Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen

Bei dieser Anwendung eines örtlichen Rechts in Folge
freier Unterwerfung sind stets zwei Fragen zu beachten:
Unter welchen Bedingungen ist dieselbe anzunehmen, da es
meist an einer ausdrücklichen Erklärung darüber fehlen wird?
In welchen Fällen ist sie zulässig, oder aber durch entgegen-
stehende absolute Gesetze ausgeschlossen?

Der große Einfluß dieser freiwilligen Unterwerfung auf
das anzuwendende örtliche Recht hat denn auch stets sehr
allgemeine Anerkennung gefunden. Er konnte noch etwa
bezweifelt werden im Römischen Recht, nach welchem die
persönliche Abhängigkeit von einem bestimmten örtlichen
Recht zunächst durch das städtische Bürgerverhältniß be-
stimmt wurde (§ 357), in welches Jeder regelmäßig nicht
durch seinen freien Willen, sondern durch die Geburt ein-
trat (§ 352). Jeder mögliche Zweifel aber verschwindet
für das heutige Recht, in welchem die persönliche Abhän-
gigkeit von einem bestimmten örtlichen Recht durch den
Wohnsitz bestimmt wird. Denn da der Wohnsitz selbst durch
völlig freie Wahl eines Jeden bestimmt wird, so kann auch
für einzelne Rechtsverhältnisse die regelmäßige Befugniß zur
freien Unterwerfung unter ein bestimmtes örtliches Recht
keinem Zweifel unterliegen.

Die hier erwähnte freiwillige Unterwerfung erscheint
theils als eine einseitige (wie bei dem Erwerb des Eigen-
thums und anderer dinglicher Rechte), theils als eine in
mehreren Personen übereinstimmend vorhandene (wie bei den
obligatorischen Verträgen). Diese letzte könnte man geneigt

§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen

Bei dieſer Anwendung eines örtlichen Rechts in Folge
freier Unterwerfung ſind ſtets zwei Fragen zu beachten:
Unter welchen Bedingungen iſt dieſelbe anzunehmen, da es
meiſt an einer ausdrücklichen Erklärung darüber fehlen wird?
In welchen Fällen iſt ſie zuläſſig, oder aber durch entgegen-
ſtehende abſolute Geſetze ausgeſchloſſen?

Der große Einfluß dieſer freiwilligen Unterwerfung auf
das anzuwendende örtliche Recht hat denn auch ſtets ſehr
allgemeine Anerkennung gefunden. Er konnte noch etwa
bezweifelt werden im Römiſchen Recht, nach welchem die
perſönliche Abhängigkeit von einem beſtimmten örtlichen
Recht zunächſt durch das ſtädtiſche Bürgerverhältniß be-
ſtimmt wurde (§ 357), in welches Jeder regelmäßig nicht
durch ſeinen freien Willen, ſondern durch die Geburt ein-
trat (§ 352). Jeder mögliche Zweifel aber verſchwindet
für das heutige Recht, in welchem die perſönliche Abhän-
gigkeit von einem beſtimmten örtlichen Recht durch den
Wohnſitz beſtimmt wird. Denn da der Wohnſitz ſelbſt durch
völlig freie Wahl eines Jeden beſtimmt wird, ſo kann auch
für einzelne Rechtsverhältniſſe die regelmäßige Befugniß zur
freien Unterwerfung unter ein beſtimmtes örtliches Recht
keinem Zweifel unterliegen.

