Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen. Obligation aus einem Delicte anerkennt. Diese Frage istbei keiner Art von Obligationen so häufig aufgeworfen, be- zweifelt, bestritten worden, als bei den aus dem außerehe- lichen Beischlaf abgeleiteten Obligationen. Es wird die Frage besonders anschaulich machen, wenn ich dabei von der sehr unbedingten Vorschrift des Französischen bürger- lichen Gesetzbuchs ausgehe, welches im Art. 340 so lautet: la recherche de la paternite est interdite. Dieses Gesetz beruht augenscheinlich auf der Ueberzeugung, daß im Interesse der Sittlichkeit jeder Anspruch und Rechtsstreit, gegründet auf außerehelichen Beischlaf, verhindert werden müsse (aa); andere Gesetzgebungen beruhen auf der entgegen- gesetzten Ueberzeugung. Beide also sind von zwingender, streng positiver Natur. Wird nun vor einem Gericht, das unter jenem Französischen Gesetze steht, ein solcher Anspruch geltend gemacht, so ist er zurückzuweisen, auch wenn der angebliche Beischlaf vorgekommen seyn soll an einem Ort, dessen Gesetz einen solchen Anspruch zuläßt und begünstigt. Umgekehrt aber muß von dem Gericht eines solchen Ortes der Anspruch zugelassen werden, selbst wenn der Beischlaf an einem Orte des Französischen Rechts Statt gefunden haben soll. Was nun hier von dem äußersten Gegensatz, der unbedingten Verwerfung oder Zulassung, gilt, muß eben so auch behauptet werden, wenn die Gesetze der ver- (aa) Diese Absicht des Fran-
zösischen Gesetzes ist unzweideutig ausgesprochen in dem an die Richter gerichteten unbedingten Verbot aller Procedur. §. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen. Obligation aus einem Delicte anerkennt. Dieſe Frage iſtbei keiner Art von Obligationen ſo häufig aufgeworfen, be- zweifelt, beſtritten worden, als bei den aus dem außerehe- lichen Beiſchlaf abgeleiteten Obligationen. Es wird die Frage beſonders anſchaulich machen, wenn ich dabei von der ſehr unbedingten Vorſchrift des Franzöſiſchen bürger- lichen Geſetzbuchs ausgehe, welches im Art. 340 ſo lautet: la recherche de la paternité est interdite. Dieſes Geſetz beruht augenſcheinlich auf der Ueberzeugung, daß im Intereſſe der Sittlichkeit jeder Anſpruch und Rechtsſtreit, gegründet auf außerehelichen Beiſchlaf, verhindert werden müſſe (aa); andere Geſetzgebungen beruhen auf der entgegen- geſetzten Ueberzeugung. Beide alſo ſind von zwingender, ſtreng poſitiver Natur. Wird nun vor einem Gericht, das unter jenem Franzöſiſchen Geſetze ſteht, ein ſolcher Anſpruch geltend gemacht, ſo iſt er zurückzuweiſen, auch wenn der angebliche Beiſchlaf vorgekommen ſeyn ſoll an einem Ort, deſſen Geſetz einen ſolchen Anſpruch zuläßt und begünſtigt. Umgekehrt aber muß von dem Gericht eines ſolchen Ortes der Anſpruch zugelaſſen werden, ſelbſt wenn der Beiſchlaf an einem Orte des Franzöſiſchen Rechts Statt gefunden haben ſoll. Was nun hier von dem äußerſten Gegenſatz, der unbedingten Verwerfung oder Zulaſſung, gilt, muß eben ſo auch behauptet werden, wenn die Geſetze der ver- (aa) Dieſe Abſicht des Fran-
