Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Beilage XIX.
andere Erklärung erhoben worden sind: daß die Worte causa
cognita
völlig müßig sind, und daß eine auf das strenge
Recht (das justum dominium) gegründete Entscheidung
unmöglich durch einen Grund der Billigkeit unterstützt werden
konnte, der keinen Halt hatte, wenn der alte Eigenthümer
nicht auch verreist war, und der unter dieser Voraussetzung
gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer anwend-
bar gewesen wäre, und dabei eine ganz entgegengesetzte
Entscheidung hätte herbeiführen müssen. -- Endlich aber
sind die Resultate, die der Stelle nach dieser Erklärung
zugeschrieben werden müssen, so trivial, sie verstehen sich
so von selbst, daß man kaum begreift, wie über einen so
beschaffenen Rechtsfall ein Responsum von Papinian
hätte begehrt, später in dessen Sammlung aufgenommen,
und zuletzt sogar in die Digesten gesetzt werden sollen.

Die völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher dargestellten
Erklärungen führt fast nothwendig auf die Annahme der
zweiten Leseart (non inutiliter), der es an handschriftlicher
Beglaubigung nicht fehlt, und es kommt nur darauf an,
unter Voraussetzung dieses Textes eine mit dem inneren
Zusammenhang der Stelle, so wie mit allgemeineren Rechts-
regeln, übereinstimmende Erklärung zu versuchen.

Das eigentliche Hinderniß einer richtigen Auffassung
liegt an einem Orte, wo man es auf den ersten Blick kaum
erwarten sollte, in den Worten: cum exceptio justi domi-
nii ... detur,
welche einen Doppelsinn mit sich führen,
indem sie sowohl auf concrete, als auf abstracte Weise ge-

Beilage XIX.
andere Erklärung erhoben worden ſind: daß die Worte causa
cognita
völlig müßig ſind, und daß eine auf das ſtrenge
Recht (das justum dominium) gegründete Entſcheidung
unmöglich durch einen Grund der Billigkeit unterſtützt werden
konnte, der keinen Halt hatte, wenn der alte Eigenthümer
nicht auch verreiſt war, und der unter dieſer Vorausſetzung
gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer anwend-
bar geweſen wäre, und dabei eine ganz entgegengeſetzte
Entſcheidung hätte herbeiführen müſſen. — Endlich aber
ſind die Reſultate, die der Stelle nach dieſer Erklärung
zugeſchrieben werden müſſen, ſo trivial, ſie verſtehen ſich
ſo von ſelbſt, daß man kaum begreift, wie über einen ſo
beſchaffenen Rechtsfall ein Reſponſum von Papinian
hätte begehrt, ſpäter in deſſen Sammlung aufgenommen,
und zuletzt ſogar in die Digeſten geſetzt werden ſollen.

Die völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher dargeſtellten
Erklärungen führt faſt nothwendig auf die Annahme der
zweiten Leſeart (non inutiliter), der es an handſchriftlicher
Beglaubigung nicht fehlt, und es kommt nur darauf an,
unter Vorausſetzung dieſes Textes eine mit dem inneren
Zuſammenhang der Stelle, ſo wie mit allgemeineren Rechts-
regeln, übereinſtimmende Erklärung zu verſuchen.

