Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
kraft vollständig zu übersehen; die abgesonderten Urtheils-
gründe würden dann nur dazu dienen, das Urtheil zu
erläutern, und die Ueberzeugung des Richters auch in
Anderen zu erwecken. Da aber diese Einrichtung bei ver-
wickelten Sachen in aller Strenge kaum durchzuführen
seyn möchte, so läßt sie sich nur annäherungsweise als
wünschenswerthes Ziel aufstellen.

Dagegen ist es unter allen Umständen sowohl möglich,
als räthlich, in den besonders abgefaßten Urtheilsgründen
alle diejenigen Stücke, welche die Natur von objectiven
Gründen haben, und daher nach der Absicht des Richters
rechtskräftig werden sollen, als solche bestimmt anzugeben,
damit über diesen Punkt kein Zweifel entstehen könne.



Zur Bestätigung der hier aufgestellten Behauptungen
wird es dienen, wenn wir uns klar zu machen suchen,
aus welchen Quellen die Römer in jedem Rechtsstreit den
Umfang der Rechtskraft festzustellen suchten, da bei ihnen
die äußeren Formen des Verfahrens mit den unsrigen
durchaus keine Aehnlichkeit hatten, und doch derselbe Zweck,
wie von uns, erreicht werden mußte.

Über die spätere Zeit des Römischen Rechts fehlt es
uns hierin gänzlich an Nachrichten; für die Zeit des For-
mularprozesses aber glaube ich darüber ziemlich sichere
Auskunft geben zu können.

Im Formularprozeß wurde der Umfang der Rechtskraft,
d. h. der objectiven Gründe, die als Bestandtheile des

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
kraft vollſtändig zu überſehen; die abgeſonderten Urtheils-
gründe würden dann nur dazu dienen, das Urtheil zu
erläutern, und die Ueberzeugung des Richters auch in
Anderen zu erwecken. Da aber dieſe Einrichtung bei ver-
wickelten Sachen in aller Strenge kaum durchzuführen
ſeyn möchte, ſo läßt ſie ſich nur annäherungsweiſe als
wünſchenswerthes Ziel aufſtellen.

Dagegen iſt es unter allen Umſtänden ſowohl möglich,
als räthlich, in den beſonders abgefaßten Urtheilsgründen
alle diejenigen Stücke, welche die Natur von objectiven
Gründen haben, und daher nach der Abſicht des Richters
rechtskräftig werden ſollen, als ſolche beſtimmt anzugeben,
damit über dieſen Punkt kein Zweifel entſtehen könne.



Zur Beſtätigung der hier aufgeſtellten Behauptungen
wird es dienen, wenn wir uns klar zu machen ſuchen,
aus welchen Quellen die Römer in jedem Rechtsſtreit den
Umfang der Rechtskraft feſtzuſtellen ſuchten, da bei ihnen
die äußeren Formen des Verfahrens mit den unſrigen
durchaus keine Aehnlichkeit hatten, und doch derſelbe Zweck,
wie von uns, erreicht werden mußte.

Über die ſpätere Zeit des Römiſchen Rechts fehlt es
uns hierin gänzlich an Nachrichten; für die Zeit des For-
mularprozeſſes aber glaube ich darüber ziemlich ſichere
Auskunft geben zu können.

Im Formularprozeß wurde der Umfang der Rechtskraft,
d. h. der objectiven Gründe, die als Beſtandtheile des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0392" n="374"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
kraft voll&#x017F;tändig zu über&#x017F;ehen; die abge&#x017F;onderten Urtheils-<lb/>
gründe würden dann nur dazu dienen, das Urtheil zu<lb/>
erläutern, und die Ueberzeugung des Richters auch in<lb/>
Anderen zu erwecken. Da aber die&#x017F;e Einrichtung bei ver-<lb/>
wickelten Sachen in aller Strenge kaum durchzuführen<lb/>
&#x017F;eyn möchte, &#x017F;o läßt &#x017F;ie &#x017F;ich nur annäherungswei&#x017F;e als<lb/>
wün&#x017F;chenswerthes Ziel auf&#x017F;tellen.</p><lb/>
            <p>Dagegen i&#x017F;t es unter allen Um&#x017F;tänden &#x017F;owohl möglich,<lb/>
als räthlich, in den be&#x017F;onders abgefaßten Urtheilsgründen<lb/>
alle diejenigen Stücke, welche die Natur von objectiven<lb/>
Gründen haben, und daher nach der Ab&#x017F;icht des Richters<lb/>
rechtskräftig werden &#x017F;ollen, als &#x017F;olche be&#x017F;timmt anzugeben,<lb/>
damit über die&#x017F;en Punkt kein Zweifel ent&#x017F;tehen könne.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Zur Be&#x017F;tätigung der hier aufge&#x017F;tellten Behauptungen<lb/>
wird es dienen, wenn wir uns klar zu machen &#x017F;uchen,<lb/>
aus welchen Quellen die Römer in jedem Rechts&#x017F;treit den<lb/>
Umfang der Rechtskraft fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen &#x017F;uchten, da bei ihnen<lb/>
die äußeren Formen des Verfahrens mit den un&#x017F;rigen<lb/>
durchaus keine Aehnlichkeit hatten, und doch der&#x017F;elbe Zweck,<lb/>
wie von uns, erreicht werden mußte.</p><lb/>
            <p>Über die &#x017F;pätere Zeit des Römi&#x017F;chen Rechts fehlt es<lb/>
uns hierin gänzlich an Nachrichten; für die Zeit des For-<lb/>
mularproze&#x017F;&#x017F;es aber glaube ich darüber ziemlich &#x017F;ichere<lb/>
Auskunft geben zu können.</p><lb/>
            <p>Im Formularprozeß wurde der Umfang der Rechtskraft,<lb/>
d. h. der objectiven Gründe, die als Be&#x017F;tandtheile des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0392] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. kraft vollſtändig zu überſehen; die abgeſonderten Urtheils- gründe würden dann nur dazu dienen, das Urtheil zu erläutern, und die Ueberzeugung des Richters auch in Anderen zu erwecken. Da aber dieſe Einrichtung bei ver- wickelten Sachen in aller Strenge kaum durchzuführen ſeyn möchte, ſo läßt ſie ſich nur annäherungsweiſe als wünſchenswerthes Ziel aufſtellen. Dagegen iſt es unter allen Umſtänden ſowohl möglich, als räthlich, in den beſonders abgefaßten Urtheilsgründen alle diejenigen Stücke, welche die Natur von objectiven Gründen haben, und daher nach der Abſicht des Richters rechtskräftig werden ſollen, als ſolche beſtimmt anzugeben, damit über dieſen Punkt kein Zweifel entſtehen könne. Zur Beſtätigung der hier aufgeſtellten Behauptungen wird es dienen, wenn wir uns klar zu machen ſuchen, aus welchen Quellen die Römer in jedem Rechtsſtreit den Umfang der Rechtskraft feſtzuſtellen ſuchten, da bei ihnen die äußeren Formen des Verfahrens mit den unſrigen durchaus keine Aehnlichkeit hatten, und doch derſelbe Zweck, wie von uns, erreicht werden mußte. Über die ſpätere Zeit des Römiſchen Rechts fehlt es uns hierin gänzlich an Nachrichten; für die Zeit des For- mularprozeſſes aber glaube ich darüber ziemlich ſichere Auskunft geben zu können. Im Formularprozeß wurde der Umfang der Rechtskraft, d. h. der objectiven Gründe, die als Beſtandtheile des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/392
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/392>, abgerufen am 24.11.2024.