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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 298. Einrede. Legitimationspunkt.
nichtet worden. Sie fragten bei dem Kaiser an, ob sie
unmittelbar die Erbrechtsklage vor einem Judex anstellen
könnten, der dann zugleich die Vorfrage wegen der rechts-
kräftigen Geburt untersuchen würde. Das Rescript geht
dahin, daß dieser Weg zulässig sey. Denn obgleich der
Judex nicht befugt gewesen wäre, über das Familienver-
hältniß, als Gegenstand einer selbstständigen Klage (u), ein
Urtheil zu sprechen, so könne er doch bei Gelegenheit der
Erbrechtsklage auch das Familienverhältniß (als Legitima-
tionspunkt) feststellen, indem das Urtheil wörtlich immer
nur auf das Erbrecht gerichtet seyn würde. -- Dieses ist
der Inhalt folgender Stelle:
L. 1 C. de ord. cogn. (3. 8) Adite praesidem pro-
vinciae, et ruptum esse testamentum Fabii Praesentis
agnatione filii docete: neque enim impedit notionem
ejus, quod status quaestio in cognitione vertitur, etsi
super status causa cognoscere non possit
(v). Per-

(u) Man könnte glauben, die
Vormünder hätten zuerst in einer
besonderen Klage, vor dem Präses
selbst, das Familienverhältniß zur
Anerkennung bringen müssen. Al-
lein nicht nur wäre Dieses eine
unnütze Weitläufigkeit gewesen, son-
dern es kommt auch überhaupt
eine besondere Klage auf Anerken-
nung der Agnation gegen einen
Nichtverwandten (den fremden
Testamentserben) nicht vor. --
Bethmann-Hollweg Versuche
S. 125, nimmt an, der Beklagte
habe in diesem Fall durch eine
exceptio praejudicii die abge-
sonderte Entscheidung über das
Familienverhältniß erzwingen kön-
nen, und blos, weil er Dieses unter-
ließ, sey dem Richter über die Erb-
rechtsklage auch die Entscheidung
über die Agnation anheimgefallen.
(v) In diesen Worten liegt die
eigentliche Schwierigkeit der Stelle.
Die gewöhnliche Erklärung aller
älteren Schriftsteller geht dahin,
der Präses habe überhaupt keine
Befugniß gehabt, über eine Klage

§. 298. Einrede. Legitimationspunkt.
nichtet worden. Sie fragten bei dem Kaiſer an, ob ſie
unmittelbar die Erbrechtsklage vor einem Judex anſtellen
könnten, der dann zugleich die Vorfrage wegen der rechts-
kräftigen Geburt unterſuchen würde. Das Reſcript geht
dahin, daß dieſer Weg zuläſſig ſey. Denn obgleich der
Judex nicht befugt geweſen wäre, über das Familienver-
hältniß, als Gegenſtand einer ſelbſtſtändigen Klage (u), ein
Urtheil zu ſprechen, ſo könne er doch bei Gelegenheit der
Erbrechtsklage auch das Familienverhältniß (als Legitima-
tionspunkt) feſtſtellen, indem das Urtheil wörtlich immer
nur auf das Erbrecht gerichtet ſeyn würde. — Dieſes iſt
der Inhalt folgender Stelle:
L. 1 C. de ord. cogn. (3. 8) Adite praesidem pro-
vinciae, et ruptum esse testamentum Fabii Praesentis
agnatione filii docete: neque enim impedit notionem
ejus, quod status quaestio in cognitione vertitur, etsi
super status causa cognoscere non possit
(v). Per-

(u) Man könnte glauben, die
Vormünder hätten zuerſt in einer
beſonderen Klage, vor dem Präſes
ſelbſt, das Familienverhältniß zur
Anerkennung bringen müſſen. Al-
lein nicht nur wäre Dieſes eine
unnütze Weitläufigkeit geweſen, ſon-
dern es kommt auch überhaupt
eine beſondere Klage auf Anerken-
nung der Agnation gegen einen
Nichtverwandten (den fremden
Teſtamentserben) nicht vor. —
Bethmann-Hollweg Verſuche
S. 125, nimmt an, der Beklagte
habe in dieſem Fall durch eine
exceptio praejudicii die abge-
ſonderte Entſcheidung über das
Familienverhältniß erzwingen kön-
nen, und blos, weil er Dieſes unter-
ließ, ſey dem Richter über die Erb-
rechtsklage auch die Entſcheidung
über die Agnation anheimgefallen.
(v) In dieſen Worten liegt die
eigentliche Schwierigkeit der Stelle.
Die gewöhnliche Erklärung aller
älteren Schriftſteller geht dahin,
der Präſes habe überhaupt keine
Befugniß gehabt, über eine Klage
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[441/0459] §. 298. Einrede. Legitimationspunkt. nichtet worden. Sie fragten bei dem Kaiſer an, ob ſie unmittelbar die Erbrechtsklage vor einem Judex anſtellen könnten, der dann zugleich die Vorfrage wegen der rechts- kräftigen Geburt unterſuchen würde. Das Reſcript geht dahin, daß dieſer Weg zuläſſig ſey. Denn obgleich der Judex nicht befugt geweſen wäre, über das Familienver- hältniß, als Gegenſtand einer ſelbſtſtändigen Klage (u), ein Urtheil zu ſprechen, ſo könne er doch bei Gelegenheit der Erbrechtsklage auch das Familienverhältniß (als Legitima- tionspunkt) feſtſtellen, indem das Urtheil wörtlich immer nur auf das Erbrecht gerichtet ſeyn würde. — Dieſes iſt der Inhalt folgender Stelle: L. 1 C. de ord. cogn. (3. 8) Adite praesidem pro- vinciae, et ruptum esse testamentum Fabii Praesentis agnatione filii docete: neque enim impedit notionem ejus, quod status quaestio in cognitione vertitur, etsi super status causa cognoscere non possit (v). Per- (u) Man könnte glauben, die Vormünder hätten zuerſt in einer beſonderen Klage, vor dem Präſes ſelbſt, das Familienverhältniß zur Anerkennung bringen müſſen. Al- lein nicht nur wäre Dieſes eine unnütze Weitläufigkeit geweſen, ſon- dern es kommt auch überhaupt eine beſondere Klage auf Anerken- nung der Agnation gegen einen Nichtverwandten (den fremden Teſtamentserben) nicht vor. — Bethmann-Hollweg Verſuche S. 125, nimmt an, der Beklagte habe in dieſem Fall durch eine exceptio praejudicii die abge- ſonderte Entſcheidung über das Familienverhältniß erzwingen kön- nen, und blos, weil er Dieſes unter- ließ, ſey dem Richter über die Erb- rechtsklage auch die Entſcheidung über die Agnation anheimgefallen. (v) In dieſen Worten liegt die eigentliche Schwierigkeit der Stelle. Die gewöhnliche Erklärung aller älteren Schriftſteller geht dahin, der Präſes habe überhaupt keine Befugniß gehabt, über eine Klage

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/459>, abgerufen am 22.11.2024.