Derselbe Foridoddin Attar, welcher nach Einigen im J. 1331, nach Andern 1327 oder 1318 verstarb,
trägt in seinem Dschauhar Odsat, S. 139, das Bild der neu-platonischen Symbolik, wornach der in die
Erscheinungswelt gefallene Mensch mit dem eitelen Narciss verglichen wird, der an seinem
Schattenbild im Bach trunken wurde, in folgender Fabel von dem Fuchse vor:
Du (der Mensch) bist der Fuchs, der, trotz der List, bethöret, Ins Wasser fiel, wie uns
die Fabel lehret. Behend' ein Fuchs ob Berg und Thal einst rannte, An einen Brunnen
plötzlich er sich wandte. Den Kopf er senkte in den Brunnen nieder, Da schien ein zweiter
Fuchs im Brunnen wieder. Nun thät den Finger an die Nas' er legen. Begann mit jenem Fuchs
Gespräch zu pflegen. Er winkt und grüsst, auch jener grüsset munter, Ei, ei! er spricht,
ich muss zu ihm hinunter! Gern möcht' zu ihm er zum Besuche eilen, Drum stürzt er plump
hinein sich, ohn' Verweilen. Doch als er angelangt im Brunnen unten, Hat keinen Fuchs er
als sich selbst gefunden. Schnell wollt' er gern heraus nun wieder springen, Doch aufwärts
wollt' es nicht so leicht gelingen. Geplätscher macht er viel, und gräulich schreit er Ich
Thor! Er schrie, ich dacht', ich wär' gescheidter! 0 weh! dass ich mich nicht in Acht
genommen! He da! Will Niemand mir zu Hülfe kommen! Doch ach! Hier hilft wohl weder
Schrei'n noch Bitten, Mein Geist ist schier mir aus der Hand geglitten! Wohl viel die
Aeuglein nach dem Rand er wandte, Und viele Seufzer er nach oben sandte; Doch plötzlich
zog das Wasser ihn hinunter, Mit lautem Schrei ging er im Wasser unter. Dem Füchslein du,
o Menschenkind, gar gleich bist, Des Teufels Brunnen der Brunnen dieser Welt ist Im Wasser
sahst dein eignes Schattenbild du, Auf diesen Schatten stürzest du in Hast zu. Wohl dem,
der schnell an's Tageslicht hinaufflieht, Eh' in die Tief' der Strudel ihn hinabzieht.1)
Die Symbolik des Spiegels ist also auch den Szufiten geläufig gewesen, wie z. B. Feridoddin
Attar auch spricht:
Nimmer liess der reine Geist seiner Lust den Zügel, Darum war sein Herze jetzt reiner
Gottesspiegel. 2)
1) Tholuk, a. a. O., S. 273.
2) Tholuk, a. a, O., S. 269.
Derselbe Foridoddin Attar, welcher nach Einigen im J. 1331, nach Andern 1327 oder 1318 verstarb,
trägt in seinem Dschauhar Odsat, S. 139, das Bild der neu-platonischen Symbolik, wornach der in die
Erscheinungswelt gefallene Mensch mit dem eitelen Narciss verglichen wird, der an seinem
Schattenbild im Bach trunken wurde, in folgender Fabel von dem Fuchse vor:
Du (der Mensch) bist der Fuchs, der, trotz der List, bethöret, Ins Wasser fiel, wie uns
die Fabel lehret. Behend’ ein Fuchs ob Berg und Thal einst rannte, An einen Brunnen
plötzlich er sich wandte. Den Kopf er senkte in den Brunnen nieder, Da schien ein zweiter
Fuchs im Brunnen wieder. Nun thät den Finger an die Nas’ er legen. Begann mit jenem Fuchs
Gespräch zu pflegen. Er winkt und grüsst, auch jener grüsset munter, Ei, ei! er spricht,
ich muss zu ihm hinunter! Gern möcht’ zu ihm er zum Besuche eilen, Drum stürzt er plump
hinein sich, ohn’ Verweilen. Doch als er angelangt im Brunnen unten, Hat keinen Fuchs er
als sich selbst gefunden. Schnell wollt’ er gern heraus nun wieder springen, Doch aufwärts
wollt’ es nicht so leicht gelingen. Geplätscher macht er viel, und gräulich schreit er Ich
Thor! Er schrie, ich dacht’, ich wär’ gescheidter! 0 weh! dass ich mich nicht in Acht
genommen! He da! Will Niemand mir zu Hülfe kommen! Doch ach! Hier hilft wohl weder
Schrei’n noch Bitten, Mein Geist ist schier mir aus der Hand geglitten! Wohl viel die
Aeuglein nach dem Rand er wandte, Und viele Seufzer er nach oben sandte; Doch plötzlich
zog das Wasser ihn hinunter, Mit lautem Schrei ging er im Wasser unter. Dem Füchslein du,
o Menschenkind, gar gleich bist, Des Teufels Brunnen der Brunnen dieser Welt ist Im Wasser
sahst dein eignes Schattenbild du, Auf diesen Schatten stürzest du in Hast zu. Wohl dem,
der schnell an’s Tageslicht hinaufflieht, Eh’ in die Tief’ der Strudel ihn hinabzieht.1)
Die Symbolik des Spiegels ist also auch den Szufiten geläufig gewesen, wie z. B. Feridoddin
Attar auch spricht:
Nimmer liess der reine Geist seiner Lust den Zügel, Darum war sein Herze jetzt reiner
Gottesspiegel. 2)
1) Tholuk, a. a. O., S. 273.
