Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Forts.)
Irrthum Raum lassen konnte, als ob diese Exception auch
durch ein nicht rechtskräftiges, vielleicht gar von einem
höheren Richter abgeändertes Urtheil begründet werden
könnte. Dennoch fiel es gewiß Keinem ein, so etwas zu
glauben, und die Gefahr war auch schon dadurch praktisch
ganz unerheblich, daß in allen Fällen solcher Art ohnehin
schon eine exceptio rei in judicium deductae damals wirk-
lich begründet war, die ungefähr dieselben Wirkungen her-
vor brachte, wie die exceptio rei judicatae (§. 281).

Das canonische Recht änderte den Sprachgebrauch, und
führte ganz denjenigen ein, dessen wir seitdem uns allge-
mein bedienen (d). Nun heißt res judicata nicht mehr ein
Urtheil überhaupt, sondern ein rechtskräftiges Urtheil, d. h.
ein solches, dem nicht mehr eine mögliche Abänderung in
einer ferneren Instanz bevorsteht.

Wird nun überhaupt ein Instanzenzug und eine den-
selben völlig ausschließende Rechtskraft vorausgesetzt, so ist
eine Anwendung dieser Verhältnisse auch auf das Innere
des Prozeßverfahrens denkbar. Man kann auch bei
manchen Aussprüchen des Richters, welche nicht zur Ent-
scheidung des Rechtsstreits selbst, sondern nur zur Vorbe-
reitung dieser Entscheidung bestimmt sind, z. B. bei pro-
zeßleitenden Decreten, oder bei Beweiserkenntnissen, die
Unabänderlichkeit, d. h. die Rechtskraft, und zu deren Ab-
wendung eine Berufung auf höhere Instanzen annehmen.

(d) C. 13. 15 X. de sentent. (2. 27).

§. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Fortſ.)
Irrthum Raum laſſen konnte, als ob dieſe Exception auch
durch ein nicht rechtskräftiges, vielleicht gar von einem
höheren Richter abgeändertes Urtheil begründet werden
könnte. Dennoch fiel es gewiß Keinem ein, ſo etwas zu
glauben, und die Gefahr war auch ſchon dadurch praktiſch
ganz unerheblich, daß in allen Fällen ſolcher Art ohnehin
ſchon eine exceptio rei in judicium deductae damals wirk-
lich begründet war, die ungefähr dieſelben Wirkungen her-
vor brachte, wie die exceptio rei judicatae (§. 281).

Das canoniſche Recht änderte den Sprachgebrauch, und
führte ganz denjenigen ein, deſſen wir ſeitdem uns allge-
mein bedienen (d). Nun heißt res judicata nicht mehr ein
Urtheil überhaupt, ſondern ein rechtskräftiges Urtheil, d. h.
ein ſolches, dem nicht mehr eine mögliche Abänderung in
einer ferneren Inſtanz bevorſteht.

Wird nun überhaupt ein Inſtanzenzug und eine den-
ſelben völlig ausſchließende Rechtskraft vorausgeſetzt, ſo iſt
eine Anwendung dieſer Verhältniſſe auch auf das Innere
des Prozeßverfahrens denkbar. Man kann auch bei
manchen Ausſprüchen des Richters, welche nicht zur Ent-
ſcheidung des Rechtsſtreits ſelbſt, ſondern nur zur Vorbe-
reitung dieſer Entſcheidung beſtimmt ſind, z. B. bei pro-
zeßleitenden Decreten, oder bei Beweiserkenntniſſen, die
Unabänderlichkeit, d. h. die Rechtskraft, und zu deren Ab-
wendung eine Berufung auf höhere Inſtanzen annehmen.

