Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 260. Wirkung der L. C. -- Einleitung.

II. Die materiellen Wirkungen der L. C. sind aller-
dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför-
dern. Denn der Kläger ist es, der durch die unvermeid-
liche Dauer des Rechtsstreits einen Nachtheil erleiden kann,
und eben gegen diesen Nachtheil soll er künstlich geschützt
werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit-
punkt der L. C. (e).

Indessen ist dieser Zweck nicht so abstract aufzufassen,
als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene
Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver-
lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practische
Rücksichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande-
ren Erfolg herbeiführen. Solche Rücksichten können in
anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction
selbst ausschließen.

Es ist daher überhaupt in diesem Rechtsinftitut eine
gewisse practische Biegsamkeit wahrzunehmen.

III. Der Grundsatz, mit dessen Entwicklung in einzel-
nen Folgen wir uns nun zu beschäftigen haben, beruht
auf einem so natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe
Anerkennung desselben wohl erwarten dürfen. Und in der
That zeigt sich derselbe schon wirksam in der uralten Vin-
dication durch legis actio. Bei dieser mußten im An-
fang des Rechtsstreits vom Beklagten praedes litis et vin-
diciarum
gestellt werden, Bürgen für die Sache selbst und
die Früchte derselben, also gegen die Nachtheile, die dem

(e) L. 86. 87 de R. I. (50. 17), L. 29 de nov. (46. 2).
4*
§. 260. Wirkung der L. C. — Einleitung.

II. Die materiellen Wirkungen der L. C. ſind aller-
dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför-
dern. Denn der Kläger iſt es, der durch die unvermeid-
liche Dauer des Rechtsſtreits einen Nachtheil erleiden kann,
und eben gegen dieſen Nachtheil ſoll er künſtlich geſchützt
werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit-
punkt der L. C. (e).

Indeſſen iſt dieſer Zweck nicht ſo abſtract aufzufaſſen,
als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene
Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver-
lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practiſche
Rückſichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande-
ren Erfolg herbeiführen. Solche Rückſichten können in
anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction
ſelbſt ausſchließen.

Es iſt daher überhaupt in dieſem Rechtsinftitut eine
gewiſſe practiſche Biegſamkeit wahrzunehmen.

III. Der Grundſatz, mit deſſen Entwicklung in einzel-
nen Folgen wir uns nun zu beſchäftigen haben, beruht
auf einem ſo natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe
Anerkennung deſſelben wohl erwarten dürfen. Und in der
That zeigt ſich derſelbe ſchon wirkſam in der uralten Vin-
dication durch legis actio. Bei dieſer mußten im An-
fang des Rechtsſtreits vom Beklagten praedes litis et vin-
diciarum
geſtellt werden, Bürgen für die Sache ſelbſt und
die Früchte derſelben, alſo gegen die Nachtheile, die dem

(e) L. 86. 87 de R. I. (50. 17), L. 29 de nov. (46. 2).
4*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0069" n="51"/>
            <fw place="top" type="header">§. 260. Wirkung der L. C. &#x2014; Einleitung.</fw><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Die materiellen Wirkungen der L. C. &#x017F;ind aller-<lb/>
dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför-<lb/>
dern. Denn der Kläger i&#x017F;t es, der durch die unvermeid-<lb/>
liche Dauer des Rechts&#x017F;treits einen Nachtheil erleiden kann,<lb/>
und eben gegen die&#x017F;en Nachtheil &#x017F;oll er kün&#x017F;tlich ge&#x017F;chützt<lb/>
werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit-<lb/>
punkt der L. C. <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 86. 87 <hi rendition="#i">de R. I.</hi> (50. 17), <hi rendition="#i">L.</hi> 29 <hi rendition="#i">de nov.</hi></hi> (46. 2).</note>.</p><lb/>
            <p>Inde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t die&#x017F;er Zweck nicht &#x017F;o ab&#x017F;tract aufzufa&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene<lb/>
Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver-<lb/>
lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practi&#x017F;che<lb/>
Rück&#x017F;ichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande-<lb/>
ren Erfolg herbeiführen. Solche Rück&#x017F;ichten können in<lb/>
anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aus&#x017F;chließen.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t daher überhaupt in die&#x017F;em Rechtsinftitut eine<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e practi&#x017F;che Bieg&#x017F;amkeit wahrzunehmen.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Der Grund&#x017F;atz, mit de&#x017F;&#x017F;en Entwicklung in einzel-<lb/>
nen Folgen wir uns nun zu be&#x017F;chäftigen haben, beruht<lb/>
auf einem &#x017F;o natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe<lb/>
Anerkennung de&#x017F;&#x017F;elben wohl erwarten dürfen. Und in der<lb/>
That zeigt &#x017F;ich der&#x017F;elbe &#x017F;chon wirk&#x017F;am in der uralten Vin-<lb/>
dication durch <hi rendition="#aq">legis actio.</hi> Bei die&#x017F;er mußten im An-<lb/>
fang des Rechts&#x017F;treits vom Beklagten <hi rendition="#aq">praedes litis et vin-<lb/>
diciarum</hi> ge&#x017F;tellt werden, Bürgen für die Sache &#x017F;elb&#x017F;t und<lb/>
die Früchte der&#x017F;elben, al&#x017F;o gegen die Nachtheile, die dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0069] §. 260. Wirkung der L. C. — Einleitung. II. Die materiellen Wirkungen der L. C. ſind aller- dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför- dern. Denn der Kläger iſt es, der durch die unvermeid- liche Dauer des Rechtsſtreits einen Nachtheil erleiden kann, und eben gegen dieſen Nachtheil ſoll er künſtlich geſchützt werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit- punkt der L. C. (e). Indeſſen iſt dieſer Zweck nicht ſo abſtract aufzufaſſen, als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver- lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practiſche Rückſichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande- ren Erfolg herbeiführen. Solche Rückſichten können in anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction ſelbſt ausſchließen. Es iſt daher überhaupt in dieſem Rechtsinftitut eine gewiſſe practiſche Biegſamkeit wahrzunehmen. III. Der Grundſatz, mit deſſen Entwicklung in einzel- nen Folgen wir uns nun zu beſchäftigen haben, beruht auf einem ſo natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe Anerkennung deſſelben wohl erwarten dürfen. Und in der That zeigt ſich derſelbe ſchon wirkſam in der uralten Vin- dication durch legis actio. Bei dieſer mußten im An- fang des Rechtsſtreits vom Beklagten praedes litis et vin- diciarum geſtellt werden, Bürgen für die Sache ſelbſt und die Früchte derſelben, alſo gegen die Nachtheile, die dem (e) L. 86. 87 de R. I. (50. 17), L. 29 de nov. (46. 2). 4*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/69
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/69>, abgerufen am 21.05.2024.