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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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vorherrschende, die Grundbewegung ist, welche den ganzen Kirchenbau bis in seine einzelnen Theile durchdringt und beherrscht. Man betrachte eine einzige grössere und schönere Kirche oder gar einen unserer vielen herrlichen Dome auch nur mit flüchtigem Auge, um von dem in ihm lebenden, ihn beseelenden Streben und Bewegen ergriffen und fortgerissen zu werden. Mit der zweifachen Bewegung des Kirchenbaues nach der Altarnische und nach Oben hängt es ferner zusammen, dass die Kirchen ihr hauptsächlichstes Licht, ihre eigentliche Beleuchtung entweder von Osten her aus dem dort gelegenen Chore mit seinen hohen und zahlreichen Fenstern, oder von Oben herab durch die in dem obern Theile des über die Seitenschiffe emporragenden Mittelschiffes angebrachten Fenster oder in ähnlicher Weise empfingen und empfangen. Am wenigsten hell pflegen die Seitenschiffe, heller das Mittelschiff zu sein und jm hellsten Lichte leuchtet der Chor, worin der Altar steht und nach dem alle Blicke sich betend wenden müssen. So erscheinen die hohen christlichen und nach Osten gerichteten Kirchen als die dem tiefsten Glauben und dem fühlendsten Herzen entsprungenen Symbole, dass Gott das ewige Licht sei, nach welchem die Seele hoffend emporstrebe und in das sie dereinst durch Jesum Christum, durch ein christliches Leben und Sterben eingehen werde. Alle Beschreibungen, welche wir von den ältesten Kirchen haben, sowohl den occidentalischen als orientalischen, heben ausdrücklich ihre "himmelanstrebende" Höhe hervor.1) Dieser Kirchenbau beginnt und entwickelt sich schon im Anfange des dritten und noch mehr im Anfange des vierten Jahrhunderts in Rom und Griechenland und ist nach diesem seinem Ursprungslande natürlich und nothwendig ein römisch-griechischer, ein romanisch-byzantinischer, der Basiliken-Bau2) mit dem Grundgedanken des gottesdienstlichen Gemeinde-

1) Baehr, S. 314; Bunsen, die Basiliken des christlichen Roms, S. 44, 65, 31, 32 und 35, woselbst die Beweisstellen gesammelt sind.
2) Ueber den altchristlichen Basiliken-Bau vergl. auch Lübke, Geschichte der Architektur, S. 173 ff., woselbst auch einige Grundrisse und Abbildungen von Basiliken mitgetheilt sind.

vorherrschende, die Grundbewegung ist, welche den ganzen Kirchenbau bis in seine einzelnen Theile durchdringt und beherrscht. Man betrachte eine einzige grössere und schönere Kirche oder gar einen unserer vielen herrlichen Dome auch nur mit flüchtigem Auge, um von dem in ihm lebenden, ihn beseelenden Streben und Bewegen ergriffen und fortgerissen zu werden. Mit der zweifachen Bewegung des Kirchenbaues nach der Altarnische und nach Oben hängt es ferner zusammen, dass die Kirchen ihr hauptsächlichstes Licht, ihre eigentliche Beleuchtung entweder von Osten her aus dem dort gelegenen Chore mit seinen hohen und zahlreichen Fenstern, oder von Oben herab durch die in dem obern Theile des über die Seitenschiffe emporragenden Mittelschiffes angebrachten Fenster oder in ähnlicher Weise empfingen und empfangen. Am wenigsten hell pflegen die Seitenschiffe, heller das Mittelschiff zu sein und jm hellsten Lichte leuchtet der Chor, worin der Altar steht und nach dem alle Blicke sich betend wenden müssen. So erscheinen die hohen christlichen und nach Osten gerichteten Kirchen als die dem tiefsten Glauben und dem fühlendsten Herzen entsprungenen Symbole, dass Gott das ewige Licht sei, nach welchem die Seele hoffend emporstrebe und in das sie dereinst durch Jesum Christum, durch ein christliches Leben und Sterben eingehen werde. Alle Beschreibungen, welche wir von den ältesten Kirchen haben, sowohl den occidentalischen als orientalischen, heben ausdrücklich ihre „himmelanstrebende“ Höhe hervor.1) Dieser Kirchenbau beginnt und entwickelt sich schon im Anfange des dritten und noch mehr im Anfange des vierten Jahrhunderts in Rom und Griechenland und ist nach diesem seinem Ursprungslande natürlich und nothwendig ein römisch-griechischer, ein romanisch-byzantinischer, der Basiliken-Bau2) mit dem Grundgedanken des gottesdienstlichen Gemeinde-

1) Baehr, S. 314; Bunsen, die Basiliken des christlichen Roms, S. 44, 65, 31, 32 und 35, woselbst die Beweisstellen gesammelt sind.
2) Ueber den altchristlichen Basiliken-Bau vergl. auch Lübke, Geschichte der Architektur, S. 173 ff., woselbst auch einige Grundrisse und Abbildungen von Basiliken mitgetheilt sind.
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[180/0200] vorherrschende, die Grundbewegung ist, welche den ganzen Kirchenbau bis in seine einzelnen Theile durchdringt und beherrscht. Man betrachte eine einzige grössere und schönere Kirche oder gar einen unserer vielen herrlichen Dome auch nur mit flüchtigem Auge, um von dem in ihm lebenden, ihn beseelenden Streben und Bewegen ergriffen und fortgerissen zu werden. Mit der zweifachen Bewegung des Kirchenbaues nach der Altarnische und nach Oben hängt es ferner zusammen, dass die Kirchen ihr hauptsächlichstes Licht, ihre eigentliche Beleuchtung entweder von Osten her aus dem dort gelegenen Chore mit seinen hohen und zahlreichen Fenstern, oder von Oben herab durch die in dem obern Theile des über die Seitenschiffe emporragenden Mittelschiffes angebrachten Fenster oder in ähnlicher Weise empfingen und empfangen. Am wenigsten hell pflegen die Seitenschiffe, heller das Mittelschiff zu sein und jm hellsten Lichte leuchtet der Chor, worin der Altar steht und nach dem alle Blicke sich betend wenden müssen. So erscheinen die hohen christlichen und nach Osten gerichteten Kirchen als die dem tiefsten Glauben und dem fühlendsten Herzen entsprungenen Symbole, dass Gott das ewige Licht sei, nach welchem die Seele hoffend emporstrebe und in das sie dereinst durch Jesum Christum, durch ein christliches Leben und Sterben eingehen werde. Alle Beschreibungen, welche wir von den ältesten Kirchen haben, sowohl den occidentalischen als orientalischen, heben ausdrücklich ihre „himmelanstrebende“ Höhe hervor. 1) Dieser Kirchenbau beginnt und entwickelt sich schon im Anfange des dritten und noch mehr im Anfange des vierten Jahrhunderts in Rom und Griechenland und ist nach diesem seinem Ursprungslande natürlich und nothwendig ein römisch-griechischer, ein romanisch-byzantinischer, der Basiliken-Bau 2) mit dem Grundgedanken des gottesdienstlichen Gemeinde- 1) Baehr, S. 314; Bunsen, die Basiliken des christlichen Roms, S. 44, 65, 31, 32 und 35, woselbst die Beweisstellen gesammelt sind. 2) Ueber den altchristlichen Basiliken-Bau vergl. auch Lübke, Geschichte der Architektur, S. 173 ff., woselbst auch einige Grundrisse und Abbildungen von Basiliken mitgetheilt sind.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/200>, abgerufen am 27.11.2024.