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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
zu hindern. Was daher in Folge der gegenwärtigen Unter-
suchung über die Rechtskraft der Gründe als wahr erkannt
werden wird, muß eben so auch auf die Möglichkeit und
Nothwendigkeit einer Berufung gegen die Gründe bezogen
werden.

In dem Satz selbst aber, dessen Wahrheit nunmehr zu
prüfen ist, werden zwei an sich ganz verschiedene Behaup-
tungen häufig zusammengeworfen, deren wahre Bedeutung
sich auf folgende zwei Fragen zurückführen läßt.

I. Was ist in dem Gedanken des urtheilenden Richters
wahrhaft enthalten, was wird also durch den Ausspruch
dieses Gedankens zur Rechtskraft, d. h. zur Fiction der
Wahrheit erhoben?

Der Zusammenhang der so gefaßten Frage mit dem
oben aufgestellten Satze wird durch folgende Erläuterung
anschaulich werden. Wenn in dem vollständigen Gedanken
des Richters das logische Verhältniß von Grund und Folge
enthalten ist (und Dieses wird sich meistens darin finden),
müssen wir dann auch einem solchen Grunde die Rechts-
kraft zuschreiben, oder vielmehr nur dem aus diesem Grunde
abgeleiteten Ausspruch selbst?

II. Aus welchen Quellen haben wir den wahrhaften
Inhalt des richterlichen Gedankens zu erkennen? wo haben
wir denselben aufzusuchen?

Um den Zusammenhang dieser zweiten Frage mit dem
oben aufgestellten Satze anschaulich zu machen, muß daran
erinnert werden, daß es seit Jahrhunderten in vielen

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
zu hindern. Was daher in Folge der gegenwärtigen Unter-
ſuchung über die Rechtskraft der Gründe als wahr erkannt
werden wird, muß eben ſo auch auf die Möglichkeit und
Nothwendigkeit einer Berufung gegen die Gründe bezogen
werden.

In dem Satz ſelbſt aber, deſſen Wahrheit nunmehr zu
prüfen iſt, werden zwei an ſich ganz verſchiedene Behaup-
tungen häufig zuſammengeworfen, deren wahre Bedeutung
ſich auf folgende zwei Fragen zurückführen läßt.

I. Was iſt in dem Gedanken des urtheilenden Richters
wahrhaft enthalten, was wird alſo durch den Ausſpruch
dieſes Gedankens zur Rechtskraft, d. h. zur Fiction der
Wahrheit erhoben?

Der Zuſammenhang der ſo gefaßten Frage mit dem
oben aufgeſtellten Satze wird durch folgende Erläuterung
anſchaulich werden. Wenn in dem vollſtändigen Gedanken
des Richters das logiſche Verhältniß von Grund und Folge
enthalten iſt (und Dieſes wird ſich meiſtens darin finden),
müſſen wir dann auch einem ſolchen Grunde die Rechts-
kraft zuſchreiben, oder vielmehr nur dem aus dieſem Grunde
abgeleiteten Ausſpruch ſelbſt?

II. Aus welchen Quellen haben wir den wahrhaften
Inhalt des richterlichen Gedankens zu erkennen? wo haben
wir denſelben aufzuſuchen?

Um den Zuſammenhang dieſer zweiten Frage mit dem
oben aufgeſtellten Satze anſchaulich zu machen, muß daran
erinnert werden, daß es ſeit Jahrhunderten in vielen

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[352/0370] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. zu hindern. Was daher in Folge der gegenwärtigen Unter- ſuchung über die Rechtskraft der Gründe als wahr erkannt werden wird, muß eben ſo auch auf die Möglichkeit und Nothwendigkeit einer Berufung gegen die Gründe bezogen werden. In dem Satz ſelbſt aber, deſſen Wahrheit nunmehr zu prüfen iſt, werden zwei an ſich ganz verſchiedene Behaup- tungen häufig zuſammengeworfen, deren wahre Bedeutung ſich auf folgende zwei Fragen zurückführen läßt. I. Was iſt in dem Gedanken des urtheilenden Richters wahrhaft enthalten, was wird alſo durch den Ausſpruch dieſes Gedankens zur Rechtskraft, d. h. zur Fiction der Wahrheit erhoben? Der Zuſammenhang der ſo gefaßten Frage mit dem oben aufgeſtellten Satze wird durch folgende Erläuterung anſchaulich werden. Wenn in dem vollſtändigen Gedanken des Richters das logiſche Verhältniß von Grund und Folge enthalten iſt (und Dieſes wird ſich meiſtens darin finden), müſſen wir dann auch einem ſolchen Grunde die Rechts- kraft zuſchreiben, oder vielmehr nur dem aus dieſem Grunde abgeleiteten Ausſpruch ſelbſt? II. Aus welchen Quellen haben wir den wahrhaften Inhalt des richterlichen Gedankens zu erkennen? wo haben wir denſelben aufzuſuchen? Um den Zuſammenhang dieſer zweiten Frage mit dem oben aufgeſtellten Satze anſchaulich zu machen, muß daran erinnert werden, daß es ſeit Jahrhunderten in vielen

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/370>, abgerufen am 15.06.2024.