(d) C. 13. 15 X. de sentent. (2. 27).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0317" n="299"/><fw place="top" type="header">§. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
Irrthum Raum la&#x017F;&#x017F;en konnte, als ob die&#x017F;e Exception auch<lb/>
durch ein nicht rechtskräftiges, vielleicht gar von einem<lb/>
höheren Richter abgeändertes Urtheil begründet werden<lb/>
könnte. Dennoch fiel es gewiß Keinem ein, &#x017F;o etwas zu<lb/>
glauben, und die Gefahr war auch &#x017F;chon dadurch prakti&#x017F;ch<lb/>
ganz unerheblich, daß in allen Fällen &#x017F;olcher Art ohnehin<lb/>
&#x017F;chon eine <hi rendition="#aq">exceptio rei in judicium deductae</hi> damals wirk-<lb/>
lich begründet war, die ungefähr die&#x017F;elben Wirkungen her-<lb/>
vor brachte, wie die <hi rendition="#aq">exceptio rei judicatae</hi> (§. 281).</p><lb/>
            <p>Das canoni&#x017F;che Recht änderte den Sprachgebrauch, und<lb/>
führte ganz denjenigen ein, de&#x017F;&#x017F;en wir &#x017F;eitdem uns allge-<lb/>
mein bedienen <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 13. 15 <hi rendition="#i">X. de sentent.</hi></hi> (2. 27).</note>. Nun heißt <hi rendition="#aq">res judicata</hi> nicht mehr ein<lb/>
Urtheil überhaupt, &#x017F;ondern ein rechtskräftiges Urtheil, d. h.<lb/>
ein &#x017F;olches, dem nicht mehr eine mögliche Abänderung in<lb/>
einer ferneren In&#x017F;tanz bevor&#x017F;teht.</p><lb/>
            <p>Wird nun überhaupt ein In&#x017F;tanzenzug und eine den-<lb/>
&#x017F;elben völlig aus&#x017F;chließende Rechtskraft vorausge&#x017F;etzt, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
eine Anwendung die&#x017F;er Verhältni&#x017F;&#x017F;e auch auf das Innere<lb/>
des Prozeßverfahrens denkbar. Man kann auch bei<lb/>
manchen Aus&#x017F;prüchen des Richters, welche nicht zur Ent-<lb/>
&#x017F;cheidung des Rechts&#x017F;treits &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern nur zur Vorbe-<lb/>
reitung die&#x017F;er Ent&#x017F;cheidung be&#x017F;timmt &#x017F;ind, z. B. bei pro-<lb/>
zeßleitenden Decreten, oder bei Beweiserkenntni&#x017F;&#x017F;en, die<lb/>
Unabänderlichkeit, d. h. die Rechtskraft, und zu deren Ab-<lb/>
wendung eine Berufung auf höhere In&#x017F;tanzen annehmen.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0317] §. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Fortſ.) Irrthum Raum laſſen konnte, als ob dieſe Exception auch durch ein nicht rechtskräftiges, vielleicht gar von einem höheren Richter abgeändertes Urtheil begründet werden könnte. Dennoch fiel es gewiß Keinem ein, ſo etwas zu glauben, und die Gefahr war auch ſchon dadurch praktiſch ganz unerheblich, daß in allen Fällen ſolcher Art ohnehin ſchon eine exceptio rei in judicium deductae damals wirk- lich begründet war, die ungefähr dieſelben Wirkungen her- vor brachte, wie die exceptio rei judicatae (§. 281). Das canoniſche Recht änderte den Sprachgebrauch, und führte ganz denjenigen ein, deſſen wir ſeitdem uns allge- mein bedienen (d). Nun heißt res judicata nicht mehr ein Urtheil überhaupt, ſondern ein rechtskräftiges Urtheil, d. h. ein ſolches, dem nicht mehr eine mögliche Abänderung in einer ferneren Inſtanz bevorſteht. Wird nun überhaupt ein Inſtanzenzug und eine den- ſelben völlig ausſchließende Rechtskraft vorausgeſetzt, ſo iſt eine Anwendung dieſer Verhältniſſe auch auf das Innere des Prozeßverfahrens denkbar. Man kann auch bei manchen Ausſprüchen des Richters, welche nicht zur Ent- ſcheidung des Rechtsſtreits ſelbſt, ſondern nur zur Vorbe- reitung dieſer Entſcheidung beſtimmt ſind, z. B. bei pro- zeßleitenden Decreten, oder bei Beweiserkenntniſſen, die Unabänderlichkeit, d. h. die Rechtskraft, und zu deren Ab- wendung eine Berufung auf höhere Inſtanzen annehmen. (d) C. 13. 15 X. de sentent. (2. 27).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/317
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/317>, abgerufen am 24.11.2024.