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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
wären; die Zeit der früheren Versäumniß wird nicht
gerechnet.

Ein merkwürdiges Beispiel dieser letzten Art finden wir
im Römischen Recht. Lange Zeit waren hier die meisten
und wichtigsten Klagen ohne alle Verjährung, perpetuae
actiones
im strengsten Sinne des Worts. K. Theodosius II.
führte für alle diese Klagen die Verjährung ein, welche in
der Regel dreißig Jahre dauern soll. Nach dem so eben
aufgestellten Grundsatz hätten die damals bereits laufenden
Klagrechte erst nach dreißig Jahren erlöschen müssen. Der
Kaiser aber gab seinem Gesetz theilweise rückwirkende Kraft,
dergestalt, daß auch die vergangene Zeit mit eingerechnet
werden sollte; jedoch sollte der Klagberechtigte in keinem
Fall weniger, als zehen Jahre, von dem neuen Gesetze an,
Zeit haben, um die früher entstandene Klage noch mit Er-
folg anzustellen (c). Als Justinian dieses Gesetz in den
Codex aufnahm, ließ er natürlich diese transitorische Be-
stimmung weg (d), die seit etwa hundert Jahren ihre
Wirksamkeit von selbst verloren hatte.

3. Wird eine Art der Unterbrechung, die bisher zu-
lässig war, aufgehoben, oder umgekehrt eine neue Art der

(c) L. un. § 5 C. Th. de
act. certo temp.
(4. 14). Ein
dringendes Bedürfniß zu dieser
Abweichung von dem Grundsatz
war wohl nicht zu behaupten. Ei-
nige Rechtfertigung liegt darin,
daß unter die Gründe der Klag-
verjährung auch die Präsumtion
der Tilgung gehört (s. o. B. 5
§ 237). Diese Präsumtion aber
hat Realität auch für die vor dem
Erlaß des Verjährungsgesetzes
abgelaufene Zeit der unterlassenen
Klage.
(d) L. 3 C. de praescr.
XXX.
(7. 39).

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
wären; die Zeit der früheren Verſäumniß wird nicht
gerechnet.

Ein merkwürdiges Beiſpiel dieſer letzten Art finden wir
im Römiſchen Recht. Lange Zeit waren hier die meiſten
und wichtigſten Klagen ohne alle Verjährung, perpetuae
actiones
im ſtrengſten Sinne des Worts. K. Theodoſius II.
führte für alle dieſe Klagen die Verjährung ein, welche in
der Regel dreißig Jahre dauern ſoll. Nach dem ſo eben
aufgeſtellten Grundſatz hätten die damals bereits laufenden
Klagrechte erſt nach dreißig Jahren erlöſchen müſſen. Der
Kaiſer aber gab ſeinem Geſetz theilweiſe rückwirkende Kraft,
dergeſtalt, daß auch die vergangene Zeit mit eingerechnet
werden ſollte; jedoch ſollte der Klagberechtigte in keinem
Fall weniger, als zehen Jahre, von dem neuen Geſetze an,
Zeit haben, um die früher entſtandene Klage noch mit Er-
folg anzuſtellen (c). Als Juſtinian dieſes Geſetz in den
Codex aufnahm, ließ er natürlich dieſe tranſitoriſche Be-
ſtimmung weg (d), die ſeit etwa hundert Jahren ihre
Wirkſamkeit von ſelbſt verloren hatte.

3. Wird eine Art der Unterbrechung, die bisher zu-
läſſig war, aufgehoben, oder umgekehrt eine neue Art der

(c) L. un. § 5 C. Th. de
act. certo temp.
(4. 14). Ein
dringendes Bedürfniß zu dieſer
Abweichung von dem Grundſatz
war wohl nicht zu behaupten. Ei-
nige Rechtfertigung liegt darin,
daß unter die Gründe der Klag-
verjährung auch die Präſumtion
der Tilgung gehört (ſ. o. B. 5
§ 237). Dieſe Präſumtion aber
hat Realität auch für die vor dem
Erlaß des Verjährungsgeſetzes
abgelaufene Zeit der unterlaſſenen
Klage.
(d) L. 3 C. de praescr.
XXX.
(7. 39).
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[430/0452] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. wären; die Zeit der früheren Verſäumniß wird nicht gerechnet. Ein merkwürdiges Beiſpiel dieſer letzten Art finden wir im Römiſchen Recht. Lange Zeit waren hier die meiſten und wichtigſten Klagen ohne alle Verjährung, perpetuae actiones im ſtrengſten Sinne des Worts. K. Theodoſius II. führte für alle dieſe Klagen die Verjährung ein, welche in der Regel dreißig Jahre dauern ſoll. Nach dem ſo eben aufgeſtellten Grundſatz hätten die damals bereits laufenden Klagrechte erſt nach dreißig Jahren erlöſchen müſſen. Der Kaiſer aber gab ſeinem Geſetz theilweiſe rückwirkende Kraft, dergeſtalt, daß auch die vergangene Zeit mit eingerechnet werden ſollte; jedoch ſollte der Klagberechtigte in keinem Fall weniger, als zehen Jahre, von dem neuen Geſetze an, Zeit haben, um die früher entſtandene Klage noch mit Er- folg anzuſtellen (c). Als Juſtinian dieſes Geſetz in den Codex aufnahm, ließ er natürlich dieſe tranſitoriſche Be- ſtimmung weg (d), die ſeit etwa hundert Jahren ihre Wirkſamkeit von ſelbſt verloren hatte. 3. Wird eine Art der Unterbrechung, die bisher zu- läſſig war, aufgehoben, oder umgekehrt eine neue Art der (c) L. un. § 5 C. Th. de act. certo temp. (4. 14). Ein dringendes Bedürfniß zu dieſer Abweichung von dem Grundſatz war wohl nicht zu behaupten. Ei- nige Rechtfertigung liegt darin, daß unter die Gründe der Klag- verjährung auch die Präſumtion der Tilgung gehört (ſ. o. B. 5 § 237). Dieſe Präſumtion aber hat Realität auch für die vor dem Erlaß des Verjährungsgeſetzes abgelaufene Zeit der unterlaſſenen Klage. (d) L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/452>, abgerufen am 22.11.2024.