Das eigentliche Hinderniß einer richtigen Auffaſſung
liegt an einem Orte, wo man es auf den erſten Blick kaum
erwarten ſollte, in den Worten: cum exceptio justi domi-
nii … detur,
welche einen Doppelſinn mit ſich führen,
indem ſie ſowohl auf concrete, als auf abſtracte Weiſe ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0320" n="298"/><fw place="top" type="header">Beilage <hi rendition="#aq">XIX.</hi></fw><lb/>
andere Erklärung erhoben worden &#x017F;ind: daß die Worte <hi rendition="#aq">causa<lb/>
cognita</hi> völlig müßig &#x017F;ind, und daß eine auf das &#x017F;trenge<lb/>
Recht (das <hi rendition="#aq">justum dominium</hi>) gegründete Ent&#x017F;cheidung<lb/>
unmöglich durch einen Grund der Billigkeit unter&#x017F;tützt werden<lb/>
konnte, der keinen Halt hatte, wenn der alte Eigenthümer<lb/>
nicht auch verrei&#x017F;t war, und der unter die&#x017F;er Voraus&#x017F;etzung<lb/>
gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer anwend-<lb/>
bar gewe&#x017F;en wäre, und dabei eine ganz entgegenge&#x017F;etzte<lb/>
Ent&#x017F;cheidung hätte herbeiführen mü&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Endlich aber<lb/>
&#x017F;ind die Re&#x017F;ultate, die der Stelle nach die&#x017F;er Erklärung<lb/>
zuge&#x017F;chrieben werden mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o trivial, &#x017F;ie ver&#x017F;tehen &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o von &#x017F;elb&#x017F;t, daß man kaum begreift, wie über einen &#x017F;o<lb/>
be&#x017F;chaffenen Rechtsfall ein Re&#x017F;pon&#x017F;um von <hi rendition="#g">Papinian</hi><lb/>
hätte begehrt, &#x017F;päter in de&#x017F;&#x017F;en Sammlung aufgenommen,<lb/>
und zuletzt &#x017F;ogar in die Dige&#x017F;ten ge&#x017F;etzt werden &#x017F;ollen.</p><lb/>
            <p>Die völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher darge&#x017F;tellten<lb/>
Erklärungen führt fa&#x017F;t nothwendig auf die Annahme der<lb/>
zweiten Le&#x017F;eart (<hi rendition="#aq">non inutiliter</hi>), der es an hand&#x017F;chriftlicher<lb/>
Beglaubigung nicht fehlt, und es kommt nur darauf an,<lb/>
unter Voraus&#x017F;etzung die&#x017F;es Textes eine mit dem inneren<lb/>
Zu&#x017F;ammenhang der Stelle, &#x017F;o wie mit allgemeineren Rechts-<lb/>
regeln, überein&#x017F;timmende Erklärung zu ver&#x017F;uchen.</p><lb/>
            <p>Das eigentliche Hinderniß einer richtigen Auffa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
liegt an einem Orte, wo man es auf den er&#x017F;ten Blick kaum<lb/>
erwarten &#x017F;ollte, in den Worten: <hi rendition="#aq">cum exceptio justi domi-<lb/>
nii &#x2026; <hi rendition="#i">detur</hi>,</hi> welche einen Doppel&#x017F;inn mit &#x017F;ich führen,<lb/>
indem &#x017F;ie &#x017F;owohl auf concrete, als auf ab&#x017F;tracte Wei&#x017F;e ge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0320] Beilage XIX. andere Erklärung erhoben worden ſind: daß die Worte causa cognita völlig müßig ſind, und daß eine auf das ſtrenge Recht (das justum dominium) gegründete Entſcheidung unmöglich durch einen Grund der Billigkeit unterſtützt werden konnte, der keinen Halt hatte, wenn der alte Eigenthümer nicht auch verreiſt war, und der unter dieſer Vorausſetzung gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer anwend- bar geweſen wäre, und dabei eine ganz entgegengeſetzte Entſcheidung hätte herbeiführen müſſen. — Endlich aber ſind die Reſultate, die der Stelle nach dieſer Erklärung zugeſchrieben werden müſſen, ſo trivial, ſie verſtehen ſich ſo von ſelbſt, daß man kaum begreift, wie über einen ſo beſchaffenen Rechtsfall ein Reſponſum von Papinian hätte begehrt, ſpäter in deſſen Sammlung aufgenommen, und zuletzt ſogar in die Digeſten geſetzt werden ſollen. Die völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher dargeſtellten Erklärungen führt faſt nothwendig auf die Annahme der zweiten Leſeart (non inutiliter), der es an handſchriftlicher Beglaubigung nicht fehlt, und es kommt nur darauf an, unter Vorausſetzung dieſes Textes eine mit dem inneren Zuſammenhang der Stelle, ſo wie mit allgemeineren Rechts- regeln, übereinſtimmende Erklärung zu verſuchen. Das eigentliche Hinderniß einer richtigen Auffaſſung liegt an einem Orte, wo man es auf den erſten Blick kaum erwarten ſollte, in den Worten: cum exceptio justi domi- nii … detur, welche einen Doppelſinn mit ſich führen, indem ſie ſowohl auf concrete, als auf abſtracte Weiſe ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/320
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/320>, abgerufen am 27.11.2024.