II. Die materiellen Wirkungen der L. C. sind aller- dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför- dern. Denn der Kläger ist es, der durch die unvermeid- liche Dauer des Rechtsstreits einen Nachtheil erleiden kann, und eben gegen diesen Nachtheil soll er künstlich geschützt werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit- punkt der L. C. (e).
Indessen ist dieser Zweck nicht so abstract aufzufassen, als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver- lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practische Rücksichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande- ren Erfolg herbeiführen. Solche Rücksichten können in anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction selbst ausschließen.
Es ist daher überhaupt in diesem Rechtsinftitut eine gewisse practische Biegsamkeit wahrzunehmen.
III. Der Grundsatz, mit dessen Entwicklung in einzel- nen Folgen wir uns nun zu beschäftigen haben, beruht auf einem so natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe Anerkennung desselben wohl erwarten dürfen. Und in der That zeigt sich derselbe schon wirksam in der uralten Vin- dication durch legis actio. Bei dieser mußten im An- fang des Rechtsstreits vom Beklagten praedes litis et vin- diciarum gestellt werden, Bürgen für die Sache selbst und die Früchte derselben, also gegen die Nachtheile, die dem
(e)L. 86. 87 de R. I. (50. 17), L. 29 de nov. (46. 2).
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§. 260. Wirkung der L. C. — Einleitung.
II. Die materiellen Wirkungen der L. C. ſind aller- dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför- dern. Denn der Kläger iſt es, der durch die unvermeid- liche Dauer des Rechtsſtreits einen Nachtheil erleiden kann, und eben gegen dieſen Nachtheil ſoll er künſtlich geſchützt werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit- punkt der L. C. (e).
Indeſſen iſt dieſer Zweck nicht ſo abſtract aufzufaſſen, als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver- lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practiſche Rückſichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande- ren Erfolg herbeiführen. Solche Rückſichten können in anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction ſelbſt ausſchließen.
Es iſt daher überhaupt in dieſem Rechtsinftitut eine gewiſſe practiſche Biegſamkeit wahrzunehmen.
III. Der Grundſatz, mit deſſen Entwicklung in einzel- nen Folgen wir uns nun zu beſchäftigen haben, beruht auf einem ſo natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe Anerkennung deſſelben wohl erwarten dürfen. Und in der That zeigt ſich derſelbe ſchon wirkſam in der uralten Vin- dication durch legis actio. Bei dieſer mußten im An- fang des Rechtsſtreits vom Beklagten praedes litis et vin- diciarum geſtellt werden, Bürgen für die Sache ſelbſt und die Früchte derſelben, alſo gegen die Nachtheile, die dem
(e)L. 86. 87 de R. I. (50. 17), L. 29 de nov. (46. 2).
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[51/0069]
§. 260. Wirkung der L. C. — Einleitung.
II. Die materiellen Wirkungen der L. C. ſind aller-
dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför-
dern. Denn der Kläger iſt es, der durch die unvermeid-
liche Dauer des Rechtsſtreits einen Nachtheil erleiden kann,
und eben gegen dieſen Nachtheil ſoll er künſtlich geſchützt
werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit-
punkt der L. C. (e).
Indeſſen iſt dieſer Zweck nicht ſo abſtract aufzufaſſen,
als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene
Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver-
lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practiſche
Rückſichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande-
ren Erfolg herbeiführen. Solche Rückſichten können in
anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction
ſelbſt ausſchließen.
Es iſt daher überhaupt in dieſem Rechtsinftitut eine
gewiſſe practiſche Biegſamkeit wahrzunehmen.
III. Der Grundſatz, mit deſſen Entwicklung in einzel-
nen Folgen wir uns nun zu beſchäftigen haben, beruht
auf einem ſo natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe
Anerkennung deſſelben wohl erwarten dürfen. Und in der
That zeigt ſich derſelbe ſchon wirkſam in der uralten Vin-
dication durch legis actio. Bei dieſer mußten im An-
fang des Rechtsſtreits vom Beklagten praedes litis et vin-
diciarum geſtellt werden, Bürgen für die Sache ſelbſt und
die Früchte derſelben, alſo gegen die Nachtheile, die dem
(e) L. 86. 87 de R. I. (50. 17), L. 29 de nov. (46. 2).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/69>, abgerufen am 26.11.2024.
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