Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.dem Genius ein Weinopfer, eine Weinspende darzubringen (funde merum Genio!).1) Der Genius, welchem hier ein Trankopfer dargebracht werden soll, ist nicht etwa der Genius des Neuaufgenommenen selbst, sondern ganz unzweifelhaft der Genius der römischen Baukorporation, wie ja namentlich auch einer Korporation, d. h. einer jeden wirklichen und moralischen Person von den Römern ein besonderer Genius zugeschrieben und von dieser verehrt wurde. Da sodann dieser Genius unmittelbar nach der Beeidigung des Neuaufgenommenen erwähnt wird und dieser ihm nunmehr durch eine Libation für die Aufnahme danken soll, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Aufgenommene seinen Aufnahmseid bei dem Genius der Korporation und des Bundes geschworen habe, wie die Römer bei dem Genius ihrer Vaterstadt, bei ihrem eigenen Genius und bei demjenigen ihres Schutzgottes, späterhin aber besonders bei dem Genius des Kaisers und bei seinem Glücke schworen.2) Bei ihrem eigenen Genius, d. h. bei ihrer eigenen zeugenden Kraft konnten natürlich nur Männer schwören.3) Krause glaubt, da die Römer, wenn sie den Genius anredeten, sich zur Erde niedergeworfen haben, sei es sehr wahrscheinlich, dass in den römischen Kollegien der Aufzunehmende seinen Vertrag mit der Gesellschaft vor dem Altare des Genius zur Erde gestreckt, bei dem Genius des Kollegium beschwor, und alsdann sein Gelöbniss durch eine Weinspende (griech. [fremdsprachliches Material], woher das deutsche Spende) besiegelte. - Ferner wird dem Maurergesellen bei dem Antritte seiner fünf symbolischen Reisen, wovon jedoch zwei erlassen zu werden pflegen, noch heute symbolisch ein warnender Genius zum treuen Reise- und Lebensbegleiter mitgegeben. Wer dieser warnende Genius sei, sein solle und allein sein könne, wurde schon dargelegt. Die Worte: "funde merum Genio!" finden sich übri- 1) Krause,
Kunsturkunden, I. 1. S. 165, verglichen mit Demjenigen, was dazu in der Anmerkung und ferner II. 1.
S. 171 ff., über den Genienglauben und Geniendienst der Alten, besonders aber der Römer und der
römischen Bankorporationen, bemerkt ist. 2) Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 173; Lasaulx,
Studien, S. 212. 3) Preller, röm. Mythologie, S. 69.
dem Genius ein Weinopfer, eine Weinspende darzubringen (funde merum Genio!).1) Der Genius, welchem hier ein Trankopfer dargebracht werden soll, ist nicht etwa der Genius des Neuaufgenommenen selbst, sondern ganz unzweifelhaft der Genius der römischen Baukorporation, wie ja namentlich auch einer Korporation, d. h. einer jeden wirklichen und moralischen Person von den Römern ein besonderer Genius zugeschrieben und von dieser verehrt wurde. Da sodann dieser Genius unmittelbar nach der Beeidigung des Neuaufgenommenen erwähnt wird und dieser ihm nunmehr durch eine Libation für die Aufnahme danken soll, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Aufgenommene seinen Aufnahmseid bei dem Genius der Korporation und des Bundes geschworen habe, wie die Römer bei dem Genius ihrer Vaterstadt, bei ihrem eigenen Genius und bei demjenigen ihres Schutzgottes, späterhin aber besonders bei dem Genius des Kaisers und bei seinem Glücke schworen.2) Bei ihrem eigenen Genius, d. h. bei ihrer eigenen zeugenden Kraft konnten natürlich nur Männer schwören.3) Krause glaubt, da die Römer, wenn sie den Genius anredeten, sich zur Erde niedergeworfen haben, sei es sehr wahrscheinlich, dass in den römischen Kollegien der Aufzunehmende seinen Vertrag mit der Gesellschaft vor dem Altare des Genius zur Erde gestreckt, bei dem Genius des Kollegium beschwor, und alsdann sein Gelöbniss durch eine Weinspende (griech. [fremdsprachliches Material], woher das deutsche Spende) besiegelte. – Ferner wird dem Maurergesellen bei dem Antritte seiner fünf symbolischen Reisen, wovon jedoch zwei erlassen zu werden pflegen, noch heute symbolisch ein warnender Genius zum treuen Reise- und Lebensbegleiter mitgegeben. Wer dieser warnende Genius sei, sein solle und allein sein könne, wurde schon dargelegt. Die Worte: „funde merum Genio!“ finden sich übri- 1) Krause,
Kunsturkunden, I. 1. S. 165, verglichen mit Demjenigen, was dazu in der Anmerkung und ferner II. 1.
S. 171 ff., über den Genienglauben und Geniendienst der Alten, besonders aber der Römer und der
römischen Bankorporationen, bemerkt ist. 2) Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 173; Lasaulx,
Studien, S. 212. 3) Preller, röm. Mythologie, S. 69.
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dem Genius ein Weinopfer, eine Weinspende darzubringen (funde merum Genio!). 1) Der Genius, welchem hier ein Trankopfer dargebracht werden soll, ist nicht etwa der Genius des Neuaufgenommenen selbst, sondern ganz unzweifelhaft der Genius der römischen Baukorporation, wie ja namentlich auch einer Korporation, d. h. einer jeden wirklichen und moralischen Person von den Römern ein besonderer Genius zugeschrieben und von dieser verehrt wurde. Da sodann dieser Genius unmittelbar nach der Beeidigung des Neuaufgenommenen erwähnt wird und dieser ihm nunmehr durch eine Libation für die Aufnahme danken soll, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Aufgenommene seinen Aufnahmseid bei dem Genius der Korporation und des Bundes geschworen habe, wie die Römer bei dem Genius ihrer Vaterstadt, bei ihrem eigenen Genius und bei demjenigen ihres Schutzgottes, späterhin aber besonders bei dem Genius des Kaisers und bei seinem Glücke schworen. 2) Bei ihrem eigenen Genius, d. h. bei ihrer eigenen zeugenden Kraft konnten natürlich nur Männer schwören. 3) Krause glaubt, da die Römer, wenn sie den Genius anredeten, sich zur Erde niedergeworfen haben, sei es sehr wahrscheinlich, dass in den römischen Kollegien der Aufzunehmende seinen Vertrag mit der Gesellschaft vor dem Altare des Genius zur Erde gestreckt, bei dem Genius des Kollegium beschwor, und alsdann sein Gelöbniss durch eine Weinspende (griech. _ , woher das deutsche Spende) besiegelte. – Ferner wird dem Maurergesellen bei dem Antritte seiner fünf symbolischen Reisen, wovon jedoch zwei erlassen zu werden pflegen, noch heute symbolisch ein warnender Genius zum treuen Reise- und Lebensbegleiter mitgegeben. Wer dieser warnende Genius sei, sein solle und allein sein könne, wurde schon dargelegt. Die Worte: „funde merum Genio!“ finden sich übri-
1) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 165, verglichen mit Demjenigen, was dazu in der Anmerkung und ferner II. 1. S. 171 ff., über den Genienglauben und Geniendienst der Alten, besonders aber der Römer und der römischen Bankorporationen, bemerkt ist.
2) Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 173; Lasaulx, Studien, S. 212.
3) Preller, röm. Mythologie, S. 69.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/617>, abgerufen am 23.06.2024. |