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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 335. Restitution. Parteipersonen.
gegengesetzte Fall wird demnach so zu denken seyn, daß der
Bürge nicht aus jener besonderen Rücksicht die Bürgschaft
leistete, sondern etwa, weil der Gläubiger die Zahlungs-
fähigkeit des Minderjährigen in Zweifel zog, während der
Bürge dessen ausreichendes Vermögen genau kannte, so daß
also dabei das minderjährige Alter des Hauptschuldners
gar nicht zur Sprache kam (o); am entschiedensten würde
dieser zweite Fall anzunehmen seyn, wenn die Minderjährig-
keit dem Bürgen ganz unbekannt geblieben wäre, vielleicht
auch selbst dem Gläubiger. In diesem zweiten Fall nun
würde der aus der Restitution hervorgehende Schutz dem
Bürgen zu gute kommen, und der Gläubiger hätte den
Verlust zu tragen.

Man kann nun noch die Frage aufwerfen, welche
Mittel anzuwenden seyen, um zu dem hier aufgestellten
Ziele zu gelangen. Darüber sagt Ulpian, der sicherste
Weg bestehe darin, daß sofort der Minderjährige gegen den
Hauptschuldner und den Bürgen zugleich die Restitution
nachsuche. Dann höre der Prätor alle Betheiligte gegen
einander, und könne so am besten entscheiden, wer im vor-
liegenden Falle den Verlust tragen solle (p).


(o) Dieses drückt Papinian
in L. 95 § 3 de sol. (46. 3) so
aus: "cui fidejussoris (obligatio)
accessit sine contemplatione
juris praetorii.
"
Burchardi
S. 575 faßt diese Worte anders
auf.
(p) L. 13 pr. de min. (4. 4).
"Unde tractari potest, minor in
integrum restitutionem utrum
adversus creditorem, an et
adversus fidejussorem implo-
rare debeat? Et puto tutius
adversus utrumque; causa enim
cognita et praesentibus adver-
sariis, vel si per contumaciam
desint, in integrum restituti-
ones perpendendae sunt.

§. 335. Reſtitution. Parteiperſonen.
gegengeſetzte Fall wird demnach ſo zu denken ſeyn, daß der
Bürge nicht aus jener beſonderen Rückſicht die Bürgſchaft
leiſtete, ſondern etwa, weil der Gläubiger die Zahlungs-
fähigkeit des Minderjährigen in Zweifel zog, während der
Bürge deſſen ausreichendes Vermögen genau kannte, ſo daß
alſo dabei das minderjährige Alter des Hauptſchuldners
gar nicht zur Sprache kam (o); am entſchiedenſten würde
dieſer zweite Fall anzunehmen ſeyn, wenn die Minderjährig-
keit dem Bürgen ganz unbekannt geblieben wäre, vielleicht
auch ſelbſt dem Gläubiger. In dieſem zweiten Fall nun
würde der aus der Reſtitution hervorgehende Schutz dem
Bürgen zu gute kommen, und der Gläubiger hätte den
Verluſt zu tragen.

Man kann nun noch die Frage aufwerfen, welche
Mittel anzuwenden ſeyen, um zu dem hier aufgeſtellten
Ziele zu gelangen. Darüber ſagt Ulpian, der ſicherſte
Weg beſtehe darin, daß ſofort der Minderjährige gegen den
Hauptſchuldner und den Bürgen zugleich die Reſtitution
nachſuche. Dann höre der Prätor alle Betheiligte gegen
einander, und könne ſo am beſten entſcheiden, wer im vor-
liegenden Falle den Verluſt tragen ſolle (p).


(o) Dieſes drückt Papinian
in L. 95 § 3 de sol. (46. 3) ſo
aus: „cui fidejussoris (obligatio)
accessit sine contemplatione
juris praetorii.
Burchardi
S. 575 faßt dieſe Worte anders
auf.
(p) L. 13 pr. de min. (4. 4).
„Unde tractari potest, minor in
integrum restitutionem utrum
adversus creditorem, an et
adversus fidejussorem implo-
rare debeat? Et puto tutius
adversus utrumque; causa enim
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[221/0243] §. 335. Reſtitution. Parteiperſonen. gegengeſetzte Fall wird demnach ſo zu denken ſeyn, daß der Bürge nicht aus jener beſonderen Rückſicht die Bürgſchaft leiſtete, ſondern etwa, weil der Gläubiger die Zahlungs- fähigkeit des Minderjährigen in Zweifel zog, während der Bürge deſſen ausreichendes Vermögen genau kannte, ſo daß alſo dabei das minderjährige Alter des Hauptſchuldners gar nicht zur Sprache kam (o); am entſchiedenſten würde dieſer zweite Fall anzunehmen ſeyn, wenn die Minderjährig- keit dem Bürgen ganz unbekannt geblieben wäre, vielleicht auch ſelbſt dem Gläubiger. In dieſem zweiten Fall nun würde der aus der Reſtitution hervorgehende Schutz dem Bürgen zu gute kommen, und der Gläubiger hätte den Verluſt zu tragen. Man kann nun noch die Frage aufwerfen, welche Mittel anzuwenden ſeyen, um zu dem hier aufgeſtellten Ziele zu gelangen. Darüber ſagt Ulpian, der ſicherſte Weg beſtehe darin, daß ſofort der Minderjährige gegen den Hauptſchuldner und den Bürgen zugleich die Reſtitution nachſuche. Dann höre der Prätor alle Betheiligte gegen einander, und könne ſo am beſten entſcheiden, wer im vor- liegenden Falle den Verluſt tragen ſolle (p). (o) Dieſes drückt Papinian in L. 95 § 3 de sol. (46. 3) ſo aus: „cui fidejussoris (obligatio) accessit sine contemplatione juris praetorii.“ Burchardi S. 575 faßt dieſe Worte anders auf. (p) L. 13 pr. de min. (4. 4). „Unde tractari potest, minor in integrum restitutionem utrum adversus creditorem, an et adversus fidejussorem implo- rare debeat? Et puto tutius adversus utrumque; causa enim cognita et praesentibus adver- sariis, vel si per contumaciam desint, in integrum restituti- ones perpendendae sunt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/243>, abgerufen am 23.11.2024.