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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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Leben stellten sich die Essäer als den edelsten Kampf vor, der allein durch Entsagung, Mässigkeit und Reinheit glücklich gekämpft werden könne und wobei man die Bienen zum Vorbilde nehmen solle, denn die Bienen sind der Geist in der Materie, sie wachen und wehren; sie entwinden sich der Materie, sie meiden Alles, was hernieder zieht und beschwert. Die Seelen, die ein gerechtes Leben zu führen gesinnet sind, die wieder zurückkehren wollen, nachdem sie Werke gethan, die Gott gefallen, sind Bienen, indem sie gleich denselben heimathliebend, streitend, strebend, weise, rein sind. Das Werk der Bienen, der Honig, sänftigt, gibt Ruhe und Schlaf, erhält, macht das Auge gesund und hell; aber er löset auch auf und wiegt in den Tod ein. Darum oder wegen der uralten Lehre, dass der Tod süss und das Leben bitter sei, war der Honig auch das Bild des Todes. Genuss des einfachen Honigs als Nahrungsmittels galt als Zeichen der Enthaltsamkeit und Mässigung bei den Essäern, wie bei den Pythagoräern. Unverkennbar hatten die Essäer die Verfassung und Einrichtung ihres ganzen Bundes dem Bienenstocke nachgebildet, wollten unter den Menschen sein, was unter den Thieren die Bienen sind. Philo sagt von den Essäern: "Nachdem sie an die heiligen Orte gekommen, welche man Synagogen1) nennt, setzen sich die Jünger in Abtheilungen dem Alter nach nieder und verhalten sich mit gebührendem Anstand als Zuhörer. Als dann nimmt der Eine die Bibel und liest daraus vor; ein Anderer von den Erfahrensten liest schwer verständliche Stellen vor und geht sie durch; denn sie philosophiren meistens in einer sehr alten Bildersprache. Sie unterrichten sich in der Religion, Gerechtigkeit, Haushaltung, in der Wissenschaft des wahrhaft Guten, Bösen und Gleichgültigen, in der Kenntniss, das Beste zu wählen und das Entgegengesetzte zu fliehen. Hierbei bedienen sie sich einer dreifachen Grundbestimmung und Grundregel: der Gottliebe, der Tugendliebe und der Menschenliebe." 2

1) Eigentlich Seimneion.
2 Vergl. über die heidnischen Essener [fremdsprachliches Material], besonders zu Ephesus, und über die jüdischen Essner und Therapeuten auch Creuzer, Syrnbolik, IV. S. 363, 364, 382, 391 und S. 404 ff.

Leben stellten sich die Essäer als den edelsten Kampf vor, der allein durch Entsagung, Mässigkeit und Reinheit glücklich gekämpft werden könne und wobei man die Bienen zum Vorbilde nehmen solle, denn die Bienen sind der Geist in der Materie, sie wachen und wehren; sie entwinden sich der Materie, sie meiden Alles, was hernieder zieht und beschwert. Die Seelen, die ein gerechtes Leben zu führen gesinnet sind, die wieder zurückkehren wollen, nachdem sie Werke gethan, die Gott gefallen, sind Bienen, indem sie gleich denselben heimathliebend, streitend, strebend, weise, rein sind. Das Werk der Bienen, der Honig, sänftigt, gibt Ruhe und Schlaf, erhält, macht das Auge gesund und hell; aber er löset auch auf und wiegt in den Tod ein. Darum oder wegen der uralten Lehre, dass der Tod süss und das Leben bitter sei, war der Honig auch das Bild des Todes. Genuss des einfachen Honigs als Nahrungsmittels galt als Zeichen der Enthaltsamkeit und Mässigung bei den Essäern, wie bei den Pythagoräern. Unverkennbar hatten die Essäer die Verfassung und Einrichtung ihres ganzen Bundes dem Bienenstocke nachgebildet, wollten unter den Menschen sein, was unter den Thieren die Bienen sind. Philo sagt von den Essäern: „Nachdem sie an die heiligen Orte gekommen, welche man Synagogen1) nennt, setzen sich die Jünger in Abtheilungen dem Alter nach nieder und verhalten sich mit gebührendem Anstand als Zuhörer. Als dann nimmt der Eine die Bibel und liest daraus vor; ein Anderer von den Erfahrensten liest schwer verständliche Stellen vor und geht sie durch; denn sie philosophiren meistens in einer sehr alten Bildersprache. Sie unterrichten sich in der Religion, Gerechtigkeit, Haushaltung, in der Wissenschaft des wahrhaft Guten, Bösen und Gleichgültigen, in der Kenntniss, das Beste zu wählen und das Entgegengesetzte zu fliehen. Hierbei bedienen sie sich einer dreifachen Grundbestimmung und Grundregel: der Gottliebe, der Tugendliebe und der Menschenliebe.“ 2

