§. 381. VI. Formen der Rechtsgeschäfte (Locus regit actum).
jedoch verschiedene Formen. In allen Fällen solcher Art entsteht nun die Frage, welches örtliche Recht auf ein be- stimmtes Rechtsgeschäft, in Beziehung auf dessen Form, anwendbar ist; daraus allein wird in vielen Fällen die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Geschäfts zu erkennen seyn.
Fassen wir diese Frage von dem allgemeinen Stand- punkt auf, von welchem aus die ganze bisherige Unter- suchung geführt worden ist, so können wir über die Ant- wort kaum zweifelhaft seyn. Wir müssen, so scheint es, die erforderliche Form nach demjenigen örtlichen Recht ab- messen, dem das Rechtsgeschäft überhaupt nach den bisher aufgestellten Regeln unterworfen ist. Demnächst müßten Verträge geschlossen werden nach den gesetzlichen Formen des verabredeten Erfüllungsortes, Testamente errichtet nach den Formen, die im Wohnsitz des Testators gelten, Ehen geschlossen nach den im Wohnsitz des Ehemannes vorge- schriebenen Formen. Die Beobachtung dieser Regel hat auch weder Zweifel, noch Schwierigkeit, wenn das Rechts- geschäft gerade an diesen Orten zu Stande kommt. Allein es geschieht sehr oft, daß die Gründung des Geschäfts an einem ganz anderen, vielleicht weit entfernten, Orte vorge- nommen wird, und dieser Umstand kann die größten Schwierigkeiten zur Folge haben.
An dem Orte, wo das Rechtsgeschäft zu Stande kommen soll, wird es oft sehr schwer seyn, die gesetzlichen Formen jenes anderen, eigentlich maaßgebenden, Ortes mit Sicher- heit zu erfahren, oder, wenn man sie kennt, zur Anwen-
§. 381. VI. Formen der Rechtsgeſchäfte (Locus regit actum).
jedoch verſchiedene Formen. In allen Fällen ſolcher Art entſteht nun die Frage, welches örtliche Recht auf ein be- ſtimmtes Rechtsgeſchäft, in Beziehung auf deſſen Form, anwendbar iſt; daraus allein wird in vielen Fällen die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Geſchäfts zu erkennen ſeyn.
Faſſen wir dieſe Frage von dem allgemeinen Stand- punkt auf, von welchem aus die ganze bisherige Unter- ſuchung geführt worden iſt, ſo können wir über die Ant- wort kaum zweifelhaft ſeyn. Wir müſſen, ſo ſcheint es, die erforderliche Form nach demjenigen örtlichen Recht ab- meſſen, dem das Rechtsgeſchäft überhaupt nach den bisher aufgeſtellten Regeln unterworfen iſt. Demnächſt müßten Verträge geſchloſſen werden nach den geſetzlichen Formen des verabredeten Erfüllungsortes, Teſtamente errichtet nach den Formen, die im Wohnſitz des Teſtators gelten, Ehen geſchloſſen nach den im Wohnſitz des Ehemannes vorge- ſchriebenen Formen. Die Beobachtung dieſer Regel hat auch weder Zweifel, noch Schwierigkeit, wenn das Rechts- geſchäft gerade an dieſen Orten zu Stande kommt. Allein es geſchieht ſehr oft, daß die Gründung des Geſchäfts an einem ganz anderen, vielleicht weit entfernten, Orte vorge- nommen wird, und dieſer Umſtand kann die größten Schwierigkeiten zur Folge haben.
An dem Orte, wo das Rechtsgeſchäft zu Stande kommen ſoll, wird es oft ſehr ſchwer ſeyn, die geſetzlichen Formen jenes anderen, eigentlich maaßgebenden, Ortes mit Sicher- heit zu erfahren, oder, wenn man ſie kennt, zur Anwen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0371"n="349"/><fwplace="top"type="header">§. 381. <hirendition="#aq">VI.</hi> Formen der Rechtsgeſchäfte (<hirendition="#aq">Locus regit actum</hi>).</fw><lb/>
jedoch verſchiedene Formen. In allen Fällen ſolcher Art<lb/>
entſteht nun die Frage, welches örtliche Recht auf ein be-<lb/>ſtimmtes Rechtsgeſchäft, in Beziehung auf deſſen Form,<lb/>
anwendbar iſt; daraus allein wird in vielen Fällen die<lb/>
Gültigkeit oder Ungültigkeit des Geſchäfts zu erkennen ſeyn.</p><lb/><p>Faſſen wir dieſe Frage von dem allgemeinen Stand-<lb/>
punkt auf, von welchem aus die ganze bisherige Unter-<lb/>ſuchung geführt worden iſt, ſo können wir über die Ant-<lb/>
wort kaum zweifelhaft ſeyn. Wir müſſen, ſo ſcheint es,<lb/>
die erforderliche Form nach demjenigen örtlichen Recht ab-<lb/>
meſſen, dem das Rechtsgeſchäft überhaupt nach den bisher<lb/>
aufgeſtellten Regeln unterworfen iſt. Demnächſt müßten<lb/>
Verträge geſchloſſen werden nach den geſetzlichen Formen<lb/>
des verabredeten Erfüllungsortes, Teſtamente errichtet nach<lb/>
den Formen, die im Wohnſitz des Teſtators gelten, Ehen<lb/>
geſchloſſen nach den im Wohnſitz des Ehemannes vorge-<lb/>ſchriebenen Formen. Die Beobachtung dieſer Regel hat<lb/>
auch weder Zweifel, noch Schwierigkeit, wenn das Rechts-<lb/>
geſchäft gerade an dieſen Orten zu Stande kommt. Allein<lb/>
es geſchieht ſehr oft, daß die Gründung des Geſchäfts an<lb/>
einem ganz anderen, vielleicht weit entfernten, Orte vorge-<lb/>
nommen wird, und dieſer Umſtand kann die größten<lb/>
Schwierigkeiten zur Folge haben.</p><lb/><p>An dem Orte, wo das Rechtsgeſchäft zu Stande kommen<lb/>ſoll, wird es oft ſehr ſchwer ſeyn, die geſetzlichen Formen<lb/>
jenes anderen, eigentlich maaßgebenden, Ortes mit Sicher-<lb/>
heit zu erfahren, oder, wenn man ſie kennt, zur Anwen-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[349/0371]
§. 381. VI. Formen der Rechtsgeſchäfte (Locus regit actum).
jedoch verſchiedene Formen. In allen Fällen ſolcher Art
entſteht nun die Frage, welches örtliche Recht auf ein be-
ſtimmtes Rechtsgeſchäft, in Beziehung auf deſſen Form,
anwendbar iſt; daraus allein wird in vielen Fällen die
Gültigkeit oder Ungültigkeit des Geſchäfts zu erkennen ſeyn.
Faſſen wir dieſe Frage von dem allgemeinen Stand-
punkt auf, von welchem aus die ganze bisherige Unter-
ſuchung geführt worden iſt, ſo können wir über die Ant-
wort kaum zweifelhaft ſeyn. Wir müſſen, ſo ſcheint es,
die erforderliche Form nach demjenigen örtlichen Recht ab-
meſſen, dem das Rechtsgeſchäft überhaupt nach den bisher
aufgeſtellten Regeln unterworfen iſt. Demnächſt müßten
Verträge geſchloſſen werden nach den geſetzlichen Formen
des verabredeten Erfüllungsortes, Teſtamente errichtet nach
den Formen, die im Wohnſitz des Teſtators gelten, Ehen
geſchloſſen nach den im Wohnſitz des Ehemannes vorge-
ſchriebenen Formen. Die Beobachtung dieſer Regel hat
auch weder Zweifel, noch Schwierigkeit, wenn das Rechts-
geſchäft gerade an dieſen Orten zu Stande kommt. Allein
es geſchieht ſehr oft, daß die Gründung des Geſchäfts an
einem ganz anderen, vielleicht weit entfernten, Orte vorge-
nommen wird, und dieſer Umſtand kann die größten
Schwierigkeiten zur Folge haben.
An dem Orte, wo das Rechtsgeſchäft zu Stande kommen
ſoll, wird es oft ſehr ſchwer ſeyn, die geſetzlichen Formen
jenes anderen, eigentlich maaßgebenden, Ortes mit Sicher-
heit zu erfahren, oder, wenn man ſie kennt, zur Anwen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/371>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.