Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.indem sie in dem von dem ewigen Richter vorgehaltenen Spiegel ihr eigenes hässliches oder schönes Bild und vorangegangenes Leben erblickt. Aehnlich, wie hier dem Gesellen zugerufen wird, wird der Ewige dem Verstorbenen dort zurufen: "Hebe den Vorhang von dem Spiegel und du wirst dich selbst erkennen, dein eigenes Urtheil lesen." Nunmehr könnte daher der dem Maurergesellen vorgehaltene Spiegel auch in dem Sinne gedeutet werden, dass der Geselle sein Leben und seine Seele spiegelrein erhalten und nicht durch das Böse und Unreine verdunkeln möge. Bedenke, dass ein Gott in deinem Leibe wohnt, Und vor Entweihung sei der Tempel stets verschont. singt ein indischer Brahmane oder Rückert. Zufolge dem parsischen Bundehesch, Kap. 31 , werden nach der Auferstehung alle Menschen so rein sein wie ein Spiegel. Auch der baktrische Tschemschid, wie der griechische Dionysos, haben einen Spiegel, in welchem die irdische Welt sich spiegelt, und die täuschenden und eitlen Bilder dieses Spiegels sind es, welche die himmlischen Seelen in das irdische Leben und die irdische Lust verlocken und herabführen. 1) In den dionysischen oder bacchischen Mysterien war daher der Spiegel ein vielgebrauchtes Symbol und wird in Grossgriechenland oder Unteritalien in den Gräbern der Eingeweihten auf Vasen gefunden. Die dionysischen Mysterien sollten und wollten die Eingeweihten aus der eitlen und täuschenden Sinnenwelt in das himmlische Reich und Leben zurückführen und der Spiegel in den Gräbern der Eingeweihten kann wohl nur andeuten, dass sie den Schein und die Täuschung überwunden und das ewige Licht und die Wahrheit wiedergefunden haben. Dem Spiegel, in welchen der Maurergeselle bei dem Beginne seines Wanderlebens blickt, darf mithin auch die Bedeutung beigelegt werden, dass er dem Gesellen eine Warnung sein solle, sich vor Täuschungen und leerem Scheine zu bewahren und stets nur der Stimme des ihn durch das Leben begleitenden guten Genius, dem Gotte 1) Menzel, Odin, S. 42 u. 78; Creuzer, Symbolik, Ill. S. 391 ff., S. 425 ff.
u. S. 500.
indem sie in dem von dem ewigen Richter vorgehaltenen Spiegel ihr eigenes hässliches oder schönes Bild und vorangegangenes Leben erblickt. Aehnlich, wie hier dem Gesellen zugerufen wird, wird der Ewige dem Verstorbenen dort zurufen: „Hebe den Vorhang von dem Spiegel und du wirst dich selbst erkennen, dein eigenes Urtheil lesen.“ Nunmehr könnte daher der dem Maurergesellen vorgehaltene Spiegel auch in dem Sinne gedeutet werden, dass der Geselle sein Leben und seine Seele spiegelrein erhalten und nicht durch das Böse und Unreine verdunkeln möge. Bedenke, dass ein Gott in deinem Leibe wohnt, Und vor Entweihung sei der Tempel stets verschont. singt ein indischer Brahmane oder Rückert. Zufolge dem parsischen Bundehesch, Kap. 31 , werden nach der Auferstehung alle Menschen so rein sein wie ein Spiegel. Auch der baktrische Tschemschid, wie der griechische Dionysos, haben einen Spiegel, in welchem die irdische Welt sich spiegelt, und die täuschenden und eitlen Bilder dieses Spiegels sind es, welche die himmlischen Seelen in das irdische Leben und die irdische Lust verlocken und herabführen. 1) In den dionysischen oder bacchischen Mysterien war daher der Spiegel ein vielgebrauchtes Symbol und wird in Grossgriechenland oder Unteritalien in den Gräbern der Eingeweihten auf Vasen gefunden. Die dionysischen Mysterien sollten und wollten die Eingeweihten aus der eitlen und täuschenden Sinnenwelt in das himmlische Reich und Leben zurückführen und der Spiegel in den Gräbern der Eingeweihten kann wohl nur andeuten, dass sie den Schein und die Täuschung überwunden und das ewige Licht und die Wahrheit wiedergefunden haben. Dem Spiegel, in welchen der Maurergeselle bei dem Beginne seines Wanderlebens blickt, darf mithin auch die Bedeutung beigelegt werden, dass er dem Gesellen eine Warnung sein solle, sich vor Täuschungen und leerem Scheine zu bewahren und stets nur der Stimme des ihn durch das Leben begleitenden guten Genius, dem Gotte 1) Menzel, Odin, S. 42 u. 78; Creuzer, Symbolik, Ill. S. 391 ff., S. 425 ff.