1) Eigentlich Seimneion.
2 Vergl. über die heidnischen Essener [fremdsprachliches Material], besonders zu Ephesus, und über die jüdischen Essner und Therapeuten auch Creuzer, Syrnbolik, IV. S. 363, 364, 382, 391 und S. 404 ff.
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 durch Entsagung, Mässigkeit und Reinheit glücklich gekämpft werden könne und wobei man die Bienen
 zum Vorbilde nehmen solle, denn die Bienen sind der Geist in der Materie, sie wachen und wehren; sie
 entwinden sich der Materie, sie meiden Alles, was hernieder zieht und beschwert. Die Seelen, die ein
 gerechtes Leben zu führen gesinnet sind, die wieder zurückkehren wollen, nachdem sie Werke gethan,
 die Gott gefallen, sind Bienen, indem sie gleich denselben heimathliebend, streitend, strebend,
 weise, rein sind. Das Werk der Bienen, der Honig, sänftigt, gibt Ruhe und Schlaf, erhält, macht das
 Auge gesund und hell; aber er löset auch auf und wiegt in den Tod ein. Darum oder wegen der uralten
 Lehre, dass der Tod süss und das Leben bitter sei, war der Honig auch das Bild des Todes. Genuss des
 einfachen Honigs als Nahrungsmittels galt als Zeichen der Enthaltsamkeit und Mässigung bei den
 Essäern, wie bei den Pythagoräern. Unverkennbar hatten die Essäer die Verfassung und Einrichtung
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 Alter nach nieder und verhalten sich mit gebührendem Anstand als Zuhörer. Als dann nimmt der Eine
 die Bibel und liest daraus vor; ein Anderer von den Erfahrensten liest schwer verständliche Stellen
 vor und geht sie durch; denn sie philosophiren meistens in einer sehr alten Bildersprache. Sie
 unterrichten sich in der Religion, Gerechtigkeit, Haushaltung, in der Wissenschaft des wahrhaft
 Guten, Bösen und Gleichgültigen, in der Kenntniss, das Beste zu wählen und das Entgegengesetzte zu
 fliehen. Hierbei bedienen sie sich einer dreifachen Grundbestimmung und Grundregel: der Gottliebe,
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[553/0569] Leben stellten sich die Essäer als den edelsten Kampf vor, der allein durch Entsagung, Mässigkeit und Reinheit glücklich gekämpft werden könne und wobei man die Bienen zum Vorbilde nehmen solle, denn die Bienen sind der Geist in der Materie, sie wachen und wehren; sie entwinden sich der Materie, sie meiden Alles, was hernieder zieht und beschwert. Die Seelen, die ein gerechtes Leben zu führen gesinnet sind, die wieder zurückkehren wollen, nachdem sie Werke gethan, die Gott gefallen, sind Bienen, indem sie gleich denselben heimathliebend, streitend, strebend, weise, rein sind. Das Werk der Bienen, der Honig, sänftigt, gibt Ruhe und Schlaf, erhält, macht das Auge gesund und hell; aber er löset auch auf und wiegt in den Tod ein. Darum oder wegen der uralten Lehre, dass der Tod süss und das Leben bitter sei, war der Honig auch das Bild des Todes. Genuss des einfachen Honigs als Nahrungsmittels galt als Zeichen der Enthaltsamkeit und Mässigung bei den Essäern, wie bei den Pythagoräern. Unverkennbar hatten die Essäer die Verfassung und Einrichtung ihres ganzen Bundes dem Bienenstocke nachgebildet, wollten unter den Menschen sein, was unter den Thieren die Bienen sind. Philo sagt von den Essäern: „Nachdem sie an die heiligen Orte gekommen, welche man Synagogen 1) nennt, setzen sich die Jünger in Abtheilungen dem Alter nach nieder und verhalten sich mit gebührendem Anstand als Zuhörer. Als dann nimmt der Eine die Bibel und liest daraus vor; ein Anderer von den Erfahrensten liest schwer verständliche Stellen vor und geht sie durch; denn sie philosophiren meistens in einer sehr alten Bildersprache. Sie unterrichten sich in der Religion, Gerechtigkeit, Haushaltung, in der Wissenschaft des wahrhaft Guten, Bösen und Gleichgültigen, in der Kenntniss, das Beste zu wählen und das Entgegengesetzte zu fliehen. Hierbei bedienen sie sich einer dreifachen Grundbestimmung und Grundregel: der Gottliebe, der Tugendliebe und der Menschenliebe.“ 2 1) Eigentlich Seimneion. 2 Vergl. über die heidnischen Essener _ , besonders zu Ephesus, und über die jüdischen Essner und Therapeuten auch Creuzer, Syrnbolik, IV. S. 363, 364, 382, 391 und S. 404 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/569>, abgerufen am 25.11.2024.