zöſiſchen Geſetzes iſt unzweideutig ausgeſprochen in dem an die Richter gerichteten unbedingten Verbot aller Procedur. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0301" n="279"/><fw place="top" type="header">§. 374. <hi rendition="#aq">III.</hi> Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.</fw><lb/> Obligation aus einem Delicte anerkennt. Dieſe Frage iſt<lb/> bei keiner Art von Obligationen ſo häufig aufgeworfen, be-<lb/> zweifelt, beſtritten worden, als bei den aus dem außerehe-<lb/> lichen Beiſchlaf abgeleiteten Obligationen. Es wird die<lb/> Frage beſonders anſchaulich machen, wenn ich dabei von<lb/> der ſehr unbedingten Vorſchrift des Franzöſiſchen bürger-<lb/> lichen Geſetzbuchs ausgehe, welches im Art. 340 ſo lautet:<lb/><hi rendition="#aq">la recherche de la paternité est interdite.</hi> Dieſes Geſetz<lb/> beruht augenſcheinlich auf der Ueberzeugung, daß im<lb/> Intereſſe der Sittlichkeit jeder Anſpruch und Rechtsſtreit,<lb/> gegründet auf außerehelichen Beiſchlaf, verhindert werden<lb/> müſſe <note place="foot" n="(aa)">Dieſe Abſicht des Fran-<lb/> zöſiſchen Geſetzes iſt unzweideutig<lb/> ausgeſprochen in dem an die<lb/> Richter gerichteten unbedingten<lb/> Verbot aller Procedur.</note>; andere Geſetzgebungen beruhen auf der entgegen-<lb/> geſetzten Ueberzeugung. Beide alſo ſind von zwingender,<lb/> ſtreng poſitiver Natur. Wird nun vor einem Gericht, das<lb/> unter jenem Franzöſiſchen Geſetze ſteht, ein ſolcher Anſpruch<lb/> geltend gemacht, ſo iſt er zurückzuweiſen, auch wenn der<lb/> angebliche Beiſchlaf vorgekommen ſeyn ſoll an einem Ort,<lb/> deſſen Geſetz einen ſolchen Anſpruch zuläßt und begünſtigt.<lb/> Umgekehrt aber muß von dem Gericht eines ſolchen Ortes<lb/> der Anſpruch zugelaſſen werden, ſelbſt wenn der Beiſchlaf<lb/> an einem Orte des Franzöſiſchen Rechts Statt gefunden<lb/> haben ſoll. Was nun hier von dem äußerſten Gegenſatz,<lb/> der unbedingten Verwerfung oder Zulaſſung, gilt, muß<lb/> eben ſo auch behauptet werden, wenn die Geſetze der ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [279/0301]
§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.
Obligation aus einem Delicte anerkennt. Dieſe Frage iſt
bei keiner Art von Obligationen ſo häufig aufgeworfen, be-
zweifelt, beſtritten worden, als bei den aus dem außerehe-
lichen Beiſchlaf abgeleiteten Obligationen. Es wird die
Frage beſonders anſchaulich machen, wenn ich dabei von
der ſehr unbedingten Vorſchrift des Franzöſiſchen bürger-
lichen Geſetzbuchs ausgehe, welches im Art. 340 ſo lautet:
la recherche de la paternité est interdite. Dieſes Geſetz
beruht augenſcheinlich auf der Ueberzeugung, daß im
Intereſſe der Sittlichkeit jeder Anſpruch und Rechtsſtreit,
gegründet auf außerehelichen Beiſchlaf, verhindert werden
müſſe (aa); andere Geſetzgebungen beruhen auf der entgegen-
geſetzten Ueberzeugung. Beide alſo ſind von zwingender,
ſtreng poſitiver Natur. Wird nun vor einem Gericht, das
unter jenem Franzöſiſchen Geſetze ſteht, ein ſolcher Anſpruch
geltend gemacht, ſo iſt er zurückzuweiſen, auch wenn der
angebliche Beiſchlaf vorgekommen ſeyn ſoll an einem Ort,
deſſen Geſetz einen ſolchen Anſpruch zuläßt und begünſtigt.
Umgekehrt aber muß von dem Gericht eines ſolchen Ortes
der Anſpruch zugelaſſen werden, ſelbſt wenn der Beiſchlaf
an einem Orte des Franzöſiſchen Rechts Statt gefunden
haben ſoll. Was nun hier von dem äußerſten Gegenſatz,
der unbedingten Verwerfung oder Zulaſſung, gilt, muß
eben ſo auch behauptet werden, wenn die Geſetze der ver-
(aa) Dieſe Abſicht des Fran-
zöſiſchen Geſetzes iſt unzweideutig
ausgeſprochen in dem an die
Richter gerichteten unbedingten
Verbot aller Procedur.
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