Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.§. 387. A. Erwerb der Rechte. Grundsatz. (Forts.) die Voraussetzung, die Römischen Gesetzgeber hätten sichüber die Natur der Sache völlig getäuscht, nicht durch die Annahme, sie hätten absichtlich neues, positives Recht vor- schreiben wollen. -- Uebrigens schlägt Bergmann wesentlich dasselbe Verfahren ein, wie Weber. Dieser steht, wie schon bemerkt, ohne es sich recht deutlich zu machen, unter dem Einfluß der L. 27 C. de usuris; eben so Bergmann unter dem Einfluß von zwei Novellen Justinian's (N. 66 und N. 22 C. 1). Unter dem falschen Schein eines kritisch-historischen Verfahrens bildet er aus einigen allgemeinen Redensarten dieser Novellen, und aus sehr willkürlichen Vorschriften derselben, eine allgemeine Theorie der erlaubten und uner- laubten rückwirkenden Kraft der Gesetze aus, unter der ganz unkritischen stillschweigenden Voraussetzung, Justinian habe in diese Novellen eine solche Theorie niederlegen wol- len, sie sollten also den allgemeinen Maaßstab abgeben für die Anwendung neuer Gesetze überhaupt. Struve endlich zeichnet sich nicht aus durch eine be- §. 387. A. Erwerb der Rechte. Grundſatz. (Fortſ.) die Vorausſetzung, die Römiſchen Geſetzgeber hätten ſichüber die Natur der Sache völlig getäuſcht, nicht durch die Annahme, ſie hätten abſichtlich neues, poſitives Recht vor- ſchreiben wollen. — Uebrigens ſchlägt Bergmann weſentlich daſſelbe Verfahren ein, wie Weber. Dieſer ſteht, wie ſchon bemerkt, ohne es ſich recht deutlich zu machen, unter dem Einfluß der L. 27 C. de usuris; eben ſo Bergmann unter dem Einfluß von zwei Novellen Juſtinian’s (N. 66 und N. 22 C. 1). Unter dem falſchen Schein eines kritiſch-hiſtoriſchen Verfahrens bildet er aus einigen allgemeinen Redensarten dieſer Novellen, und aus ſehr willkürlichen Vorſchriften derſelben, eine allgemeine Theorie der erlaubten und uner- laubten rückwirkenden Kraft der Geſetze aus, unter der ganz unkritiſchen ſtillſchweigenden Vorausſetzung, Juſtinian habe in dieſe Novellen eine ſolche Theorie niederlegen wol- len, ſie ſollten alſo den allgemeinen Maaßſtab abgeben für die Anwendung neuer Geſetze überhaupt. Struve endlich zeichnet ſich nicht aus durch eine be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0427" n="405"/><fw place="top" type="header">§. 387. <hi rendition="#aq">A.</hi> Erwerb der Rechte. Grundſatz. (Fortſ.)</fw><lb/> die Vorausſetzung, die Römiſchen Geſetzgeber hätten ſich<lb/> über die Natur der Sache völlig getäuſcht, nicht durch die<lb/> Annahme, ſie hätten abſichtlich neues, poſitives Recht vor-<lb/> ſchreiben wollen. — Uebrigens ſchlägt Bergmann weſentlich<lb/> daſſelbe Verfahren ein, wie Weber. Dieſer ſteht, wie ſchon<lb/> bemerkt, ohne es ſich recht deutlich zu machen, unter dem<lb/> Einfluß der <hi rendition="#aq">L. 27 C. de usuris;</hi> eben ſo Bergmann unter<lb/> dem Einfluß von zwei Novellen Juſtinian’s (<hi rendition="#aq">N.</hi> 66 und <hi rendition="#aq">N. 22<lb/> C.</hi> 1). Unter dem falſchen Schein eines kritiſch-hiſtoriſchen<lb/> Verfahrens bildet er aus einigen allgemeinen Redensarten<lb/> dieſer Novellen, und aus ſehr willkürlichen Vorſchriften<lb/> derſelben, eine allgemeine Theorie der erlaubten und uner-<lb/> laubten rückwirkenden Kraft der Geſetze aus, unter der<lb/> ganz unkritiſchen ſtillſchweigenden Vorausſetzung, Juſtinian<lb/> habe in dieſe Novellen eine ſolche Theorie niederlegen wol-<lb/> len, ſie ſollten alſo den allgemeinen Maaßſtab abgeben für<lb/> die Anwendung neuer Geſetze überhaupt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Struve</hi> endlich zeichnet ſich nicht aus durch eine be-<lb/> ſondere Auffaſſung der rückwirkenden Kraft überhaupt, in-<lb/> dem er hierin vielmehr von der Auffaſſung Anderer mehr<lb/> im Ausdruck, als im Weſen, abweicht. Dagegen ſteht er<lb/> ganz allein in der Behauptung, daß die Regeln über die<lb/> Anwendung neuer Geſetze auf Vergangenheit und Zukunft<lb/> ausſchließend aus der vom Richter zu erkennenden Natur<lb/> der Sache, niemals aus poſitiven Geſetzen, hergenommen<lb/> werden dürften. Jeder Verſuch, dieſen Gegenſtand geſetz-<lb/> lich zu regeln, ſoll gänzlich nichtig ſein, und vom Richter<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [405/0427]
§. 387. A. Erwerb der Rechte. Grundſatz. (Fortſ.)
die Vorausſetzung, die Römiſchen Geſetzgeber hätten ſich
über die Natur der Sache völlig getäuſcht, nicht durch die
Annahme, ſie hätten abſichtlich neues, poſitives Recht vor-
ſchreiben wollen. — Uebrigens ſchlägt Bergmann weſentlich
daſſelbe Verfahren ein, wie Weber. Dieſer ſteht, wie ſchon
bemerkt, ohne es ſich recht deutlich zu machen, unter dem
Einfluß der L. 27 C. de usuris; eben ſo Bergmann unter
dem Einfluß von zwei Novellen Juſtinian’s (N. 66 und N. 22
C. 1). Unter dem falſchen Schein eines kritiſch-hiſtoriſchen
Verfahrens bildet er aus einigen allgemeinen Redensarten
dieſer Novellen, und aus ſehr willkürlichen Vorſchriften
derſelben, eine allgemeine Theorie der erlaubten und uner-
laubten rückwirkenden Kraft der Geſetze aus, unter der
ganz unkritiſchen ſtillſchweigenden Vorausſetzung, Juſtinian
habe in dieſe Novellen eine ſolche Theorie niederlegen wol-
len, ſie ſollten alſo den allgemeinen Maaßſtab abgeben für
die Anwendung neuer Geſetze überhaupt.
Struve endlich zeichnet ſich nicht aus durch eine be-
ſondere Auffaſſung der rückwirkenden Kraft überhaupt, in-
dem er hierin vielmehr von der Auffaſſung Anderer mehr
im Ausdruck, als im Weſen, abweicht. Dagegen ſteht er
ganz allein in der Behauptung, daß die Regeln über die
Anwendung neuer Geſetze auf Vergangenheit und Zukunft
ausſchließend aus der vom Richter zu erkennenden Natur
der Sache, niemals aus poſitiven Geſetzen, hergenommen
werden dürften. Jeder Verſuch, dieſen Gegenſtand geſetz-
lich zu regeln, ſoll gänzlich nichtig ſein, und vom Richter
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