden (bb). So iſt es denn auch in dem A. L. R. geſchehen, wie die oben abgedruckte Stelle zeigt, worin die früher vorgeſchlagene Präſumtion nunmehr die Natur einer abſoluten Vorſchrift, einer Fiction der mala fides, angenommen hat, ganz übereinſtimmend mit den ſo eben vorgelegten Motiven dieſer Abänderung. — Wie wenig aber damit die Sache zu ſicherer Entſcheidung und zu klaren, feſten Begriffen gebracht war, zeigt folgende Äußerung von Suarez(cc). Er unterſcheidet dreierlei
(aa) Entwurf eines Geſetzbuchs für die Pr. Staaten Th. 2 (1787) Tit. 4 § 153.
(bb)Simon S. 321. 322.
(cc)Simon S. 330 No. 2. (Vgl. auch ebendaſelbſt S. 633). — Die in dieſer Äußerung von Sua- rez zuſammengeſtellten ſubtilen Un-
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Ganz im Sinn dieſer letzten Äußerung wurde nun die
Vorſchrift in dem gedruckten Entwurf des Geſetzbuchs ſo
gefaßt (aa):
„Wenn kein früherer oder ſpäterer Zeitpunkt der
Unredlichkeit des Beſitzes ausgemittelt worden, ſo wird
der Tag der .. Behändigung der Klage dafür ange-
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Dadurch wurde der Inſinuation die Kraft einer ziemlich
unſchuldigen und wirkungsloſen Präſumtion beigelegt, und
Alles in des Richters freies Ermeſſen geſtellt. Allein da-
gegen wurden wieder große Bedenken erhoben; Goßler
behauptete, mit anderen Monenten, Ueberzeugung ſey ein
Internum, worauf der Geſetzgeber ſich nicht einlaſſen könne;
daher müſſe das Geſetz den Anfang der Unredlichkeit unab-
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terer“) müſſe weggelaſſen werden (bb). So iſt es denn
auch in dem A. L. R. geſchehen, wie die oben abgedruckte
Stelle zeigt, worin die früher vorgeſchlagene Präſumtion
nunmehr die Natur einer abſoluten Vorſchrift, einer Fiction
der mala fides, angenommen hat, ganz übereinſtimmend mit
den ſo eben vorgelegten Motiven dieſer Abänderung. —
Wie wenig aber damit die Sache zu ſicherer Entſcheidung
und zu klaren, feſten Begriffen gebracht war, zeigt folgende
Äußerung von Suarez (cc). Er unterſcheidet dreierlei
(aa) Entwurf eines Geſetzbuchs
für die Pr. Staaten Th. 2 (1787)
Tit. 4 § 153.
(bb) Simon S. 321. 322.
(cc) Simon S. 330 No. 2.
(Vgl. auch ebendaſelbſt S. 633). —
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/116>, abgerufen am 27.11.2024.
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