2) Tholuk, a. a, O., S. 269.
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trägt in seinem Dschauhar Odsat, S. 139, das Bild der neu-platonischen Symbolik, wornach der in die
Erscheinungswelt gefallene Mensch mit dem eitelen Narciss verglichen wird, der an seinem
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[578/0594]
Derselbe Foridoddin Attar, welcher nach Einigen im J. 1331, nach Andern 1327 oder 1318 verstarb, trägt in seinem Dschauhar Odsat, S. 139, das Bild der neu-platonischen Symbolik, wornach der in die Erscheinungswelt gefallene Mensch mit dem eitelen Narciss verglichen wird, der an seinem Schattenbild im Bach trunken wurde, in folgender Fabel von dem Fuchse vor:
Du (der Mensch) bist der Fuchs, der, trotz der List, bethöret,
Ins Wasser fiel, wie uns die Fabel lehret.
Behend’ ein Fuchs ob Berg und Thal einst rannte,
An einen Brunnen plötzlich er sich wandte.
Den Kopf er senkte in den Brunnen nieder,
Da schien ein zweiter Fuchs im Brunnen wieder.
Nun thät den Finger an die Nas’ er legen.
Begann mit jenem Fuchs Gespräch zu pflegen.
Er winkt und grüsst, auch jener grüsset munter,
Ei, ei! er spricht, ich muss zu ihm hinunter!
Gern möcht’ zu ihm er zum Besuche eilen,
Drum stürzt er plump hinein sich, ohn’ Verweilen.
Doch als er angelangt im Brunnen unten,
Hat keinen Fuchs er als sich selbst gefunden.
Schnell wollt’ er gern heraus nun wieder springen,
Doch aufwärts wollt’ es nicht so leicht gelingen.
Geplätscher macht er viel, und gräulich schreit er
Ich Thor! Er schrie, ich dacht’, ich wär’ gescheidter!
0 weh! dass ich mich nicht in Acht genommen!
He da! Will Niemand mir zu Hülfe kommen!
Doch ach! Hier hilft wohl weder Schrei’n noch Bitten,
Mein Geist ist schier mir aus der Hand geglitten!
Wohl viel die Aeuglein nach dem Rand er wandte,
Und viele Seufzer er nach oben sandte;
Doch plötzlich zog das Wasser ihn hinunter,
Mit lautem Schrei ging er im Wasser unter.
Dem Füchslein du, o Menschenkind, gar gleich bist,
Des Teufels Brunnen der Brunnen dieser Welt ist
Im Wasser sahst dein eignes Schattenbild du,
Auf diesen Schatten stürzest du in Hast zu.
Wohl dem, der schnell an’s Tageslicht hinaufflieht,
Eh’ in die Tief’ der Strudel ihn hinabzieht. 1) Die Symbolik des Spiegels ist also auch den Szufiten geläufig gewesen, wie z. B. Feridoddin Attar auch spricht:
Nimmer liess der reine Geist seiner Lust den Zügel,
Darum war sein Herze jetzt reiner Gottesspiegel. 2)
1) Tholuk, a. a. O., S. 273.
2) Tholuk, a. a, O., S. 269.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/594>, abgerufen am 22.11.2024.
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