bene Schein eines Widerspruchs. Aber auch in dieser Hinsicht ist wohl zu bemerken, daß die oben aufgestellte Behauptung nur dahin ging, daß die Freisprechung an sich, als solche, nicht die Natur und Wirkung einer rechts- kräftigen Verurtheilung des Klägers haben dürfe. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Beklagte in- direct, vermittelst der Rechtskraft der Gründe, ähnliche Vortheile erlangen könne, wie sie ihm die Verurtheilung des Klägers, wenn sie zulässig wäre, ohnehin verschafft haben würde. Ein solcher indirecter Vortheil des Beklagten setzt indessen stets besondere thatsächliche Verhältnisse in dem geführten Rechtsstreit voraus, und besonders muß der Be- klagte künftig den Beweis führen, daß in der That solche objective Gründe bei dem Urtheil vorhanden gewesen sind. Es ist daher noch immer auch in dieser Hinsicht eine nicht unerhebliche praktische Folge mit jener oben aufgestellten Behauptung verbunden.
Die bisher angestellte Untersuchung über die Rechts- kraft der Gründe beruhte auf allgemeinen Betrachtungen über die Natur des Rechtsstreits, die Stellung des Richter- amtes, die Bedingungen möglicher Anwendung der Rechts- kraft. Wie stellt sich aber dazu das Römische Recht? Man könnte jene Behauptungen nach ihrer allgemeinen Herleitung als wahr zugeben, daneben aber behaupten, das Römische Recht lehre etwas ganz Anderes, oder es
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
bene Schein eines Widerſpruchs. Aber auch in dieſer Hinſicht iſt wohl zu bemerken, daß die oben aufgeſtellte Behauptung nur dahin ging, daß die Freiſprechung an ſich, als ſolche, nicht die Natur und Wirkung einer rechts- kräftigen Verurtheilung des Klägers haben dürfe. Damit iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß der Beklagte in- direct, vermittelſt der Rechtskraft der Gründe, ähnliche Vortheile erlangen könne, wie ſie ihm die Verurtheilung des Klägers, wenn ſie zuläſſig wäre, ohnehin verſchafft haben würde. Ein ſolcher indirecter Vortheil des Beklagten ſetzt indeſſen ſtets beſondere thatſächliche Verhältniſſe in dem geführten Rechtsſtreit voraus, und beſonders muß der Be- klagte künftig den Beweis führen, daß in der That ſolche objective Gründe bei dem Urtheil vorhanden geweſen ſind. Es iſt daher noch immer auch in dieſer Hinſicht eine nicht unerhebliche praktiſche Folge mit jener oben aufgeſtellten Behauptung verbunden.
Die bisher angeſtellte Unterſuchung über die Rechts- kraft der Gründe beruhte auf allgemeinen Betrachtungen über die Natur des Rechtsſtreits, die Stellung des Richter- amtes, die Bedingungen möglicher Anwendung der Rechts- kraft. Wie ſtellt ſich aber dazu das Römiſche Recht? Man könnte jene Behauptungen nach ihrer allgemeinen Herleitung als wahr zugeben, daneben aber behaupten, das Römiſche Recht lehre etwas ganz Anderes, oder es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0384"n="366"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
bene Schein eines Widerſpruchs. Aber auch in dieſer<lb/>
Hinſicht iſt wohl zu bemerken, daß die oben aufgeſtellte<lb/>
Behauptung nur dahin ging, daß die Freiſprechung <hirendition="#g">an ſich,<lb/>
als ſolche</hi>, nicht die Natur und Wirkung einer rechts-<lb/>
kräftigen <hirendition="#g">Verurtheilung</hi> des Klägers haben dürfe.<lb/>
Damit iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß der Beklagte in-<lb/>
direct, vermittelſt der Rechtskraft der <hirendition="#g">Gründe</hi>, ähnliche<lb/>
Vortheile erlangen könne, wie ſie ihm die Verurtheilung<lb/>
des Klägers, wenn ſie zuläſſig wäre, ohnehin verſchafft<lb/>
haben würde. Ein ſolcher indirecter Vortheil des Beklagten<lb/>ſetzt indeſſen ſtets beſondere thatſächliche Verhältniſſe in dem<lb/>
geführten Rechtsſtreit voraus, und beſonders muß der Be-<lb/>
klagte künftig den Beweis führen, <hirendition="#g">daß</hi> in der That ſolche<lb/>
objective Gründe bei dem Urtheil vorhanden geweſen ſind.<lb/>
Es iſt daher noch immer auch in dieſer Hinſicht eine nicht<lb/>
unerhebliche praktiſche Folge mit jener oben aufgeſtellten<lb/>
Behauptung verbunden.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die bisher angeſtellte Unterſuchung über die Rechts-<lb/>
kraft der Gründe beruhte auf allgemeinen Betrachtungen<lb/>
über die Natur des Rechtsſtreits, die Stellung des Richter-<lb/>
amtes, die Bedingungen möglicher Anwendung der Rechts-<lb/>
kraft. Wie ſtellt ſich aber dazu das Römiſche Recht?<lb/>
Man könnte jene Behauptungen nach ihrer allgemeinen<lb/>
Herleitung als wahr zugeben, daneben aber behaupten,<lb/>
das Römiſche Recht lehre etwas ganz Anderes, oder es<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[366/0384]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
bene Schein eines Widerſpruchs. Aber auch in dieſer
Hinſicht iſt wohl zu bemerken, daß die oben aufgeſtellte
Behauptung nur dahin ging, daß die Freiſprechung an ſich,
als ſolche, nicht die Natur und Wirkung einer rechts-
kräftigen Verurtheilung des Klägers haben dürfe.
Damit iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß der Beklagte in-
direct, vermittelſt der Rechtskraft der Gründe, ähnliche
Vortheile erlangen könne, wie ſie ihm die Verurtheilung
des Klägers, wenn ſie zuläſſig wäre, ohnehin verſchafft
haben würde. Ein ſolcher indirecter Vortheil des Beklagten
ſetzt indeſſen ſtets beſondere thatſächliche Verhältniſſe in dem
geführten Rechtsſtreit voraus, und beſonders muß der Be-
klagte künftig den Beweis führen, daß in der That ſolche
objective Gründe bei dem Urtheil vorhanden geweſen ſind.
Es iſt daher noch immer auch in dieſer Hinſicht eine nicht
unerhebliche praktiſche Folge mit jener oben aufgeſtellten
Behauptung verbunden.
Die bisher angeſtellte Unterſuchung über die Rechts-
kraft der Gründe beruhte auf allgemeinen Betrachtungen
über die Natur des Rechtsſtreits, die Stellung des Richter-
amtes, die Bedingungen möglicher Anwendung der Rechts-
kraft. Wie ſtellt ſich aber dazu das Römiſche Recht?
Man könnte jene Behauptungen nach ihrer allgemeinen
Herleitung als wahr zugeben, daneben aber behaupten,
das Römiſche Recht lehre etwas ganz Anderes, oder es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/384>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.