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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation.
gation anknüpfen können, um ihr gleichsam einen Körper
zu verschaffen.

Nun finden wir in jeder Obligation vorherrschend und
gleichförmig zwei solche sichtbare Erscheinungen, die wir
als leitend ansehen könnten. Jede Obligation entsteht näm-
lich aus sichtbaren Thatsachen: jede Obligation wird aber
auch erfüllt durch sichtbare Thatsachen; beide müssen an
irgend einem Orte vorkommen. Wir können daher entwe-
der den Entstehungsgrund der Obligation, oder die
Erfüllung derselben, als Anhalt wählen, um darauf den
Sitz der Obligation, so wie den besonderen Gerichtsstand
derselben, zu bestimmen; entweder den Anfang oder das
Ende der Obligation. Welchem von beiden Punkten wer-
den wir nach allgemeiner Betrachtung den Vorzug zu geben
haben?

Nicht dem Entstehungsgrund. Dieser ist an sich zu-
fällig, vorübergehend, dem Wesen der Obligation und ihrer
ferneren Entwickelung und Wirksamkeit fremd. Sollte dem
Ort, wo die Obligation entstand, in den Augen der Par-
teien eine bleibende, in die Zukunft hin wirkende, Wichtig-
keit zugeschrieben werden, so könnte Dieses gewiß nicht aus
dem Entstehungsgrund an sich hervorgehen, sondern nur
aus der Verbindung desselben mit äußeren, ihm selbst fremd-
artigen Umständen, durch welche eine bestimmte Erwartung
der Parteien gerade auf diesen Ort gerichtet werden
möchte.


§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation.
gation anknüpfen können, um ihr gleichſam einen Körper
zu verſchaffen.

Nun finden wir in jeder Obligation vorherrſchend und
gleichförmig zwei ſolche ſichtbare Erſcheinungen, die wir
als leitend anſehen könnten. Jede Obligation entſteht näm-
lich aus ſichtbaren Thatſachen: jede Obligation wird aber
auch erfüllt durch ſichtbare Thatſachen; beide müſſen an
irgend einem Orte vorkommen. Wir können daher entwe-
der den Entſtehungsgrund der Obligation, oder die
Erfüllung derſelben, als Anhalt wählen, um darauf den
Sitz der Obligation, ſo wie den beſonderen Gerichtsſtand
derſelben, zu beſtimmen; entweder den Anfang oder das
Ende der Obligation. Welchem von beiden Punkten wer-
den wir nach allgemeiner Betrachtung den Vorzug zu geben
haben?

Nicht dem Entſtehungsgrund. Dieſer iſt an ſich zu-
fällig, vorübergehend, dem Weſen der Obligation und ihrer
ferneren Entwickelung und Wirkſamkeit fremd. Sollte dem
Ort, wo die Obligation entſtand, in den Augen der Par-
teien eine bleibende, in die Zukunft hin wirkende, Wichtig-
keit zugeſchrieben werden, ſo könnte Dieſes gewiß nicht aus
dem Entſtehungsgrund an ſich hervorgehen, ſondern nur
aus der Verbindung deſſelben mit äußeren, ihm ſelbſt fremd-
artigen Umſtänden, durch welche eine beſtimmte Erwartung
der Parteien gerade auf dieſen Ort gerichtet werden
möchte.


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[207/0229] §. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation. gation anknüpfen können, um ihr gleichſam einen Körper zu verſchaffen. Nun finden wir in jeder Obligation vorherrſchend und gleichförmig zwei ſolche ſichtbare Erſcheinungen, die wir als leitend anſehen könnten. Jede Obligation entſteht näm- lich aus ſichtbaren Thatſachen: jede Obligation wird aber auch erfüllt durch ſichtbare Thatſachen; beide müſſen an irgend einem Orte vorkommen. Wir können daher entwe- der den Entſtehungsgrund der Obligation, oder die Erfüllung derſelben, als Anhalt wählen, um darauf den Sitz der Obligation, ſo wie den beſonderen Gerichtsſtand derſelben, zu beſtimmen; entweder den Anfang oder das Ende der Obligation. Welchem von beiden Punkten wer- den wir nach allgemeiner Betrachtung den Vorzug zu geben haben? Nicht dem Entſtehungsgrund. Dieſer iſt an ſich zu- fällig, vorübergehend, dem Weſen der Obligation und ihrer ferneren Entwickelung und Wirkſamkeit fremd. Sollte dem Ort, wo die Obligation entſtand, in den Augen der Par- teien eine bleibende, in die Zukunft hin wirkende, Wichtig- keit zugeſchrieben werden, ſo könnte Dieſes gewiß nicht aus dem Entſtehungsgrund an ſich hervorgehen, ſondern nur aus der Verbindung deſſelben mit äußeren, ihm ſelbſt fremd- artigen Umſtänden, durch welche eine beſtimmte Erwartung der Parteien gerade auf dieſen Ort gerichtet werden möchte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/229>, abgerufen am 24.11.2024.