u. S. 500.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="108"/> indem sie in dem von dem ewigen Richter vorgehaltenen Spiegel ihr eigenes hässliches oder schönes Bild und vorangegangenes Leben erblickt. Aehnlich, wie hier dem Gesellen zugerufen wird, wird der Ewige dem Verstorbenen dort zurufen: „Hebe den Vorhang von dem Spiegel und du wirst dich selbst erkennen, dein eigenes Urtheil lesen.“ Nunmehr könnte daher der dem Maurergesellen vorgehaltene Spiegel auch in dem Sinne gedeutet werden, dass der Geselle sein Leben und seine Seele spiegelrein erhalten und nicht durch das Böse und Unreine verdunkeln möge.</p> <cit rendition="#et"> <quote> Bedenke, dass ein Gott in deinem Leibe wohnt, Und vor Entweihung sei der Tempel stets verschont.</quote> </cit> <p> singt ein indischer Brahmane oder Rückert. Zufolge dem parsischen Bundehesch, Kap. 31 , werden nach der Auferstehung alle Menschen so rein sein wie ein Spiegel.</p> <p> Auch der baktrische Tschemschid, wie der griechische Dionysos, haben einen Spiegel, in welchem die irdische Welt sich spiegelt, und die täuschenden und eitlen Bilder dieses Spiegels sind es, welche die himmlischen Seelen in das irdische Leben und die irdische Lust verlocken und herabführen. <note place="foot" n="1)">Menzel, Odin, S. 42 u. 78; Creuzer, Symbolik, Ill. S. 391 ff., S. 425 ff. u. S. 500.</note> In den dionysischen oder bacchischen Mysterien war daher der Spiegel ein vielgebrauchtes Symbol und wird in Grossgriechenland oder Unteritalien in den Gräbern der Eingeweihten auf Vasen gefunden. Die dionysischen Mysterien sollten und wollten die Eingeweihten aus der eitlen und täuschenden Sinnenwelt in das himmlische Reich und Leben zurückführen und der Spiegel in den Gräbern der Eingeweihten kann wohl nur andeuten, dass sie den Schein und die Täuschung überwunden und das ewige Licht und die Wahrheit wiedergefunden haben. Dem Spiegel, in welchen der Maurergeselle bei dem Beginne seines Wanderlebens blickt, darf mithin auch die Bedeutung beigelegt werden, dass er dem Gesellen eine Warnung sein solle, sich vor Täuschungen und leerem Scheine zu bewahren und stets nur der Stimme des ihn durch das Leben begleitenden guten Genius, dem Gotte </p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0124]
indem sie in dem von dem ewigen Richter vorgehaltenen Spiegel ihr eigenes hässliches oder schönes Bild und vorangegangenes Leben erblickt. Aehnlich, wie hier dem Gesellen zugerufen wird, wird der Ewige dem Verstorbenen dort zurufen: „Hebe den Vorhang von dem Spiegel und du wirst dich selbst erkennen, dein eigenes Urtheil lesen.“ Nunmehr könnte daher der dem Maurergesellen vorgehaltene Spiegel auch in dem Sinne gedeutet werden, dass der Geselle sein Leben und seine Seele spiegelrein erhalten und nicht durch das Böse und Unreine verdunkeln möge.
Bedenke, dass ein Gott in deinem Leibe wohnt, Und vor Entweihung sei der Tempel stets verschont. singt ein indischer Brahmane oder Rückert. Zufolge dem parsischen Bundehesch, Kap. 31 , werden nach der Auferstehung alle Menschen so rein sein wie ein Spiegel.
Auch der baktrische Tschemschid, wie der griechische Dionysos, haben einen Spiegel, in welchem die irdische Welt sich spiegelt, und die täuschenden und eitlen Bilder dieses Spiegels sind es, welche die himmlischen Seelen in das irdische Leben und die irdische Lust verlocken und herabführen. 1) In den dionysischen oder bacchischen Mysterien war daher der Spiegel ein vielgebrauchtes Symbol und wird in Grossgriechenland oder Unteritalien in den Gräbern der Eingeweihten auf Vasen gefunden. Die dionysischen Mysterien sollten und wollten die Eingeweihten aus der eitlen und täuschenden Sinnenwelt in das himmlische Reich und Leben zurückführen und der Spiegel in den Gräbern der Eingeweihten kann wohl nur andeuten, dass sie den Schein und die Täuschung überwunden und das ewige Licht und die Wahrheit wiedergefunden haben. Dem Spiegel, in welchen der Maurergeselle bei dem Beginne seines Wanderlebens blickt, darf mithin auch die Bedeutung beigelegt werden, dass er dem Gesellen eine Warnung sein solle, sich vor Täuschungen und leerem Scheine zu bewahren und stets nur der Stimme des ihn durch das Leben begleitenden guten Genius, dem Gotte
1) Menzel, Odin, S. 42 u. 78; Creuzer, Symbolik, Ill. S. 391 ff., S. 425 ff. u. S. 500.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-14T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-08-14T13:44:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |