Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
er schon oben für die Usucapion festgestellt worden ist (§ 391).
Indem wir nun für diesen Fall eines neuen Gesetzes, erlassen nach der Errichtung eines Testaments, aber vor dem Tode des Testators, die Regeln aufsuchen, müssen wir dabei einen zweifachen Zusammenhang dieser Regeln vor Augen behalten. Erstens mit den Regeln, welche oben für die Collisionen des örtlichen Rechts aufgestellt worden sind (§ 377). Zweitens, welches wichtiger und schwieriger ist, mit den Regeln über diejenigen Veränderungen, die, in der Zwischenzeit zwischen dem errichteten Testament und dem Tode, nicht in der Gesetzgebung eintreten, wohl aber in den thatsächlichen Verhältnissen. An sich gehören zu unsrer Aufgabe nur die Veränderungen der ersten Art. Dennoch müssen wir aus mehreren Gründen auch die Veränderun- gen der zweiten Art nicht nur berücksichtigen, sondern selbst durch genaue, in's Einzelne gehende Untersuchung zu durch- forschen nicht scheuen. Wir müssen es, schon wegen der inneren Verwandtschaft, indem beiderlei Veränderungen großentheils nach gleichen Regeln zu beurtheilen sind. Noch mehr aber sind wir dazu genöthigt durch das Verfahren der meisten neueren Schriftsteller, deren Irrthümer großen- theils dadurch entstanden sind, daß sie theils die beiden angegebenen Arten der Veränderungen ohne Unterscheidung vermengen, theils die Regeln des Römischen Rechts über die thatsächlichen Veränderungen unrichtig auffassen.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
er ſchon oben für die Uſucapion feſtgeſtellt worden iſt (§ 391).
Indem wir nun für dieſen Fall eines neuen Geſetzes, erlaſſen nach der Errichtung eines Teſtaments, aber vor dem Tode des Teſtators, die Regeln aufſuchen, müſſen wir dabei einen zweifachen Zuſammenhang dieſer Regeln vor Augen behalten. Erſtens mit den Regeln, welche oben für die Colliſionen des örtlichen Rechts aufgeſtellt worden ſind (§ 377). Zweitens, welches wichtiger und ſchwieriger iſt, mit den Regeln über diejenigen Veränderungen, die, in der Zwiſchenzeit zwiſchen dem errichteten Teſtament und dem Tode, nicht in der Geſetzgebung eintreten, wohl aber in den thatſächlichen Verhältniſſen. An ſich gehören zu unſrer Aufgabe nur die Veränderungen der erſten Art. Dennoch müſſen wir aus mehreren Gründen auch die Veränderun- gen der zweiten Art nicht nur berückſichtigen, ſondern ſelbſt durch genaue, in’s Einzelne gehende Unterſuchung zu durch- forſchen nicht ſcheuen. Wir müſſen es, ſchon wegen der inneren Verwandtſchaft, indem beiderlei Veränderungen großentheils nach gleichen Regeln zu beurtheilen ſind. Noch mehr aber ſind wir dazu genöthigt durch das Verfahren der meiſten neueren Schriftſteller, deren Irrthümer großen- theils dadurch entſtanden ſind, daß ſie theils die beiden angegebenen Arten der Veränderungen ohne Unterſcheidung vermengen, theils die Regeln des Römiſchen Rechts über die thatſächlichen Veränderungen unrichtig auffaſſen.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
er ſchon oben für die Uſucapion feſtgeſtellt worden iſt
(§ 391).
Indem wir nun für dieſen Fall eines neuen Geſetzes,
erlaſſen nach der Errichtung eines Teſtaments, aber vor
dem Tode des Teſtators, die Regeln aufſuchen, müſſen wir
dabei einen zweifachen Zuſammenhang dieſer Regeln vor
Augen behalten. Erſtens mit den Regeln, welche oben für
die Colliſionen des örtlichen Rechts aufgeſtellt worden ſind
(§ 377). Zweitens, welches wichtiger und ſchwieriger iſt,
mit den Regeln über diejenigen Veränderungen, die, in der
Zwiſchenzeit zwiſchen dem errichteten Teſtament und dem
Tode, nicht in der Geſetzgebung eintreten, wohl aber in
den thatſächlichen Verhältniſſen. An ſich gehören zu unſrer
Aufgabe nur die Veränderungen der erſten Art. Dennoch
müſſen wir aus mehreren Gründen auch die Veränderun-
gen der zweiten Art nicht nur berückſichtigen, ſondern ſelbſt
durch genaue, in’s Einzelne gehende Unterſuchung zu durch-
forſchen nicht ſcheuen. Wir müſſen es, ſchon wegen der
inneren Verwandtſchaft, indem beiderlei Veränderungen
großentheils nach gleichen Regeln zu beurtheilen ſind. Noch
mehr aber ſind wir dazu genöthigt durch das Verfahren
der meiſten neueren Schriftſteller, deren Irrthümer großen-
theils dadurch entſtanden ſind, daß ſie theils die beiden
angegebenen Arten der Veränderungen ohne Unterſcheidung
vermengen, theils die Regeln des Römiſchen Rechts über
die thatſächlichen Veränderungen unrichtig auffaſſen.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/472>, abgerufen am 22.11.2024.
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