Römischen Statthalter ausgeübt, der hier eine eben so unabhängige obrigkeitliche Gewalt hatte, wie in Rom der Prätor.
Die zwei hier dargestellten Eigenthümlichkeiten der Re- stitution sind aber keinesweges so zu denken, als ob sie blos zufällig neben einander gestanden hätten; vielmehr be- dingten sie einander wechselseitig, und konnten nur in dieser ihrer Verbindung erklärt und gerechtfertigt werden.
Die in der Restitution enthaltene, ungewöhnlich freie Macht des richterlichen Amtes war nämlich nicht ohne die Gefahr der Willkür und Ungerechtigkeit, welches auch die Römer nicht verkannten, indem sie die Restitution als eine außerordentliche Nothhülfe nur da zuließen, wo nicht schon gewöhnliche Rechtsmittel ausreichten. Gerade gegen diese Gefahr nun wurde eine Schutzwehr gefunden in der Stellung der zur Restitution ausschließend berechtigten Be- hörde. Schon Das war wichtig, daß die Restitution nicht in die Hand derselben Personen gelegt wurde, welche die gewöhnlichen Urtheile zu sprechen hatten, der Privatrichter; denn gerade die Vereinigung dieser beiden Thätigkeiten konnte leicht von der unbefangenen Anwendung der reinen Rechtsregeln abführen, und dem Mißbrauch blos subjectiver Ansichten und Gefühle Raum geben. Ein noch stärkerer Schutz aber lag in der eigenthümlichen Stellung der Prä- toren. Einem ungerechten Mißbrauch ihres einflußreichen Amtes wurde schon durch die kurze (einjährige) Dauer dieses Amtes entgegengewirkt, nach dessen Beendigung alle
§. 317. Natur und Entwicklung der Reſtitution.
Römiſchen Statthalter ausgeübt, der hier eine eben ſo unabhängige obrigkeitliche Gewalt hatte, wie in Rom der Prätor.
Die zwei hier dargeſtellten Eigenthümlichkeiten der Re- ſtitution ſind aber keinesweges ſo zu denken, als ob ſie blos zufällig neben einander geſtanden hätten; vielmehr be- dingten ſie einander wechſelſeitig, und konnten nur in dieſer ihrer Verbindung erklärt und gerechtfertigt werden.
Die in der Reſtitution enthaltene, ungewöhnlich freie Macht des richterlichen Amtes war nämlich nicht ohne die Gefahr der Willkür und Ungerechtigkeit, welches auch die Römer nicht verkannten, indem ſie die Reſtitution als eine außerordentliche Nothhülfe nur da zuließen, wo nicht ſchon gewöhnliche Rechtsmittel ausreichten. Gerade gegen dieſe Gefahr nun wurde eine Schutzwehr gefunden in der Stellung der zur Reſtitution ausſchließend berechtigten Be- hörde. Schon Das war wichtig, daß die Reſtitution nicht in die Hand derſelben Perſonen gelegt wurde, welche die gewöhnlichen Urtheile zu ſprechen hatten, der Privatrichter; denn gerade die Vereinigung dieſer beiden Thätigkeiten konnte leicht von der unbefangenen Anwendung der reinen Rechtsregeln abführen, und dem Mißbrauch blos ſubjectiver Anſichten und Gefühle Raum geben. Ein noch ſtärkerer Schutz aber lag in der eigenthümlichen Stellung der Prä- toren. Einem ungerechten Mißbrauch ihres einflußreichen Amtes wurde ſchon durch die kurze (einjährige) Dauer dieſes Amtes entgegengewirkt, nach deſſen Beendigung alle
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§. 317. Natur und Entwicklung der Reſtitution.
Römiſchen Statthalter ausgeübt, der hier eine eben ſo
unabhängige obrigkeitliche Gewalt hatte, wie in Rom der
Prätor.
Die zwei hier dargeſtellten Eigenthümlichkeiten der Re-
ſtitution ſind aber keinesweges ſo zu denken, als ob ſie
blos zufällig neben einander geſtanden hätten; vielmehr be-
dingten ſie einander wechſelſeitig, und konnten nur in dieſer
ihrer Verbindung erklärt und gerechtfertigt werden.
Die in der Reſtitution enthaltene, ungewöhnlich freie
Macht des richterlichen Amtes war nämlich nicht ohne die
Gefahr der Willkür und Ungerechtigkeit, welches auch die
Römer nicht verkannten, indem ſie die Reſtitution als eine
außerordentliche Nothhülfe nur da zuließen, wo nicht ſchon
gewöhnliche Rechtsmittel ausreichten. Gerade gegen dieſe
Gefahr nun wurde eine Schutzwehr gefunden in der
Stellung der zur Reſtitution ausſchließend berechtigten Be-
hörde. Schon Das war wichtig, daß die Reſtitution nicht
in die Hand derſelben Perſonen gelegt wurde, welche die
gewöhnlichen Urtheile zu ſprechen hatten, der Privatrichter;
denn gerade die Vereinigung dieſer beiden Thätigkeiten
konnte leicht von der unbefangenen Anwendung der reinen
Rechtsregeln abführen, und dem Mißbrauch blos ſubjectiver
Anſichten und Gefühle Raum geben. Ein noch ſtärkerer
Schutz aber lag in der eigenthümlichen Stellung der Prä-
toren. Einem ungerechten Mißbrauch ihres einflußreichen
Amtes wurde ſchon durch die kurze (einjährige) Dauer
dieſes Amtes entgegengewirkt, nach deſſen Beendigung alle
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/131>, abgerufen am 16.07.2024.
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