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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
man ihm gestatten wollte, den neuen Zeitraum mit Ein-
rechnung der schon abgelaufenen Zeit zu benutzen, da nun
der Gegner weder die von dem alten, noch die von dem
neuen Gesetz verstattete Frist zur Thätigkeit vollständig ge-
nießen würde. Es könnte sogar die widersinnige Folge
eintreten, daß die Klagverjährung im Augenblick, wo das
neue Gesetz erscheint, sofort vollendet wäre (f).

Die hier aufgestellten Grundsätze haben vollständige
Anerkennung erhalten in der Preußischen Gesetzgebung.
Das Einführungspatent des Landrechts enthält nämlich im
§ 17 folgende drei Bestimmungen. Die vor dieser Zeit
abgelaufenen Verjährungen sind nach den alten Gesetzen zu
beurtheilen; die jetzt laufenden nach dem Landrecht; die letzte
Bestimmung aber erhält folgende Einschränkung:
Sollte jedoch zur Vollendung einer schon vor dem
1. Jun. 1794 angefangenen Verjährung in dem
neuen Landrechte eine kürzere Frist, als nach bis-
herigen Gesetzen, vorgeschrieben seyn: so kann Der-

(f) So z. B. wenn ein Klag-
recht, für welches die Verjährung
von dreißig Jahren gilt, schon zehen
Jahre lang unbenutzt besteht, und
nun ein neues Gesetz erscheint,
welches für Rechtsverhältnisse die-
ser Art eine dreijährige Verjährung
vorschreibt. -- Bergmann will
S. 36 nach der Natur der Sache
eine proportionelle Rechnung ein-
treten lassen; nach dieser müßte in
dem so eben eingeführten Fall, in
welchem ein Drittheil der alten
Verjährung abgelaufen war, auch
in der neu anfangenden dreijähri-
gen Verjährung ein Drittheil als
abgelaufen angenommen werden,
so daß noch zwei Jahre übrig
wären. Diese verwickelte Behand-
lung ist weder grundsätzlich für
das bestehende Recht zu behaupten,
noch als positive Vorschrift zu
empfehlen.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
man ihm geſtatten wollte, den neuen Zeitraum mit Ein-
rechnung der ſchon abgelaufenen Zeit zu benutzen, da nun
der Gegner weder die von dem alten, noch die von dem
neuen Geſetz verſtattete Friſt zur Thätigkeit vollſtändig ge-
nießen würde. Es könnte ſogar die widerſinnige Folge
eintreten, daß die Klagverjährung im Augenblick, wo das
neue Geſetz erſcheint, ſofort vollendet wäre (f).

Die hier aufgeſtellten Grundſätze haben vollſtändige
Anerkennung erhalten in der Preußiſchen Geſetzgebung.
Das Einführungspatent des Landrechts enthält nämlich im
§ 17 folgende drei Beſtimmungen. Die vor dieſer Zeit
abgelaufenen Verjährungen ſind nach den alten Geſetzen zu
beurtheilen; die jetzt laufenden nach dem Landrecht; die letzte
Beſtimmung aber erhält folgende Einſchränkung:
Sollte jedoch zur Vollendung einer ſchon vor dem
1. Jun. 1794 angefangenen Verjährung in dem
neuen Landrechte eine kürzere Friſt, als nach bis-
herigen Geſetzen, vorgeſchrieben ſeyn: ſo kann Der-

(f) So z. B. wenn ein Klag-
recht, für welches die Verjährung
von dreißig Jahren gilt, ſchon zehen
Jahre lang unbenutzt beſteht, und
nun ein neues Geſetz erſcheint,
welches für Rechtsverhältniſſe die-
ſer Art eine dreijährige Verjährung
vorſchreibt. — Bergmann will
S. 36 nach der Natur der Sache
eine proportionelle Rechnung ein-
treten laſſen; nach dieſer müßte in
dem ſo eben eingeführten Fall, in
welchem ein Drittheil der alten
Verjährung abgelaufen war, auch
in der neu anfangenden dreijähri-
gen Verjährung ein Drittheil als
abgelaufen angenommen werden,
ſo daß noch zwei Jahre übrig
wären. Dieſe verwickelte Behand-
lung iſt weder grundſätzlich für
das beſtehende Recht zu behaupten,
noch als poſitive Vorſchrift zu
empfehlen.
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[432/0454] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. man ihm geſtatten wollte, den neuen Zeitraum mit Ein- rechnung der ſchon abgelaufenen Zeit zu benutzen, da nun der Gegner weder die von dem alten, noch die von dem neuen Geſetz verſtattete Friſt zur Thätigkeit vollſtändig ge- nießen würde. Es könnte ſogar die widerſinnige Folge eintreten, daß die Klagverjährung im Augenblick, wo das neue Geſetz erſcheint, ſofort vollendet wäre (f). Die hier aufgeſtellten Grundſätze haben vollſtändige Anerkennung erhalten in der Preußiſchen Geſetzgebung. Das Einführungspatent des Landrechts enthält nämlich im § 17 folgende drei Beſtimmungen. Die vor dieſer Zeit abgelaufenen Verjährungen ſind nach den alten Geſetzen zu beurtheilen; die jetzt laufenden nach dem Landrecht; die letzte Beſtimmung aber erhält folgende Einſchränkung: Sollte jedoch zur Vollendung einer ſchon vor dem 1. Jun. 1794 angefangenen Verjährung in dem neuen Landrechte eine kürzere Friſt, als nach bis- herigen Geſetzen, vorgeſchrieben ſeyn: ſo kann Der- (f) So z. B. wenn ein Klag- recht, für welches die Verjährung von dreißig Jahren gilt, ſchon zehen Jahre lang unbenutzt beſteht, und nun ein neues Geſetz erſcheint, welches für Rechtsverhältniſſe die- ſer Art eine dreijährige Verjährung vorſchreibt. — Bergmann will S. 36 nach der Natur der Sache eine proportionelle Rechnung ein- treten laſſen; nach dieſer müßte in dem ſo eben eingeführten Fall, in welchem ein Drittheil der alten Verjährung abgelaufen war, auch in der neu anfangenden dreijähri- gen Verjährung ein Drittheil als abgelaufen angenommen werden, ſo daß noch zwei Jahre übrig wären. Dieſe verwickelte Behand- lung iſt weder grundſätzlich für das beſtehende Recht zu behaupten, noch als poſitive Vorſchrift zu empfehlen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/454>, abgerufen am 22.11.2024.