Die hier erwähnte freiwillige Unterwerfung erſcheint
theils als eine einſeitige (wie bei dem Erwerb des Eigen-
thums und anderer dinglicher Rechte), theils als eine in
mehreren Perſonen übereinſtimmend vorhandene (wie bei den
obligatoriſchen Verträgen). Dieſe letzte könnte man geneigt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0133" n="111"/>
            <fw place="top" type="header">§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;en</fw><lb/>
            <p>Bei die&#x017F;er Anwendung eines örtlichen Rechts in Folge<lb/>
freier Unterwerfung &#x017F;ind &#x017F;tets zwei Fragen zu beachten:<lb/>
Unter welchen Bedingungen i&#x017F;t die&#x017F;elbe anzunehmen, da es<lb/>
mei&#x017F;t an einer ausdrücklichen Erklärung darüber fehlen wird?<lb/>
In welchen Fällen i&#x017F;t &#x017F;ie zulä&#x017F;&#x017F;ig, oder aber durch entgegen-<lb/>
&#x017F;tehende ab&#x017F;olute Ge&#x017F;etze ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
            <p>Der große Einfluß die&#x017F;er freiwilligen Unterwerfung auf<lb/>
das anzuwendende örtliche Recht hat denn auch &#x017F;tets &#x017F;ehr<lb/>
allgemeine Anerkennung gefunden. Er konnte noch etwa<lb/>
bezweifelt werden im Römi&#x017F;chen Recht, nach welchem die<lb/>
per&#x017F;önliche Abhängigkeit von einem be&#x017F;timmten örtlichen<lb/>
Recht zunäch&#x017F;t durch das &#x017F;tädti&#x017F;che Bürgerverhältniß be-<lb/>
&#x017F;timmt wurde (§ 357), in welches Jeder regelmäßig nicht<lb/>
durch &#x017F;einen freien Willen, &#x017F;ondern durch die Geburt ein-<lb/>
trat (§ 352). Jeder mögliche Zweifel aber ver&#x017F;chwindet<lb/>
für das heutige Recht, in welchem die per&#x017F;önliche Abhän-<lb/>
gigkeit von einem be&#x017F;timmten örtlichen Recht durch den<lb/>
Wohn&#x017F;itz be&#x017F;timmt wird. Denn da der Wohn&#x017F;itz &#x017F;elb&#x017F;t durch<lb/>
völlig freie Wahl eines Jeden be&#x017F;timmt wird, &#x017F;o kann auch<lb/>
für einzelne Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e die regelmäßige Befugniß zur<lb/>
freien Unterwerfung unter ein be&#x017F;timmtes örtliches Recht<lb/>
keinem Zweifel unterliegen.</p><lb/>
            <p>Die hier erwähnte freiwillige Unterwerfung er&#x017F;cheint<lb/>
theils als eine ein&#x017F;eitige (wie bei dem Erwerb des Eigen-<lb/>
thums und anderer dinglicher Rechte), theils als eine in<lb/>
mehreren Per&#x017F;onen überein&#x017F;timmend vorhandene (wie bei den<lb/>
obligatori&#x017F;chen Verträgen). Die&#x017F;e letzte könnte man geneigt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0133] §. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen Bei dieſer Anwendung eines örtlichen Rechts in Folge freier Unterwerfung ſind ſtets zwei Fragen zu beachten: Unter welchen Bedingungen iſt dieſelbe anzunehmen, da es meiſt an einer ausdrücklichen Erklärung darüber fehlen wird? In welchen Fällen iſt ſie zuläſſig, oder aber durch entgegen- ſtehende abſolute Geſetze ausgeſchloſſen? Der große Einfluß dieſer freiwilligen Unterwerfung auf das anzuwendende örtliche Recht hat denn auch ſtets ſehr allgemeine Anerkennung gefunden. Er konnte noch etwa bezweifelt werden im Römiſchen Recht, nach welchem die perſönliche Abhängigkeit von einem beſtimmten örtlichen Recht zunächſt durch das ſtädtiſche Bürgerverhältniß be- ſtimmt wurde (§ 357), in welches Jeder regelmäßig nicht durch ſeinen freien Willen, ſondern durch die Geburt ein- trat (§ 352). Jeder mögliche Zweifel aber verſchwindet für das heutige Recht, in welchem die perſönliche Abhän- gigkeit von einem beſtimmten örtlichen Recht durch den Wohnſitz beſtimmt wird. Denn da der Wohnſitz ſelbſt durch völlig freie Wahl eines Jeden beſtimmt wird, ſo kann auch für einzelne Rechtsverhältniſſe die regelmäßige Befugniß zur freien Unterwerfung unter ein beſtimmtes örtliches Recht keinem Zweifel unterliegen. Die hier erwähnte freiwillige Unterwerfung erſcheint theils als eine einſeitige (wie bei dem Erwerb des Eigen- thums und anderer dinglicher Rechte), theils als eine in mehreren Perſonen übereinſtimmend vorhandene (wie bei den obligatoriſchen Verträgen). Dieſe letzte könnte man geneigt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/133
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/133>, abgerufen am 21.11.2024.