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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 290. Inhalt. Verurtheilung des Klägers? (Forts.)
nicht die Gestalt einer Verurtheilung des Klägers anneh-
men kann. Da aber die Gründe des Urtheils rechtskräftig
werden, so wird durch die Rechtskraft dieses Grundes der
Freisprechung dem gegenwärtigen Beklagten für jeden künf-
tigen Rechtsstreit, auch wenn er darin als Kläger auftreten
sollte, derselbe praktische Vortheil verschafft, wie wenn er
jetzt eine Verurtheilung seines Gegners bewirkt hätte.



III. Auf die Erbrechtsklage ist alles Dasjenige anwend-
bar, welches so eben für die Eigenthumsklage bemerkt
worden ist. Wenn also der Intestaterbe die Erbrechtsklage
gegen den Besitzer der Erbschaft anstellt der aus einem
Testament Erbe zu seyn behauptet, wenn der Richter die
Gültigkeit des Testaments anerkennt, und aus diesem
Grunde den Beklagten freispricht, so wird dieser Grund
rechtskräftig, und der Freigesprochene kann davon in jedem
künftigen Rechtsstreite auch als Kläger Gebrauch machen.

Außerdem aber kann bei der Erbrechtsklage auch noch
ein Fall eintreten, welcher bei der Eigenthumsklage nicht
möglich ist. Es kann hier die Lage des Rechtsstreits dahin
führen, daß für die positive Anerkennung des dem Beklag-
ten zustehenden Rechts nicht blos indirect (durch die Rechts-
kraft der Urtheilsgründe), sondern unmittelbar durch den
richterlichen Ausspruch selbst vollständig gesorgt wird.
Wenn nämlich zwei Personen auf die ganze Erbschaft
Anspruch machen, und jede derselben einzelne Erbschafts-
sachen besitzt, so kann Jeder gegen den Andern die Erb-

§. 290. Inhalt. Verurtheilung des Klägers? (Fortſ.)
nicht die Geſtalt einer Verurtheilung des Klägers anneh-
men kann. Da aber die Gründe des Urtheils rechtskräftig
werden, ſo wird durch die Rechtskraft dieſes Grundes der
Freiſprechung dem gegenwärtigen Beklagten für jeden künf-
tigen Rechtsſtreit, auch wenn er darin als Kläger auftreten
ſollte, derſelbe praktiſche Vortheil verſchafft, wie wenn er
jetzt eine Verurtheilung ſeines Gegners bewirkt hätte.



III. Auf die Erbrechtsklage iſt alles Dasjenige anwend-
bar, welches ſo eben für die Eigenthumsklage bemerkt
worden iſt. Wenn alſo der Inteſtaterbe die Erbrechtsklage
gegen den Beſitzer der Erbſchaft anſtellt der aus einem
Teſtament Erbe zu ſeyn behauptet, wenn der Richter die
Gültigkeit des Teſtaments anerkennt, und aus dieſem
Grunde den Beklagten freiſpricht, ſo wird dieſer Grund
rechtskräftig, und der Freigeſprochene kann davon in jedem
künftigen Rechtsſtreite auch als Kläger Gebrauch machen.

Außerdem aber kann bei der Erbrechtsklage auch noch
ein Fall eintreten, welcher bei der Eigenthumsklage nicht
möglich iſt. Es kann hier die Lage des Rechtsſtreits dahin
führen, daß für die poſitive Anerkennung des dem Beklag-
ten zuſtehenden Rechts nicht blos indirect (durch die Rechts-
kraft der Urtheilsgründe), ſondern unmittelbar durch den
richterlichen Ausſpruch ſelbſt vollſtändig geſorgt wird.
Wenn nämlich zwei Perſonen auf die ganze Erbſchaft
Anſpruch machen, und jede derſelben einzelne Erbſchafts-
ſachen beſitzt, ſo kann Jeder gegen den Andern die Erb-

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[347/0365] §. 290. Inhalt. Verurtheilung des Klägers? (Fortſ.) nicht die Geſtalt einer Verurtheilung des Klägers anneh- men kann. Da aber die Gründe des Urtheils rechtskräftig werden, ſo wird durch die Rechtskraft dieſes Grundes der Freiſprechung dem gegenwärtigen Beklagten für jeden künf- tigen Rechtsſtreit, auch wenn er darin als Kläger auftreten ſollte, derſelbe praktiſche Vortheil verſchafft, wie wenn er jetzt eine Verurtheilung ſeines Gegners bewirkt hätte. III. Auf die Erbrechtsklage iſt alles Dasjenige anwend- bar, welches ſo eben für die Eigenthumsklage bemerkt worden iſt. Wenn alſo der Inteſtaterbe die Erbrechtsklage gegen den Beſitzer der Erbſchaft anſtellt der aus einem Teſtament Erbe zu ſeyn behauptet, wenn der Richter die Gültigkeit des Teſtaments anerkennt, und aus dieſem Grunde den Beklagten freiſpricht, ſo wird dieſer Grund rechtskräftig, und der Freigeſprochene kann davon in jedem künftigen Rechtsſtreite auch als Kläger Gebrauch machen. Außerdem aber kann bei der Erbrechtsklage auch noch ein Fall eintreten, welcher bei der Eigenthumsklage nicht möglich iſt. Es kann hier die Lage des Rechtsſtreits dahin führen, daß für die poſitive Anerkennung des dem Beklag- ten zuſtehenden Rechts nicht blos indirect (durch die Rechts- kraft der Urtheilsgründe), ſondern unmittelbar durch den richterlichen Ausſpruch ſelbſt vollſtändig geſorgt wird. Wenn nämlich zwei Perſonen auf die ganze Erbſchaft Anſpruch machen, und jede derſelben einzelne Erbſchafts- ſachen beſitzt, ſo kann Jeder gegen den Andern die Erb-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/365>, abgerufen am 24.11.2024.